Die Anderen

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Haruki

Mitglied
…in der Mitte eines weiß gefliesten Raumes ein großes Becken, gefüllt mit einer bräunlichen Flüssigkeit von öliger Konsistenz. Ein stechender Geruch über allem. In dem Bassin, teils ruhend, teils treibend, fettig glänzende Leiber, dicht gedrängt, übereinander gelagert, sich drehend, die Gliedmaßen aneinander reibend, auf- und ab schaukelnd. Kleine Wellen schwappen schlürfend gegen den Rand des Bassins. Hin und wieder durchbricht ein Körper, eine Gliedmaße, die Phalanx der darüber schwimmenden Leiber, dann reckt sich kurz ein muskulöser Arm, ein glattrasierter Kopf empor, um sogleich wieder zurück zu sinken in das Element, welches ihn gefangen hält. Die Insassen des Beckens wachen eifersüchtig darüber, dass niemand einen dauerhaften Vorteil erlangt. Mit vereinten Kräften gelingt es ihnen, jeden Versuch diesbezüglich rasch zu vereiteln. Stoßend und drängend wogt die Masse hin und her, ein steter Kampf um die besten Plätze. Alte und junge Gesichter, Kinder, Frauen und Männer treiben aufeinander zu, sie vereinen und lösen sich in einem geschmeidig anmutenden Tanz.
Unmöglich zu sagen, wie viele sich ganz unten, auf dem Grund des großen Beckens befinden, fernab vom Licht. In endlosen Schleifen kreisen sie in unterschiedlichen Tiefen, der Weg nach oben ist versperrt durch mehrere Schichten sich drängender, dicht an dicht schwimmender Leiber. Nur selten gelingt es einigen aus den unteren Etagen, sich an den anderen vorbei einen Weg an die Oberfläche zu bahnen. Die Augen einzelner sind geöffnet, sie starren träge gegen die Decke. Die, die seitlich durch die ölige Flüssigkeit treiben, haben ihre Augen auf den Nachbarn gerichtet, eifersüchtig jede seiner Bewegungen verfolgend. Die Mehrzahl jedoch hat die Augen geschlossen und treibt gemächlich dahin. Es hat den Anschein, als vereine sie das Wissen, nicht alleine zu sein, sie spüren sich, ohne zu sehen, warum also die Augen öffnen? Die einzigen Geräusche, abgesehen von dem gelegentlich in Verbindung mit einem Ausbruchsversuch vernehmbaren Plätschern, rühren von der flackernden Deckenbeleuchtung sowie dem gleichmäßigen Surren der altersschwachen Klimaanlage. Die sich bewegenden Körper erwecken den Eindruck eines steten Kampfes. Die in den unteren Bereichen des Bassins treibenden Leiber bemühen sich unentwegt, nach oben zu gelangen, als wollten sie um jedes Preis erfahren, was außerhalb des Beckens geschieht. Das gedämpfte Schmatzen, mit welchem sie sich zwischen den anderen hindurch zu drängen versuchen, hat etwas starrsinniges, unnachgiebiges, ebenso wie die Bemühungen der an der Oberfläche schwimmenden, die unermüdlich schiebenden und drückenden Usurpatoren in der Tiefe zu halten.
Einem besonders dicken Mann, dessen gewaltiger Bauch plötzlich aus dem Wasser schießt wie ein Wal, welcher zu einem beeindruckenden Sprung ansetzt, wälzt sich zwischen den anderen hindurch und diese beiseite. Sein großer, runder Kopf dreht sich mitsamt dem nachdrängenden Leib von einer Seite zur anderen. Ein verzücktes Lächeln ist in sein Antlitz gemeißelt, die halb geöffneten Augen starren verzückt zum Licht empor. Die anderen Bewohner des Beckens treiben zunächst auseinander, überrascht von diesem Husarenstreich, zu dessen Gelingen nicht unwesentlich die Gasbildung in dem ungeheuren Bauch beigetragen haben mag. Doch so, wie sie kurz auseinander driften, nähern sie sich unweigerlich wieder aneinander an. Die außen treibenden Körper stoßen gegen die Ränder des Beckens, um erneut der Mitte des Bassins zu zustreben. Der Unglückliche, dessen Gesicht angesichts des flackernden, gleißenden Deckenlichts noch immer von einem glückseligen Lächeln geziert wird, registriert das Herannahen der anderen erst in dem Moment, als die ersten Körper gegen seine Extremitäten stoßen. Arme und Beine, schwer wie solide hölzerne Bohlen, beginnen zu rudern, um den Angriff abzuwehren. Für einen Augenblick scheint der Kampf auf Messers Schneide, der gewaltige Leib des Mannes die Angreifer aufhalten zu können, dann wendet sich das Blatt. Der Übermacht weichend, beginnt der Körper zwischen den anderen zu verschwinden. Als würde er dahin schmelzen, so rasch verschwinden Beine und Arme, der Kopf und zuletzt der gewaltige Bauch, welcher diese ungewöhnlich heftige Attacke erst auszulösen vermochte. Wasser spritzt zwischen den kämpfenden Leibern empor, sprüht hinauf zur unbeeindruckt flackernden Leuchtröhre, ein letzter Gruß des Dicken, dann kehrt Ruhe ein. Nur das Surren der Klimaanlage und das elektrische Flackern der Beleuchtung sind zu hören, der Kampf ist beendet...
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo und herzlich Willkommen auf der Lupe.

