Die Ameise

Andrea

Mitglied
Wiesen. Ich erinnere mich an Wiesen. Wie alt mag ich damals gewesen sein? Sechs? Sieben? Allerhöchstens sieben Jahre alt. Es muß in dem Jahr gewesen sein, nachdem ich in die Schule gekommen bin. Wir fuhren in die Ferien, und da lagen sie vor mir: Wiesen. Saftig grün, voller Gras, Blumen und Insekten. Wenn man sich hinhockte und nur still zuschaute, dann begann es irgendwo ganz sicher zu krabbeln. Wenn man aber einmal die Krabbler entdeckt hatte, dann war es vorbei mit der Ruhe, dann konnte man überall die Bewegung sehen. Wie winzige Zivilisationen. Zivilisationen, die man mit einem einzigen Fußtritt zerstören konnte. Wie leicht das ging, als ich ein Kind war. Heute muß man schon mit Zerstörern, mit Gewehren und Detonationsgeräten auffahren, um den Kampf zu gewinnen.
Damals lag ich im Gras, die Sonne schien, und vom Waldrand her konnte ich die Vögel singen hören, und meine Mutter, die rief: Geh nicht zu weit weg! Jetzt liege ich in den Trümmern einer Stadt, die Fremde gebaut und bewohnt haben, aber ich habe sie zerstört. Meine Wange preßt sich gegen kalten Beton, während meine Hände die Waffe umklammern, die sie mir gegeben haben, damit ich die Stellung halten kann. Die Stellung halten! So wie meine Mutter nicht wollte, daß ich zu weit von unserer Picknickdecke fortlaufe, wollen sie nicht, daß ich die Stellung, diesen bedeutend unbedeutenden Flecken hier im Stich lasse. Keine Angst, ich werde sie nicht verlassen. Wie sollte ich auch. Keine dreißig Schritt entfernt von hier, hinter den rauchenden Ruinen des alten Krankenhauses, werden sie vermutlich schon lauern. Warten sie auf mich? Warten sie darauf, mich, gerade mich umzubringen? Das kann ich nicht glauben. Ich bin doch höchstens eine Ameise, und wer kann sich schon jemanden denken, der sich in mitten einer blühenden Wiese stellt, um dann eine einzige Ameise zu zertrampeln? Das wäre aufwendig, teuer und eine Verschwendung von Zeit. Zeit... Wer hat sie schon zu verschwenden? Ich habe es mit vollen Händen getan, wird mir bewußt. Damals, als ich in der Wiese lag und diese krabbelnden Insekten beobachtet habe, habe ich vielleicht das erste und einzige Mal in meinem Leben keine Zeit verschwendet. Aber danach? Es ging so schnell, daß mir keine Zeit blieb, und jetzt, wo die Kälte langsam in meine Beine klettert, erscheint es mir, als sei ich nicht zurück zu meiner Mutter gelaufen, die auf der Picknickdecke auf mich gewartet hat, sondern als wäre ich aufgesprungen und geradewegs hierher gelaufen. Wen kümmert es, daß ich dabei ein ganzes Stück gewachsen bin. Mich nicht, und die hinter der Ruine auch nicht. Besser wäre es gewesen, ich wäre noch so klein wie damals, denn dann gäbe ich ein schlechteres Ziel ab.
Meine Mutter stand auch auf dem Flughafen, an dem Abend, an dem ich in den Helikopter geklettert bin. Ich hatte sie gebeten, nicht zu kommen, weil es doch Winter war. Die Straßen waren so verdammt glatt, und auf dem Bürgersteig wäre ich beinahe auf einer Pfütze ausgerutscht, die mit Eis überzogen war. Aber meine Mutter wollte es sich nicht nehmen lassen, mir Auf Wiedersehen zu sagen. Sie sagte nie mehr zu mir als diese zwei Worte: Auf Wiedersehen. Und damit war alles gesagt. Ich kann sie vor mir stehen sehen, die Wangen vom schneidenden Wind gerötet, Tränen in den Augen. Ihr grauer Mantel weht, ihr braunes Haar weht, ihr grüner Schal flattert im Wind. Ich habe ihn ihr vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt, weil er so gut zu ihren Augen paßte. Grünen Augen mit Tränen. Auf Wiedersehen. Nur zwei Worte.
Mein Hauptmann sagt nie Auf Wiedersehen. Er sagt, daß wir unsere Pflicht erfüllen müssen, er erteilt die Befehle, Befehle wie: Haltet die Stellung.
Ich werde die Stellung halten, weil es mir befohlen worden ist. Werde weiter hier auf den Steinen liegen und mich darum bemühen, eine bequemere Lage zu bekommen. Gerne würde ich einen Blick auf die Uhr werfen, aber meine Armbanduhr habe ich im Camp liegen lassen, weil sie mich an Danny erinnert. Danny hat sie mir geschenkt, damit ich die Zeit nicht vergesse. Das stand auf der Karte, die bei der Uhr lag, und ich mußte lächeln, weil mich die gelbe Uhr an blondes Haar erinnert. Sie erinnert mich an die Zeit, die ich mit Danny verbracht habe. Auch damals schien die Sonne, zwar meist von Wolken verdeckt, denn es war im Herbst, aber ich erinnere mich an die Sonne. Sie hat mich geblendet, weil ihr Licht ständig in meine Augen fiel, wenn die Wolken mal wieder einen Spalt ließen.
Hier ist es dunkel. Der schwarze Qualm von den Ruinen hebt sich gegen die Nacht ab. Ich würde mir gerne eine Zigarette anzünden, aber das Licht könnte man hinter den Ruinen sehen, und dann wäre ich ein entzückendes Ziel, ein Geschenk für die anderen. Keine Uhr und kein Schal, aber ein Geschenk.
Es muß schon später sein, als ich dachte. Ich höre Gewehre, Explosionen und Lärm. Sie kommen. Sie kommen! Ich muß die Stellung halten.
 
