Die Arena

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MDSpinoza

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Die Arena

Arkadij bog mit seiner Zugmaschine in die Tankstelle bei Allershausen ein. Sie war ideal gelegen, direkt an einer Autobahnausfahrt, mit einem genügen großen Parkplatz. Jetzt noch den Auflieger finden – da war er schon. Unübersehbar, Plane und Spriegel, schmutzigbraun, mit der Aufschrift „Von der Lubbe Transporte Gleiwitz“. Bitterfelder Kennzeichen. Arkadij setzte die Zugmaschine davor, rückwärts heran, kurbelte den Auflieger in die richtige Höhe und koppelte an. Druckluft und Elektrokabel dran, Stützen hoch und weg.
Die Zugmaschine würde heute am Samstag niemand vermissen, am Freitag hatte der Spediteur, von dem sich Arkadij den LKW, äh, geliehen hatte, Insolvenzantrag eingereicht. Arkadij machte oft solche Jobs. Sechs Jahre schon war er in Deutschland und hatte immer Glück gehabt, daß die Polizei ihn nie erwischt hatte. Er war nicht gerade ein Verbrecher, aber wenn er einen Job angeboten bekam, stellte er nicht viele Fragen, dumme schon gar nicht. Er verstand es halt, solche Jobs diskret und pünktlich zu erledigen. Heute sollte er, nur um einen Hänger ein paar Kilometer zu schleppen, einen Hunderter kassieren. Gutes Geld.
Er hatte keine Familie durchzufüttern, aber er wollte irgendwann heim in die Ukraine, um sich dort eine richtige Existenz aufzubauen.
Er fuhr auf die Autobahn Richtung München, und kurz vor der Auffahrt Fröttmaning stellte er den Hänger auf einem kleinen Parkplatz ab, der normalerweise nur vom Straßendienst benutz wurde. Er hatte gerade den Auflieger wieder abgekoppelt und die Zugmaschine ein paar Meter vorgezogen, als ein Motorradfahrer neben ihm anhielt. Der Fahrer trug schwarze Lederklamotten und einen schwarzen Helm. Er machte sich nicht die Mühe, das dunkle Visier hochzuklappen, sondern griff in eine Hosentasche und zog ein Bündel Geldscheine hervor. Ohne weiteres Federlesen drückte er Arkadij das Bündel in die Hand. Der staunte nicht schlecht, das waren mindestens zwanzig Hunderter.
Arkadij war zu verblüfft, daß er so gut bezahlt werden sollte, daß er nicht bemerkte, wie sich eine zweite Gestalt in schwarzer Motorradkluft von hinten an ihn heranschlich und ihm ein eisernes Wasserrohr über den Schädel schlug. Arkadij war auf der Stelle tot. Die beiden Motorradfahrer schleppten seine Leiche ins Gebüsch am Straßenrand und bedeckten ihn notdürftig mit Laub und einem Müllsack den sie zufällig fanden. An das Geld verschwendeten sie keinen Gedanken.
Nicht weit entfernt davon in der Allianz-Arena fieberte „Kaiser“ Franz seinem wahrscheinlich letzten Spiel entgegen. Heute, vier Wochen vor Saisonende, hatte Bayern München die Chance mit einem Sieg gegen BvB 09 einen die drei Punkte zu holen die dem Rekordmeister den vorzeitigen Sieg der Bundesligasaison 2006 einbringen konnten. Ein weiterer Rekord
„Kaiser“ Franz hatte im Februar einen leichten Herzinfarkt erlitten. Seine Sportlerkarriere hatte er schon lange beendet und ein Sieg mit vorzeitiger Meisterschaft war doch eine gute Gelegenheit, auch seine Funktionärskarriere ruhmvoll abzuschließen. So ein Schicksal war nicht jedem vergönnt. Privatleben im Schrebergarten war das nicht was ihn dann erwarten würde, aber er hatte den Warnschuß der Natur verstanden. Wenn er nicht kürzer treten würde, wäre sein Leben wohl bald ganz zu Ende. Nein, lieber mit einem strahlenden Siegerlächeln abtreten, als mit dem Notarztwagen abtransportiert zu werden.
Noch zehn Minuten bis zum Anpfiff.
Die beiden Gestalten im Motorraddreß waren fleißig. Sie hatten bereits die Plane vom Auflieger heruntergezogen und die Seiten- und Stirnwände heruntergeklappt. Auf der Pritsche stand ein Polizeihubschrauber mit zusammengeklappten Rotor. Der kleinere der Zwei kletterte an der Seite hoch um die Rotorblätter auszuklappen und zu arretieren. Der andere ging schon einmal die Checkliste durch. Als sein Begleiter sich auf den Copilotensitz schwang, warf er ohne ein Wort zu sagen die Turbinen an und der Hubschrauber hob ab.
Zwei Minuten bis zum Anpfiff. Neunundsechzigtausend Zuschauer, internationale Presse, Funk und Fernsehen. Das Gerücht von „Kaiser“ Franzens möglichem Rücktritt hatte aus einem Sensationsspiel eine Medienorgie gemacht. Fünfzehntausend Polizisten aus drei Bundesländern machten daraus auch eine Machtdemonstration des Staates. Der Freistaat Bayern wollte nicht akzeptieren, daß zugereiste Hooligans das letzte Spiel einer nationalen Sportikone stören würden. Ein dreifacher Kordon aus Sicherheitskräften, einschließlich einer Hubschrauberstaffel der Bundespolizei sollten dem letzten Störenfried den Schneid abkaufen. Die Kontrollen auf der Arena waren die schärfsten, die in Bayern je ein Fußballspiel gesehen hatte, selbst die Anwohner mußten Einschränkungen hinnehmen, die das Innenministerium im Dienste der Inneren Sicherheit für unabdingbar erachtete. Sogar ein Sonderkommissariat in einem Container hatten sie eingerichtet, keinen Steinwurf vom Haupeingang der Arena entfernt.