LG Franka
 
U

USch

Gast
Hallo Haruki,
ein sehr ungewöhnlicher Text. Jeder ringt um seinen Platz in der Masse. Interessant geschrieben.

Folgende Wiederholung würde ich ausmerzen:
Ein [red]verzücktes [/red]Lächeln ist in sein Antlitz gemeißelt, die halb geöffneten Augen starren [red][strike]verzückt [/strike][/red]zum Licht empor.

Ich überlege, ob nicht ein gelegentlicher Absatz für bessere Lesbarkeit gut wäre. Auf der anderen Seite hat es auch was, das kompakte Geschehen so kompakt auch als Textbild darzustellen.
Liebe Grüße
Uwe
 

Haruki

Mitglied
Hallo Uwe,

danke für Deinen Kommentar.
Du hast recht. Ich bin nachlässig gewesen.
Die Wiederholung muss weg.

Gruß

Haruki
 

Haruki

Mitglied
…in der Mitte eines weiß gefliesten Raumes ein großes Becken, gefüllt mit einer bräunlichen Flüssigkeit von öliger Konsistenz. Ein stechender Geruch über allem. In dem Bassin, teils ruhend, teils treibend, fettig glänzende Leiber, dicht gedrängt, übereinander gelagert, sich drehend, die Gliedmaßen aneinander reibend, auf- und ab schaukelnd. Kleine Wellen schwappen schlürfend gegen den Rand des Bassins. Hin und wieder durchbricht ein Körper, eine Gliedmaße, die Phalanx der darüber schwimmenden Leiber, dann reckt sich kurz ein muskulöser Arm, ein glattrasierter Kopf empor, um sogleich wieder zurück zu sinken in das Element, welches ihn gefangen hält. Die Insassen des Beckens wachen eifersüchtig darüber, dass niemand einen dauerhaften Vorteil erlangt. Mit vereinten Kräften gelingt es ihnen, jeden Versuch diesbezüglich rasch zu vereiteln. Stoßend und drängend wogt die Masse hin und her, ein steter Kampf um die besten Plätze. Alte und junge Gesichter, Kinder, Frauen und Männer treiben aufeinander zu, sie vereinen und lösen sich in einem geschmeidig anmutenden Tanz.