L

Lieselore Warmeling

Gast
So eindringlich beschrieben, dass man die Angst des jungen Soldaten zu spüren meint, aber auch seine Überlegungen, wie sehr er in diesem Spiel die Ameise verkörpert, die JEMAND oder ETWAS nur so zum Spaß, oder weil sie gerade da herum krabbelt, vernichten kann.

Ist es seltsam, sich zu wünschen, diese Geschichte wäre von einem jungen Mann geschrieben worden?

Hätte irgendwie die Hoffnung ergeben, irgendwann beginnt einmal die massive Weigerung aller, sich zertreten zu lassen, nur weil Jemand sagt, *halt die Stellung*.

Aber das wird wohl auf ewig eine Illusion bleiben.

Niederschmetternd realistisch....
 

Andrea

Mitglied
Ob es seltsam ist, sich einen männlichen Autor zu wünschen, kann ich nicht beantworten. Aber ich verstehe auch nicht, wieso das die Hoffnung auf eine friedliche Welt bestärkt hätte. Denn einmal sind es längst nicht nur die Männer, die Waffen in die Hand nehmen und töten und getötet werden und auf die wir deshalb die Verantwortung abschieben könnten.
Langsam sollte unsere Welt doch soweit sein, daß jeder, oder in diesem Fall eher: jede sagen kann, es reicht. Daß sie das nicht weiter akzeptieren wird.
Nach Ansicht aller Experten wird das neue Jahrtausend immerhin das Jahrtausend der Frau, und daher sollten wir doch auch beginnen, Verantwortung für unsere Zukunft zu übernehmen.
Nebenbei bemerkt: Das Geschlecht der Ameise wird nirgends explizit erwähnt...

Aber auf alle Fälle bedanke ich mich für das Lob.
 
L

Lieselore Warmeling

Gast
>Ob es seltsam ist, sich einen männlichen Autor zu wünschen, kann ich nicht beantworten. Aber ich verstehe >auch nicht, wieso das die Hoffnung auf eine friedliche Welt bestärkt hätte.
> Denn einmal sind es längst nicht nur die Männer, die Waffen in die Hand nehmen und töten und getötet
> werden und auf die wir deshalb die Verantwortung abschieben könnten.