Anpfiff. Dem Schiedsrichter war klar, daß dies kein gewöhnliches Spiel war. Er würde allerdings darauf achten, daß es ordentlich zuginge. Auch für ihn war es Ehre und Verantwortung, dieses Spiel zu leiten.
Als der Hubschrauber abhob, zogen sich die beiden Gestalten schnell noch jeder eine Polizeijacke über. Das Funkgerät hatten sie gar nicht erst eingeschaltet. Ihre Maschine trug dasselbe Kennzeichen wie ein anderer Hubschrauber, der offiziell heute eingesetzt werden sollte. Die Zwei verloren nicht viel Zeit und steuerten die Allianz-Arena direkt an. Sie achteten allerdings auch darauf, nicht zu hoch zu fliegen, gerade hoch genug, um nicht die Baumwipfel zu streifen.
Dritte Spielminute. Borussia Dortmund hatte eine Torchance erkämpft, und nur dem besten Torhüter der Bundesliga war es zu verdanken, daß es immer noch null zu null stand. Die Stimmung im Stadion war schon vor Spielbeginn aufgeheizt gewesen, jetzt war das Stadion ein großer Hexenkessel. Der Lärm aus fast Siebzigtausend Kehlen war unbeschreiblich, und etliche Fans hatten Trommeln, Blasinstrumente und Tröten mitgebracht. Feuerwerkskörper waren am Eingang einkassiert worden. Noch ein Angriff, ein Bayern-Abwehrspieler foulte einen der Dortmunder mitten im Strafraum. Den Pfiff des Schiedsrichter hörte niemand, aber jeder sah, daß er auf den Elfmeterpunkt zeigte. Der Dortmunder wurde vom Platz getragen, einer seiner Kameraden trat an den Elfmeterpunkt heran und visierte das Tor an. Er trat ein, zwei Schritte zurück, das ganze Stadion hielt die Luft an. Der Spieler rannte vor, trat den Ball, der beste Torwart der Bundesliga katapultierte den Ball fast in eine erdnahe Umlaufbahn. Das Stadion schrie.
Just in diesem Augenblick flog ein Polizeihubschrauber über die Umrandung der Arena, fast über dem bayrischen Tor. Die Spieler schauten hin, aber die meisten Zuschauer, ebenso wie die Vertreter von Funk und Fernsehen, waren noch so gefesselt von der Szene vorher, daß sie erst merkten, daß etwas nicht stimmte, as der Hubschrauber im Tiefstflug die Tribünen entlangflog und die dort sitzenden, stehenden und vor allem fiebernden in helle Panik versetzte. Keiner bemerkte den feinen Nebel, den der Hubschrauber hinter sich herzog. Der drehte zwei Runden ums Stadion und verschwand auf dem selben Weg, auf dem er gekommen war. In der Arena entwickelte sich ein Szenario wie in einem Bürgerkrieg: Menschen rannten in Panik durcheinander, aufs Spielfeld, die Tribünen rauf und runter, versuchten die Ausgänge zu stürmen. Die Polizisten außerhalb der Arena hatten von dem, was sic im Inneren abgespielt hatte, nichts mitbekommen, und versuchten der Panik mit den Mitteln Herr zu werden, die sie hatten: Tränengas, Schlagstöcke und, als das nichts half, scharfe Schüsse.
Der Hubschrauber flog weiter nach Oberschleißheim, wo er nahe der Autobahn auf dem Parkplatz eines kleinen Betriebes landete. Der Betrieb war schon lange pleite und kein Mensch bewachte den Parkplatz einer leerstehenden Halle. Daß Polizeihubschrauber in der Nähe der Autobahn landeten, riß hier auch niemanden aus der Ruhe. Die zwei warfen ihre Polizeijacken in den Hubschrauber, einer aktivierte einen Zeitzünder und jeder stieg auf ein Motorrad, von denen zwei am Zaun angelehnt, warteten. Einer fuhr nach Dachau, einer nach Karlshorst, wo sie sich beide in den Toiletten der S-Bahnhöfe der Motorradmontur entledigten. Als sie auf die Bahnsteige traten und Tickets aus den Automaten lösten, hätte sie niemand mit den Motorradfahrern in Verbindung bringen können. Sie fuhren beide bis zum Hauptbahnhof, lösten Bahntickets nach Augsburg und warteten auf den Zug. Vielleicht standen sie dabei nebeneinander, sie hatten sich nie vorher gesehen, und keiner hatte während der Aktion das dunkle Visier seines Helmes geöffnet. Keiner wußte vom andern, wie der aussah.
Mittlerweile fielen in der Allianz-Arena die Leute um wie die Fliegen. Der Hubschrauber hatte das Nervengas mit Hilfe seines Hauptrotors genau wie geplant in die Tribünen verteilt, und es begann, wie geplant zu wirken. Die nicht auf der Stelle starben, wanden sich in schmerzhaften Krämpfen. Die gesamte Feuerwehr Münchens war alarmiert, das Technische Hilfswerk würde folgen. Auch ein großer Teil der Polizisten war vom Nervengas betroffen, die Einsatzkräfte hatten jegliche Illusion von Kontrolle verloren
