Der tiefe Brunnen

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düsterbunt

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In einem wunderschönen weißen Schloss aus Marmor mit tausend Türmen und Türmchen, Fenstern und Treppen und Gängen und Zimmern lebte eine blinde Prinzessin.
Sie hielt sich am liebsten im verschlossenen Garten auf, weil dort die Vögel so schön sangen und die Blumen so gut dufteten. In der Mitte des Gartens war ein beständig plätschernder Brunnen, der en Garten und die Bewohner des Schlosses mit Wasser versorgte.
Hier saß sie am Rande des Brunnens und träumte ihren liebsten Traum.
Da kam ein Wind auf und alles um die Prinzessin herum wurde still und wie leer. Die Vögel verstummten und die Blumen dufteten nicht mehr.
Es war einen Tag nach der Nachricht, dass ein Prinz aus einem fernen Land um ihre Hand angehalten hatte und sie bald vermählt werden sollte.
Die Prinzessin war sehr verwundert und lauschte und schnupperte in die ewige Nacht hinein und obwohl am Himmel die Sonne schien und ihre Strahlen ihre Arme streichelten und wärmten war ihr seltsam kühl.
Nur das stetige Plätschern des Brunnens drang noch an ihr Ohr und sie fühlte eine gewisse Sicherheit.
Da platschte etwas im Brunnen unruhig und aufgeregt hin und her, gerade so als wenn ein Fisch aus dem Wasser und wieder zurück springen würde.
Die Prinzessin erschrak und blieb wie erstarrt sitzen. Sie spürte das etwas in ihrer Nähe war, das sie nicht kannte, doch sie wartete gespannt ab, denn es war nichts Böses, dass sie da hörte.
Da sprach eine freundliche, aber seltsame Stimme aus dem Wasser heraus und immer war es als würden die Worte aus Luftblasen herausplatzen, denn es machte zwischen den Worten ein kleines leises „Zzzzlopp“und zwischen manchen Worten waren längere Pausen, bis wieder eine Blase zerplatzte: Ich gebe dir dein Augenlicht und erfülle dir deinen größten Wunsch. Doch du wirst zur Nixe und musst fortan im Wasser leben. Ich zeige dir die Schönheit meiner Welt und all ihre Kostbarkeiten und Pracht“
„Wer bist du?“ fragte die Prinzessin aufgeregt.
„ Ich bin der Goldfisch des Gartenbrunnes und lebe seit Ewigkeiten hier. Darum kenne ich dich schon lange und weiß was du ersehnst. Tauche ein in die Welt des Wassers und es wird dich glücklich machen“.
Die Prinzessin folgte ihrem Wunsch und ihrer Bestimmung und tauchte erst die Arme in das kühle Wasser und stieg dann ganz hinein. Als ihre kleiner Zeh als letztes ins Wasser eigetaucht war öffnete sie ihre Augen und sie sah die Wellen aus Licht am Boden des Brunnens. Sie schaute nach oben und sah durch die wellige Wasseroberfläche die Sonne, den Himmel und die grünen Bäume sich im Wind bewegen.
Sie spürte wie ein wogendes Glückgefühl sich in ihr ausbreitete, da verwandelten sich ihre Beine in einen Fischschwanz.
Aus der Ferne durch das Wasser hindurch hörte sie die Stimmen ihrer Dienerschaft, die sie aufgeregt suchten.
Sie wusste instinktiv was zu tun war und schwamm in die Tiefe des Brunnens. Dort erwartete sie ein Schwarm goldener Fische denen sie folgte. Der Brunnen war so tief, dass sie einen langen Weg zurücklegte.
Endlich, als sie mit ihrer Kraft am Ende war, erschien ein wunderschönes Unterwasserreich vor ihr. Ein Schloss und unzählig viele Fische, die sie freundlich begrüßten und mit ihr schwammen. Hier lebte sie fortan in einer Welt aus bunten Farben, prächtigen Formen und würde nie mehr einsam sein.
 



 
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