Das sehe ich dann anders, weil Kriege - soweit wir alle zurückdenken können - von Männern ausgelöst und geführt werden.
Sobald *Frau* darin verwickelt wird, ist sie das zumeist als Opfer.

>Langsam sollte unsere Welt doch soweit sein, daß jeder, oder in diesem Fall eher: jede sagen kann, es >reicht. Daß sie das nicht weiter akzeptieren wird.

Sagen können das Alle, gehört werden sie nicht.

>Nach Ansicht aller Experten wird das neue Jahrtausend immerhin das Jahrtausend der Frau, und daher >sollten wir doch auch beginnen, Verantwortung für unsere Zukunft zu übernehmen.
>Nebenbei bemerkt: Das Geschlecht der Ameise wird nirgends explizit erwähnt...

Das Geschlecht der Ameise spielt auch keine Rolle, es ging um die pazifistische Einstellung einer Autorin.
Aber wenn Du hoffst, das neue Jahrtausend werde das der FRAU dann toi toi toi den kommenden Generationen.
Verantwortung übernehmen sollte FRAU aber erst dann, wenn sie den Zustand dieser Welt auch zu mindestens 50% mitbestimmen kann, also wann?
Natürlich dann, wenn die erwähnten Experten mit ihren Prognosen halbwegs richtig liegen.

Aber dazwischen, da hast Du sicher recht, kann sie dann ja pausenlos sagen, dass es ihr reicht:)

Gruss Lieselore
 

Andrea

Mitglied
Die Argumentation riecht mir immer noch zu sehr nach Ausrede. Nebenbei ist sie nicht korrekt.
Frauen nehmen in Guerilla-Kriegen aktiv teil. Frauen lassen sich überall in der Welt zu Soldatinnen ausbilden, und im Golfkrieg werden meiner Meinung nach auch Frauen eingesetzt worden sein. Frauen haben immer schon bei der Entwicklung und Herstellung von Waffen geholfen, und nicht überall wurden sie dazu gezwungen!
Wenn bisher in so wenigen Kriegen Frauen an vorderster Front mitgekämpft haben, so haben wir das ironischerweise dem Machogehabe der Männer zu verdanken, die eine Frau am Gewehr als unästhetisch empfanden und sie sowieso lieber auf Heim und Herd beschränkt hätten.
Krieg ist ein Instrument der Macht, und wenn Frauen ind er Vergangenheit mehr Macht gehabt hätten, hätten sie auch daran teilgenommen.
Nebenbei gefragt: Womit hätten wir es verdient, eine aktive Rolle in dieser Welt zu spielen, wenn wir uns scheuen, schon jetzt Verantwortung zu übernehmen. Natürlich sind Frauen vielerorts nicht in der Lage, das zu tun, aber wenn ich an die Proteste von Müttern während der Kriege in Ex-Jugoslawien denke, an die Protestmärsche der Frauen in Tschetschenien, dann denke ich doch, daß wir Verantwortung genug übernehmen können - in Ländern wie Deutschland, Frankreich, England, Italien, der USA usw. usf. allemal!
Und wie soll etwas je getan werden, wenn niemand etwas sagt?!
 
L

Lieselore Warmeling

Gast
>>Die Argumentation riecht mir immer noch zu sehr nach Ausrede. Nebenbei ist sie nicht korrekt.
Frauen nehmen in Guerilla-Kriegen aktiv teil. Frauen lassen sich überall in der Welt zu Soldatinnen ausbilden, und im Golfkrieg werden meiner Meinung nach auch Frauen eingesetzt worden sein.

Kann sein, dass es einige waren, die glaubten, es gebe etwas auf dieser Welt, dass einen Krieg rechtfertige.
Aber genau die wolltest Du Dir doch sicher nicht zum Vorbild nehmen oder?
Im übrigen spielen sie natürlich zahlenmäßig so gut wie keine Rolle und als Auslöser oder Dirigisten von Kriegen sind sie gar nicht vorhanden.


>> Frauen haben immer schon bei der Entwicklung und Herstellung von Waffen geholfen, und nicht überall wurden sie dazu gezwungen!