Unmöglich zu sagen, wie viele sich ganz unten, auf dem Grund des großen Beckens befinden, fernab vom Licht. In endlosen Schleifen kreisen sie in unterschiedlichen Tiefen, der Weg nach oben ist versperrt durch mehrere Schichten sich drängender, dicht an dicht schwimmender Leiber. Nur selten gelingt es einigen aus den unteren Etagen, sich an den anderen vorbei einen Weg an die Oberfläche zu bahnen. Die Augen einzelner sind geöffnet, sie starren träge gegen die Decke. Die, die seitlich durch die ölige Flüssigkeit treiben, haben ihre Augen auf den Nachbarn gerichtet, eifersüchtig jede seiner Bewegungen verfolgend. Die Mehrzahl jedoch hat die Augen geschlossen und treibt gemächlich dahin. Es hat den Anschein, als vereine sie das Wissen, nicht alleine zu sein, sie spüren sich, ohne zu sehen, warum also die Augen öffnen? Die einzigen Geräusche, abgesehen von dem gelegentlich in Verbindung mit einem Ausbruchsversuch vernehmbaren Plätschern, rühren von der flackernden Deckenbeleuchtung sowie dem gleichmäßigen Surren der altersschwachen Klimaanlage. Die sich bewegenden Körper erwecken den Eindruck eines steten Kampfes. Die in den unteren Bereichen des Bassins treibenden Leiber bemühen sich unentwegt, nach oben zu gelangen, als wollten sie um jedes Preis erfahren, was außerhalb des Beckens geschieht. Das gedämpfte Schmatzen, mit welchem sie sich zwischen den anderen hindurch zu drängen versuchen, hat etwas starrsinniges, unnachgiebiges, ebenso wie die Bemühungen der an der Oberfläche schwimmenden, die unermüdlich schiebenden und drückenden Usurpatoren in der Tiefe zu halten.

Einem besonders dicken Mann, dessen gewaltiger Bauch plötzlich aus dem Wasser schießt wie ein Wal, welcher zu einem beeindruckenden Sprung ansetzt, wälzt sich zwischen den anderen hindurch und diese beiseite. Sein großer, runder Kopf dreht sich mitsamt dem nachdrängenden Leib von einer Seite zur anderen. Ein glückseliges Lächeln ist in sein Antlitz gemeißelt, die halb geöffneten Augen starren verzückt zum Licht empor. Die anderen Bewohner des Beckens treiben zunächst auseinander, überrascht von diesem Husarenstreich, zu dessen Gelingen nicht unwesentlich die Gasbildung in dem ungeheuren Bauch beigetragen haben mag. Doch so, wie sie kurz auseinander driften, nähern sie sich unweigerlich wieder aneinander an. Die außen treibenden Körper stoßen gegen die Ränder des Beckens, um erneut der Mitte des Bassins zu zustreben. Der Unglückliche, dessen Gesicht angesichts des flackernden, gleißenden Deckenlichts noch immer von einem glückseligen Lächeln geziert wird, registriert das Herannahen der anderen erst in dem Moment, als die ersten Körper gegen seine Extremitäten stoßen. Arme und Beine, schwer wie solide hölzerne Bohlen, beginnen zu rudern, um den Angriff abzuwehren. Für einen Augenblick scheint der Kampf auf Messers Schneide, der gewaltige Leib des Mannes die Angreifer aufhalten zu können, dann wendet sich das Blatt. Der Übermacht weichend, beginnt der Körper zwischen den anderen zu verschwinden. Als würde er dahin schmelzen, so rasch verschwinden Beine und Arme, der Kopf und zuletzt der gewaltige Bauch, welcher diese ungewöhnlich heftige Attacke erst auszulösen vermochte. Wasser spritzt zwischen den kämpfenden Leibern empor, sprüht hinauf zur unbeeindruckt flackernden Leuchtröhre, ein letzter Gruß des Dicken, dann kehrt Ruhe ein. Nur das Surren der Klimaanlage und das elektrische Flackern der Beleuchtung sind zu hören, der Kampf ist beendet...
 



 
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