Die beiden Attentäter stiegen bereits in Pasing wieder aus dem Zug. Ihre Tickets waren kontrolliert und abgestempelt worden. In Pasing verließen sie den Bahnhof in verschiedene Richtungen. Einer nach Süden, von dort aus lief er bis zu einem Supermarkt, auf dessen Parkplatz er in einen unauffälligen Ford Mondeo älteren Datums stieg. Von dort aus fuhr er stadteinwärts, bog an der Donnersberger Brücke nach Süden ab und machte sich auf den Weg nach Österreich. Der andere nahm den Nordausgang und fand seinen Wagen auf dem Parkstreifen vor der Pasinger Fabrik, ein Opel Vectra, auch absolut unauffällig. Er bog links ab, Richtung Obermenzing und nahm den Weg zur Autobahn nach Stuttgart. Beide erregten dabei keinerlei Aufsehen. Die Motorräder hatten sie unverschlossen an den S-Bahnhöfen stehengelassen, die Fahrgestellnummern darin waren identisch, natürlich beide gefälscht, die Kennzeichen waren Duplikate eines echten Motorrades, das einem Freisinger Lehrer gehörte. Der würde später noch zur weiteren Verwirrung beitragen, indem er den Polizisten sein Motorrad unversehrt vorführte.
Eine Personenbeschreibung der Täter würde niemand geben. Sie hatten auch in ihren Motorradkombis keinerlei Spuren für die Forensik hinterlassen. Es wurde auch nur eine Kombi entdeckt, die zweite hatte einen spontanen Liebhaber gefunden. Der Hubschrauber war fünfzehn Minuten nach der Landung explodiert. In den Resten des Sprühtanks fand die Kriminaltechnik ein Gemisch aus VX und Sarin, beides in hervorragender Qualität.
Im Stadion spielten sich herzzerreißende Szenen ab. Daß schlagartig Tausende starben, hatte zwar die Zahl der Verzweifelten drastisch reduziert, den Grad der Panik jedoch um nichts gemindert. Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei verursachten noch zusätzliche Verwirrung, die etliche Leben, auch unter den Einsatzkräften kostete. In der VIP-Lounge saß „Kaiser“ Franz, am Boden zerstört. Sein Abschiedsspiel hatte er sich doch deutlich anders vorgestellt. Die Presse hatte zunächst versucht, über die Geschehnisse in der Arena zu berichten, aber ein geistesgegenwärtiger Polizist hatte den Generator abgeschaltet, der die Sendezentrale im Stadion mit Strom versorgte.
Beide Täter hatten ihre Radios abgeschaltet. Auftrag ausgeführt, erledigt. Ihre Auftraggeber hatten die Bestätigung aus den Medien erhalten, wahrscheinlich bereits im Augenblick der Tat. Montag früh würden beide wieder in ihren Dienststellen sitzen und kein Wort über ihr Wochenende verlieren.
In München spielten sich dieweil die Sicherheitskräfte aufeinander ein. Die Umgebung um die Allianz-Arena wurde weiträumig abgesperrt, den Krankenhäusern wurde befohlen, Patienten vorzeitig zu entlassen und aufschiebbare Operationen in den nächsten vier Wochen nicht durchzuführen. Der Bayrische Innenminister erklärte München zum Notstandsgebiet und untersagte jeden privaten Autoverkehr. Selbst die S-Bahnen, Busse und Tramverbindungen stellten den Betrieb ein. Eine Ausgangssperre bis Montag früh wurde verhängt.
Später am Samstagabend schaltete sich die Bundesregierung ein und erklärte das Attentat zu einem nationalen Notstand. Die Notstandsgesetze traten in Kraft und Deutschland wurde über Nacht zu einer Militärdiktatur. Die Autobahnen wurden gesperrt, die Sperrung wurde mit Hilfe der Mautbrücken überwacht, die alle Kennzeichen von widerborstigen Autofahrern registrierten und sofort an den Krisenstab weiterleiteten. Ausnahmen wurden nur für Angehörige der Militärverwaltung und besonders qualifizierte Fachkräfte gemacht. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wurde unter staatliche Aufsicht gestellt, Privatkanäle und das Internet wurden abgeschaltet. Telefongespräche außerhalb der Ortsnetze wurden auf Handvermittlung geschaltet und bedurften vorheriger Genehmigung. Der Transport von privater Post wurde erst einmal eingestellt.
Dienstag morgens fanden die Bürger Markenhefte für Lebensmittelrationen in ihren Briefkästen. Die Männer, die der Wehrüberwachung unterlagen, fanden statt dessen den Einberufungsbescheid vor.
Wer Widerstand leistete, wurde unter Terrorverdacht festgenommen und in provisorische Haftanstalten verbracht. Kontakt zu Familien und Anwälten wurde ihnen aufgrund des Kontaktsperrgesetzes verweigert.
Am Mittwoch fanden Besitzer von privat genutzten LKW und Kombifahrzeugen und Feuerwaffen einen Bescheid der Ordnungsbehörden in ihren Briefkästen, daß diese Gegenstände mit sofortiger Wirkung konfisziert seien und unverzüglich bei den zuständigen Stellen abzuliefern seien.
Am Donnerstagmorgen fanden alle arbeitslos gemeldeten Personen eine Auforderung in ihren Briefkästen, sich unverzüglich zur Einteilung in den Arbeitsdienst in den Arbeitsämtern einzufinden. Menschen, deren Unterhalt vom Sozialamt bestritten wurde und die zwischen 16 und 65 Jahren alt waren, fanden diese Bescheide am Freitag.
Als am Samstag der Bundespräsident eine Ansprache zur Lage der Nation hielt, war bereits alles bestens organisiert...