Da wo sie nicht gezwungen wurden, sind sie Terroristinnen, aber in der Waffenschmiede der
Dritten Reiches gabs keine, die dort freiwillig hingegangen wären, es sei denn, sie hätten ansonsten verhungern müssen.
Und das weiß ich dann mal nicht aus Büchern, sondern es ist *Erfahrung*
Jetzt darfst Du dann Überlegungen über mein Alter anstellen und das dürfte nun nicht mehr allzu schwer sein.

Deshalb mache ich mir auch nicht mehr Deine Illusionen darüber, dass FRAU es irgendwann in der Hand haben dürfte, durch bloßen Einspruch irgend etwas auf dieser Welt zu verändern.

>>Wenn bisher in so wenigen Kriegen Frauen an vorderster Front mitgekämpft haben, so haben wir das ironischerweise dem Machogehabe der Männer zu verdanken, die eine Frau am Gewehr als unästhetisch empfanden und sie sowieso lieber auf Heim und Herd beschränkt hätten.
Krieg ist ein Instrument der Macht, und wenn Frauen in der Vergangenheit mehr Macht gehabt hätten, hätten sie auch daran teilgenommen.

Nein, das hätten sie nicht, wenn sie mehr Macht gehabt hätten, dann hätten sie als Erstes ihre Söhne geschützt, denn sie sind zuallererst Mütter, und das wird sie bei entsprechender Auswahlmöglichkeit immer auf die pazifistische Seite bringen. Aber...diese Wahl hatten sie nie und werden sie nicht haben, es sei denn, die Genforschung ist eines wundervollen und hoffentlich nicht allzu fernen Tages in der Lage, die männliche Aggressivität wegzuzüchten.

Erst dann werden ihre Einsprüche eventuell unterstützt werden.

>>Nebenbei gefragt: Womit hätten wir es verdient, eine aktive Rolle in dieser Welt zu spielen, wenn wir uns scheuen, schon jetzt Verantwortung zu übernehmen. Natürlich sind Frauen vielerorts nicht in der Lage, das zu tun, aber wenn ich an die Proteste von Müttern während der Kriege in Ex-Jugoslawien denke, an die Protestmärsche der Frauen in Tschetschenien, dann denke ich doch, daß wir Verantwortung genug übernehmen können - in Ländern wie Deutschland, Frankreich, England, Italien, der USA usw. usf. allemal!

Und wann machs Du Dir Gedanken darüber, was den Frauen in den genannten Ländern diese Proteste gebracht haben?
Null soviel ich weiß..oder?

>>Und wie soll etwas je getan werden, wenn niemand etwas sagt?!

Aber sagen soll doch jeder alles, je mehr desto besser, er (Sie in dem Fall) darf nur nicht erwarten, dass sie gehört werden wird und das ist bittere Realität und deshalb sagte ich, für das Bild dieser Welt, die man nicht mitbestimmt hat, die Verantwortung zu übernehmen, fehlte gerade noch, dass sollten Diejenigen tun, die diesen Zustand zu verantworten haben.

Ich bin eben für eine glasklare Sicht auf die Welt wie sie ist und nicht, wie ich sie mir wünsche.
Dann wirds zur einfachen Rechenaufgabe, 50% Mitbestimmung gleich 50% Verantwortung.

L.W.
 

Andrea

Mitglied
Liebe Lieselore,

wenn du fragst, was den Frauen ihre Prosteste gebracht haben, kann ich nur eines antworten: Aufmerksamkeit. Das bringt ein Leben nicht mehr zurück, aber es ist auch nicht "nichts". In einem Hiphop-Stück heißt eine Textzeile: "Sterben kannst du nicht, wenn du in aller Leute Köpfe warst." Ich finde, da ist ein Stück Wahrheit drin, und wenn man auch die ermordeten Soldaten durch die Bilder von ihren Müttern und Frauen nicht kennenlernt, prägen sich diese Bilder doch mehr ein als irgendwelche Statistiken.

