Deutsche Sprache ...

Kayl

Mitglied
Deutsche Sprache …


Wir marschierten zum Amtsgericht mit unserem Testament, handgeschrieben mit Unterschriften, Ort und Datum, waren aber bei diesem Dokument mit erheblichen Auswirkungen im Zweifel, ob es richtig formuliert ist.
Wir baten deshalb den Amtsinspektor, vor der Ablage ins Archiv einen Blick darauf zu werfen. Er holte es aus dem Umschlag, las, lehnte sich zurück und zog die Stirn kraus.
„Sind wir verstorben, soll unser Erbe an …“, hatte ich geschrieben, und weiter unten, weil wir unsere sterblichen Hülle der Anatomie eines Fachbereichs Medizin einer Universität überlassen wollen: „Weiterhin sind gültig unsere letztwilligen Verfügungen vom …“
„Nein, nein!“, widersprach der Amtsinspektor, nahm einen Zettel und notierte die nach seiner amtsinspektorlichen Kenntnis korrekte Formulierung:
„Als Erben des überlebenden Ehegatten oder bei gemeinsamen Ableben setzen wir ein …“, und „ Bezüglich des Leichnams nehmen wir Bezug auf …“
 
A

aligaga

Gast
So Unrecht hatte der Beamte gar nicht, Kayl. In deinem Testament war nicht geregelt, was zu tun sei, wenn ein Ehepartner hinterbleibt. Der Beamte hat es "gerichtsfest" gemacht. Vorher war es das nicht.

Dass der Bezug auf einen Bezug beschissenes Deutsch ist, hat eher nichts mit einer Amtssprache zu tun, sondern mit dem Unvermögen des Beamten. Es sollen unter diesen hin und wieder auch Menschen geben.

Gruß

aligaga
 

Ofterdingen

Mitglied
Hallo Kayl,

Es gibt also verschiedene Ansichten darüber, wie jemand sein Testament abfassen sollte, und die werden vertreten von Leuten, die sich hölzern oder papieren ausdrücken, und anderen, denen das nicht gefällt. Und weiter?

Und aligaga,

"Es sollen unter diesen hin und wieder auch Menschen geben."
Natürlich darfst du Zweifel anmelden, ob wirklich alle Menschen Menschen sind, aber das hört sich einfach besser an, wenn einer so etwas in korrektem Deutsch schreibt.
 

Kölle

Mitglied
Dass es mehrere deutsche Sprachen gibt (beispielsweise neben dem gesprochenen und geschriebenen Hochdeutsch wenigstens noch die Jugendsprache) ist ja soweit bekannt. Das literarisch aufzugreifen natürlich auch legitim - auch wenn es "nur" in einer kleiner beschreibenden Notiz festgehalten wird.

Mich als Leser würde es aber auch interessieren, was macht es eigentlich mit dem Autor, wenn er mit diesem eher befremdenden Deutsch konfrontiert wird. Wird er wütend? Fühlt er sich elendiglich klein? Oder kommt er zu neuen Erkenntnissen?

Z.B. heißt es ja beim Amtsdeusch:
Als Erben des überlebenden Ehegatten...
Hier öffnet sich vielleicht eine neue Perspektive, die der Erzähler vielleicht im Kopf hatte, aber nicht erwähnt: Wer wird zuerst sterben? Wer will zuerst sterben? Wer hält es nicht aus, wenn der andere zuerst stirbt?
So käme man in eine literarische Auseinandersetzung um das Thema "zu zweit" sterben, angeregt durch das Amtsdeutsch.

Aber, ok, da gehen jetzt die Gäule mit mir durch, und ich sehe auch, dass es nicht die Absicht des Autors war, das Thema Sterben zu thematisieren bzw. wie man drauf gestoßen wurde, darüber zu reden.

Mir geht es am Ende der Geschichte wie Ofterdingen: Und weiter?

Aber meine offene Frage zu beantworten ist nicht die Aufgabe des Autoren. Ich will hier nur einbringen, was diese Kurzprosa mit mir macht...

LG Kölle
 
A

aligaga

Gast
Warum machst du wegen eines Flüchtigkeitsfehlerchens solches Wesen, Ofterdingen? Ich hab einen dämlichen Kommentar geschrieben, kein Kurzprosastück eingestellt.

Korrigierst du alle Kommentare nach? Da hast du bestimmt viel zu tun ...

Gruß

aligaga
 

Kayl

Mitglied
Hallo aligaga,
ich muss nachtragen: Im Testament steht auch, dass wir uns gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Insofern war der Textvorschlag des Beamten "Als Erben des überlebenden Ehegatten oder ..." überflüssig.
Wirklich erheiternd fand ich das "gemeinsame Ableben". Was ist unter Ableben zu verstehen? Und wenn damit das Sterben gemeint ist, wie ist ein gemeinsames Sterben möglich? Gruß - Horst Kayling
 

Kayl

Mitglied
Deutsche Sprache …


Wir marschierten zum Amtsgericht mit unserem Testament. Handgeschrieben mit Unterschriften, Ort und Datum, hatten wir uns gegenseitig zu Alleinerben bestimmt. Aber bei diesem Dokument mit erheblichen Auswirkungen waren wir im Zweifel, ob es richtig formuliert ist.
Wir baten deshalb den Amtsinspektor, vor der Ablage ins Archiv einen Blick darauf zu werfen. Er holte es aus dem Umschlag, las, lehnte sich zurück und zog die Stirn kraus.
„Sind wir verstorben, soll unser Erbe an …“, hatte ich geschrieben, und weiter unten, weil wir unsere sterblichen Hülle der Anatomie eines Fachbereichs Medizin einer Universität überlassen wollen: „Weiterhin sind gültig unsere letztwilligen Verfügungen vom …“
„Nein, nein!“, widersprach der Amtsinspektor, nahm einen Zettel und notierte die nach seiner amtsinspektorlichen Kenntnis korrekte Formulierung:
„Als Erben des überlebenden Ehegatten oder bei gemeinsamen Ableben setzen wir ein …“, und „ Bezüglich des Leichnams nehmen wir Bezug auf …“
 

herziblatti

Mitglied
Hallo Kayl,
Wirklich erheiternd fand ich das "gemeinsame Ableben". Was ist unter Ableben zu verstehen? Und wenn damit das Sterben gemeint ist, wie ist ein gemeinsames Sterben möglich? Gruß - Horst Kayling
über "gemeinsames Ableben" lässt sich vieles sagen und denken, vielleicht willst Du das einmal googlen, insbesondere im Zusammenhang mit der Zeit vor 1945. LG - herziblatti
 

Nosie

Mitglied
Der Beamte hat das Testament in seiner Auswirkung verändert. In der ursprünglichen Fassung war festgelegt, wer der Erbe nach dem Tod beider sein sollte, egal ob sie gleichzeitig oder nacheinander sterben.
Der Beamte hat nur mehr im Fall des gleichzeitigen Ablebens, was ja eher unwahrscheinlich ist, einen Dritten als Erben genannt. Beim Ableben hintereinander hätte der hinterbliebene Partner ein neues Testament machen müssen.
Ich glaube allerdings nicht, dass man testamentarisch festlegen kann, wer den eigenen Erben (hinterbliebener Partner) nach dessen Ableben beerbt und das tat das ursprüngliche Testament mit der Formulierung "sind wir verstorben, soll unser Erbe..". Insofern hatte der Beamte recht mit seiner Korrektur.

Liebe Grüße
Nosie
 



 
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