Nachwort: Wer glaubt, ich hätte mir dies alles aus den Fingern gesogen und dies Szenario könne in Deutschland nie passieren, sollte sich einmal in den erwähnten Gesetzen informieren. Die Lebensmittelmarkenhefte sind bereits gedruckt...
 

F Fuller

Mitglied
Heute, vier Wochen vor Saisonende, hatte Bayern München die Chance mit einem Sieg gegen BvB 09 einen die drei Punkte zu holen die dem Rekordmeister den vorzeitigen Sieg der Bundesligasaison 2006 einbringen konnten. Ein weiterer Rekord
„Kaiser“ Franz hatte im Februar einen leichten Herzinfarkt erlitten.
In dieser Passage stimmt einiges nicht (und damit meine ich nicht die Fakten!). Wörter zu viel, Satzzeichen zu wenig...

Und dann wieder:
Privatleben im Schrebergarten war das nicht was ihn dann erwarten würde, aber er hatte den Warnschuß der Natur verstanden.
Es fehlen hier und dort mal ein s, dann ein e, ein l... und immer wieder Kommata die fehlen und einmal sogar zuviel sind.

Es wird sehr viel Information gegeben, was nicht weiter schlimm ist, denn Du vermittelst sie portionsweise. Das ist wohl auch der Grund, warum der an sich rein erzählende Text nicht langatmig wird.

Allerdings liest sich der Text so, als ob es sich dabei um die Einleitung zu einem Roman handeln würde. So fühlte ich mich am Ende doch ein wenig mit dem von Dir geschaffenen Szenario allein gelassen.

Von der Idee her finde ich den Text klasse und kann mich Rumpelsstilzchen voll anschließen. Und da Du die Nadeln schon wetzt, verharre ich in freudiger Erwartung!

F.
 



 
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