Außerdem möchte ich noch mal meine These bekräftigen, daß der Machthunger immer der Auslöser der Kriege ist und Frauen, hätten sie Macht, diese Kriege auch führen würden. Macht korrumpiert, und wieso sollten Diktorinnen um ihre Kinder fürchten, wenn sie genug Einfluß haben, sie erst gar nicht an die Front etc. geraten zu lassen?

Vielleicht liegt es an meiner Generation, aber in meinen Augen sind Frauen in erster Linie keine Mütter, sondern nur Frauen, mit im Prinzip denselben Wünschen, die auch Männer treiben, nämlich ein Leben nach ihren Vorstellungen zu führen, mit allen Rechten, Freiheiten und Pflichten, die damit verbunden sind. Und leider sind Machtgier und Aggression ebenso Bestandteil der weiblichen Seele wie der männlichen, nur lassen diese es mehr heraus, da es immer noch als männlich und tough gilt. Frauen verbergen es nur besser.

Es tut mir leid, daß du die Hoffnung, diese Welt einmal in Frauenhand zu erleben, verloren hast. Aber tausend Jahre sind eine lange Zeit, und mit dem Fortschreiten der Bildung und auch der wirtschaftlichen und medizinischen Entwicklung (man bedenke nur die Auswirkungen der Pille...) werden sich auch die Frauen nicht aufhalten lassen. Ob die Welt damit allerdings auf einen Schlag soviel besser wird, wage ich zu bezweifeln.

Gruß
Andrea

PS: Leider hat diese Diskussion nicht mehr viel mit der Geschichte zu tun, aber ein, zwei Dinge mußte ich einfach noch loswerden.
 
L

Lieselore Warmeling

Gast
Liebe Lieselore,

>>wenn du fragst, was den Frauen ihre Prosteste gebracht haben, kann ich nur eines antworten: Aufmerksamkeit. Das bringt ein Leben nicht mehr zurück, aber es ist auch nicht "nichts". In einem Hiphop-Stück heißt eine Textzeile: "Sterben kannst du nicht, wenn du in aller Leute Köpfe warst." Ich finde, da ist ein Stück Wahrheit drin, und wenn man auch die ermordeten Soldaten durch die Bilder von ihren Müttern und Frauen nicht kennenlernt, prägen sich diese Bilder doch mehr ein als irgendwelche Statistiken.


Hallo Andrea
O ja, ungefähr so wie ein Massenunfall auf der Autobahn.
Da stehen sie dann alle rum, reisen sogar an, um aus sicherer Entfernung
den Crash auf der Autobahnbrücke stehend zu kommentieren.
Und dann????
Erkennst Du die berechtigten Zweifel daran, dass *Bilder* eine festgefügte
menschliche Haltung so verändern werden, dass man von Lernerfahrung sprechen kann?

Die Textzeile * sterben kannst Du nicht, wenn Du in aller Leute Köpfe warst*
ist wundervoll, solange man sie nicht aus der Sicht der Gemeuchelten betrachtet,
aber die betrachten dann ja ohnehin nichts mehr:)

>>Außerdem möchte ich noch mal meine These bekräftigen, daß der Machthunger immer der Auslöser der Kriege ist und Frauen, hätten sie Macht, diese Kriege auch führen würden. Macht korrumpiert, und wieso sollten Diktorinnen um ihre Kinder fürchten, wenn sie genug Einfluß haben, sie erst gar nicht an die Front etc. geraten zu lassen?

Ich habe da weniger die Diktatorinnen gemeint, denn auch die brauchen dann ja Soldaten,
alleine führen sich Kriege nun mal schlecht.
Allerdings gibt mir Dein Einwand zu denken was die bisher einzige weibliche Premierministerin Margret Tatcher anbelangt und ihre Bereitschaft, den Falklandkrieg nicht zu vermeiden, sondern ihn als Blitzkrieg gewinnen zu wollen.
Was ja auch geklappt hat.
Sollen wir jetzt daraus schließen, dass die Dame zuviel Testosteron im Blut hatte und nur mit Mühe
das weibliche Ufer erklommen hat?:)

Oder etwa, dass sie so souverän wie sie wirkte, nicht war und sich dem männlichen Druck
verschiedener Lobbys beugen musste?

Alles möglich.
Aber denken wir Deinen Einwand mal zu Ende.
Wenn Du denn glaubst, sobald Frauen Macht haben unterscheiden sie sich keinen Deut von männlichen Machhabern, warum sollte man sich dann diese Mischpoke bei den Wahlen auch noch antun?
Wenn sich nichts zum Guten verändert, gäbe es doch für eine Machtteilung - von Übernahme wollen wir erst gar nicht reden - doch überhaupt keinen sinnvollen Grund.

>>Vielleicht liegt es an meiner Generation, aber in meinen Augen sind Frauen in erster Linie keine Mütter, sondern nur Frauen, mit im Prinzip denselben Wünschen, die auch Männer treiben, nämlich ein Leben nach ihren Vorstellungen zu führen, mit allen Rechten, Freiheiten und Pflichten, die damit verbunden sind. Und leider sind Machtgier und Aggression ebenso Bestandteil der weiblichen Seele wie der männlichen, nur lassen diese es mehr heraus, da es immer noch als männlich und tough gilt. Frauen verbergen es nur besser.

O je, das kann nun überhaupt nicht stimmen, denn logischweise würde dann die Kriminalstatistik anders aussehen.
Du weisst sicher, dass 95% aller Gewaltverbrechen männliche Täter haben.
Nach Deinem Rückschluß hieße das, potentielle weibliche Täter werden nur nicht auf diese Weise
kriminell, weil sie ihre Neigung dazu besser verbergen können, nicht sehr schlüssig, oder?

Aber langsam frage ich mich, wie wir denn auf dem Umweg über Deine Ameise überhaupt
bis hierher gelangt sind.

Irgendwie erheiternd, welche Abschweifung das ausgelöst hat.

Retten wir uns also in die einzige Übereinstimmung, beide Seiten, Autorin und Leserin sind
zutiefst pazifistisch.

>>Es tut mir leid, daß du die Hoffnung, diese Welt einmal in Frauenhand zu erleben, verloren hast. Aber tausend Jahre sind eine lange Zeit, und mit dem Fortschreiten der Bildung und auch der wirtschaftlichen und medizinischen Entwicklung (man bedenke nur die Auswirkungen der Pille...) werden sich auch die Frauen nicht aufhalten lassen. Ob die Welt damit allerdings auf einen Schlag soviel besser wird, wage ich zu bezweifeln.

Klaro, wir werden diese 1000 Jahre zwar beide nicht mehr erleben, aber Hoffnungen
sind dazu da, gehegt zu werden.
Und wer weiss, wenn *Mann* die heutige Welt bis dahin nicht völlig zerstört hat,
könnte *FRAU* vielleicht sogar die Verantwortung für den kläglichen Rest übernehmen,
um ihn dann wieder aufzubauen.
Dazu aber muss sie dann eben doch *Mutter* werden.:)

PS: Leider hat diese Diskussion nicht mehr viel mit der Geschichte zu tun, aber ein, zwei Dinge mußte ich einfach noch loswerden.

Völlig in Ordnung.
Ausgangspunkt war meine Bemerkung, dass solche Geschichten wie Deine, eben doch überwiegend von Frauen geschrieben werden.
Es gibt durchaus auch Männer mit dieser Sichtweise, aber leider nicht genug, um diese
Welt nachhaltig zu verändern.

Wir können einander nicht überzeugen, aber auch das ist okay.

Gruss Lieselore
 
L

LE

Gast
mann oder frau

männer sind für den krieg und frauen dagegen. läuft es darauf hinaus? die diskussion, nicht die geschichte?
wenn ja, dann möchte ich die behauptung hinzufügen, daß, was immer männer tun, letztendlich für frauen getan wird. in einer reinen männergesellschaft würde niemand arbeiten gehen, keiner wäre scharf auf karriere, kriege gäbe es auch nicht, kunst wahrscheinlich auch nicht. will sagen, eigentlich regieren die frauen die welt. längst. schon immer.
was wäre aus hitler geworden, wäre er nicht sexuell frustriert gewesen?
;)
 
P

Petra Koch

Gast
Hallo Andrea,
Nachdem diese heiße Diskussion abgeklungen ist, möchte ich Dir sagen, dass ich Deine Geschichte sehr gut finde. Beim ersten Lesen dachte ich, dass die Geschichte von einem Mann geschrieben worden wäre, und war überrascht, dass eine Frau, nämlich Du, sie geschrieben hat. Aber diese Geschichte, mit soviel Gefühl, kann eigentlich nur eine Frau schreiben! Hätte ein Mann sie geschrieben, wäre sie sicher anders ausgefallen! Welcher Mann hätte sich mit einer Ameise verglichen?
Doch dieser Vergleich ist gut. Ist es denn nicht so, dass jeder (egal ob Mann oder Frau) der in aktive Kriegshandlungen hineingezogen (also Soldat/In) wird, seine Individualität aufgeben muss und zu einer Nummer degradiert wird (denk an die Blechmarke, die ein Soldat um den Hals trägt). Dadurch wird er quasi zu "einer Ameise", die ja nichts anderes kennt als ihre Pflichterfüllung, also "die Stellung zu halten", wie Du es ausdrückst. Du hättest keinen besseren Vergleich wählen können. Die Geschichte hat mich ziemlich beschäftigt, und sie tut es noch, wie Du siehst.
Leider wird es Kriege wohl noch eine lange Zeit geben, obwohl sich alle Menschen Frieden wünschen. Ich denke, zuerst muss in unseren eigenen Herzen Frieden sein, bevor er sich in der ganzen Welt manifestieren kann. Doch so lange Hoffnung ist, ist nichts verloren. Grüß Dich.
 

maskeso

Mitglied
Leider schwach 2/10

Mir hat die Geschichte, so muss ich sagen, ganz und gar nicht gefallen. Was mich gestört hat war - so empfand ich es - das Fehlen von Atmosphäre. Der Soldat / Die Soldatin liegt allein, verloren und desillusioniert, aber man merkt davon nicht viel. Schon mal Böll gelesen? Ich weiß nicht, was er anders macht, vielleicht ist es die Vorliebe für kleinste irrelevante Details, die den Schrecken deutlich macht. Die Erinnerung an die Ameise nun ist so plakativ, so aufgesetzt. Ich empfand es so - die Verzweiflung des Protagonisten (und ich gehe mal stark davon aus, dass er / sie verzweifelt ist) kommt nicht rüber. Zuwenig Atmosphäre, zuwenig Realismus. Um solche Geschichten wirklich GUT schreiben zu können, denke ich, muss man wirklich einmal im Schützengraben gelegen haben, dem Tod so nah.
 
P

Petra Koch

Gast
Natürlich hast Du recht, dass man den Schrecken erst beschreiben kann, wenn man ihm ins Auge geschaut hat. Trotzdem stimmt die Geschichte nachdenklich. Ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich es ein bißchen anders sehe als Du.
 

maskeso

Mitglied
Es sei dir verziehen..

Nachdenklich machen - naja, mag sein. Aber sag: Hast du schon Böll gelesen? Wenn ich nicht seine Trümmerliteratur aufgesogen hätte, würde ich wohl ganz anders über diese "Ameise" denken. Drum hier mein Appell: "LEST BÖLL!". Aber nur die frühen Werke. Das war nämlich die beste Lektüre und Literatur meines (zugegebenermaßen noch recht kurzen) Lebens.
 

Frank Zimmermann

Junior Mitglied
Beeindruckender Text, erstaunliche Diskussion...

Tach zusammen,

zunächst mal möchte ich auf den Böll-Hinweis eingehen: hier am Niederrhein gibt es ein Sprichwort, das heißt: "Man kann nicht mit einer Blutwurst nach einem Schinken werfen.", meint soviel wie: man darf den Blick für die Relationen nicht verlieren. Im Zusammenhang mit einem Leselupetext Böll ins Spiel zu bringen und dann zu sagen der kann das aber besser ist einfach unsportlich...

Zum dem Text selbst möchte ich sagen, daß er seit langem das Beste ist, was ich auf der Lupe gelesen habe. Ich empfinde den Text als sehr atmosphärisch und stimmig. Die Analogie von der sinnlosen Zerstörung der Ameisenzivilisation ist sicherlich nicht die originellste auf der Welt, aber sie trifft doch im Kern die Sache. Ein bißchen fühlte ich mich an Janosch erinnert, von dem ich gerade "Von dem Glück Hrdlak gekannt zu haben" gelesen habe.

Mein Fazit daher:
Bravo Andrea, weiter so!

F
 

maskeso

Mitglied
Jaja - die Blutwurst

Warum nicht mit Böll vergleichen? Angst? Respekt? Beides fehl am Platze. Es ist nun mal meine Meinung, dass mir die Geschichte nicht besonders gefällt und dies habe ich damit begründet, dass ich dabei an Böll denken MUSSTE. Dadurch war für mich der Glanz vergangen, sollte jemand anderer Meinung sein, so ist dies ebenso legitim. Soll ich aber nun Böll aus meinem Gedächtnis streichen? Jedesmal wenn ich denke "Das kenn' ich doch so ähnlich.." laut schreien "NEEEEEEEEEEEEEIN!"? Und schlechter zu sein als Böll ist ja auch nicht unbedingt eine Demütigung - ich laufe auch nicht so schnell wie Michael Johnson und male nicht so schön wie Picasso. Aber wenn ich auf 200 Meter 32 Sekunden laufe, schreit auch keiner: "Weltrekord!!!!!!".
 

Andrea

Mitglied
Böll oder nicht Böll..

Um es mal so zu sagen: Schlechter zu sein als "Wanderer kommst du nach Spa" oder "Das Brot der frühen Jahre" ist keine Schande. Wenn du damit aber auch die Ansichten eines Clowns meintest, bin ich zutiefst in die Abgründe meiner Seele verletzt, denn vor lauter Langeweile bin ich nicht sehr weit in dem Schinken gekommen.
Ich finde übrigens auch, daß man durchaus das Recht hat, einen unveröffentlichen Schriftsteller, der sich doch nur darin von den veröffentlichten unterscheidet, daß er eben das nicht getan hat, mit einem eben solchen zu vergleichen. Ihr habt euch doch alle soviel Mühe gegeben, mir zu erzählen, es gäbe gar keine schlechten Geschichten, weil das alles subjektiv gesehen werden müßte! Dann kann man Autoren auch nur darin unterscheiden, ob und wieviel Geld sie mit ihrer schriftstellerischen Arbeit verdienen, und dann darf auch jeder mit jedem verglichen werden. Punktum.

Gruß
 
L

LE

Gast
Es gibt keine verschiedenen maßstäbe. Das hier ist doch kein strickkurs. Wer schreibt, hat sich selbst mit der spitze messen zu wollen. (Ob die böll ist; da wird`s schon wieder streitbar.) Aber wer will schon hören: Das ist nett, wenn man bedenkt, daß du ja bloß ein kleines licht bist!? Der einzige maßstab ist das, was man für die weltspitze hält. Versucht man nicht, dem etwas neues hinzuzufügen, dann gibt es gar keinen grund zu schreiben. Wer böll mag, muß ihn fortwischen, durch etwas heutiges ersetzen. Ihm nachplappern ist überflüssig. Aber das will ich dir, andrea, nicht vorwerfen. Das war eher antwort auf franks meinung.

Die ameise finde ich nicht ganz so packend; makro-mikro ist nicht der neuste hut.
Zu: Es gibt eine traurigkeit... werde ich mir im urlaub was überlegen. Da steckt etwas sehr wichtiges drin. (Ich glaubte frauen immer gefeit davor. Womit ich jetzt nicht mit dem quatsch weitermachen will, daß ich dachte, es hätte ein mann geschrieben...) Ich weiß noch nicht, ob es mir gefällt. Dieses ennui verdient heute eine antwort; die beschreibung haben salinger, houellebecq, ellis, selby, von mir aus stuckrad-barre und hundert andere schon besorgt. Wenn es keine tür gibt, dann muß doch wenigstens die wand beschreibbar sein.
Schluß. Ich muß da erst drüber nachdenken.
 



 
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