Die Besserwisser

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anbas

Mitglied
Die Besserwisser

So manchmal kaum noch auszuhalten
sind Leute, die stets Haare spalten,
die fast verfall'n in Hysterie
beim Erbsenzähl'n mit Akribie,
die alles ganz genau und besser wissen
und immer irgendwas vermissen.
Mit größter Überheblichkeit
und schlimmster Unverfrorenheit
so halten sie dann große Reden,
sie wissen alles, kennen jeden.
Und was sie sagen wirkt fundiert,
erscheint auch fachlich sehr versiert.
Doch oft ist, was beachtlich klingt,
ein lauter Furz, der kräftig stinkt.
Und dieses Wölkchen heiße Luft
verkaufen sie als Wissensduft.

Nur was sie selber tun und sagen,
das darf man niemals hinterfragen.
Sie geben sich zwar nett und offen,
doch sind sie meist zutiefst betroffen,
zum Teil auch heftigst echauffiert,
wenn irgendwer sie kritisiert.
Dann wird verteidigt und erklärt,
es wird gemosert und beschwert.
Sie reden dann den größten Mist
- die wahre Tragik aber ist:
Die Leute nerven so extrem
und merken nichts von alledem.
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
...nur um die 16 Verse voll zu machen:

Grad der Berufspolitiker
zerreisst gern seinen Kritiker
und hält sich für den größten Held.
Das ist der Schlimmste auf der Welt.

Stimme Dir ansonsten im vollen Umfang zu!!:D

Viele Grüße

Thomas
 

anbas

Mitglied
Hallo Thomas,

danke für die Rückmeldung.

Ich hatte auch schon überlegt, die '16' voll zu machen. Da mir bisher aber noch nicht so die ganz zündende Idee gekommen ist, lasse ich es erst mal so wie es ist. Für mich ist das Gedicht auch so schon rund genug.

Da ich beim Schreiben an ganz verschiedene Leute gedacht habe, will ich es nicht nur auf Politiker beschränkt wissen - auch, wenn es auf so manche(n) passen würde :D.

Gruß Andreas
 
Hallo anbas,
Du hast den Besserwisser in dem Gedicht wunderbar getroffen! Es spricht mir aus der Seele,die grinst :D
Herzlichen Gruß von Amaretta
 

MarenS

Mitglied
...wahrlich brav getroffen! Blattschuss!

So gut getroffen, dass ich sofort überlegte inwieweit ich wohl selber zu den Besserwissern gehöre...*g

Um den Grund dieser Überlegeungen auf kräftig zu untermnauern, kommt jetzt prompt mein Gemeckere:

Ich stolpere beim Lesen über eine Zeile und zwar folgende:

"die alles ganz genau und besser wissen"

Mir fiel spontan dazu ein:
"die alles stets noch besser wissen"

So nachdem ich mich nun als Besserwisserchen geoutet habe, verziehe ich mich schleunigst und harre der wüsten Beschimpfungen, die da wohl kommen müssen. ;-)

Grüße von Maren
 

aboreas

Mitglied
Ich bin entzückt.

Sehe den einen oder andern dieser Spezies vor mir.

Nicht wirklich zu bemeckern hätte ich ein wenig die viertletzte und drittletzte Zeile: Erstens finde ich das Wort "labern" irgendwie nicht recht passend. Sicher, diese Spezies labern, und nicht zu wenig, aber das Wort... Und dann dieses wunderbare Gedicht!

Dann heißt es:
"- die wahre Tragik aber ist:"
Sicher, es ist tragisch für die "Meckerer" und "Besserwisser".
Aber wenn dort unten von der wahren Tragik die Rede ist, dann kommt es (jedenfalls bei mir) rüber, als wenn es in dem Gedicht darauf ankäme, die wahre Tragik herauszuarbeiten. Man wird in der Aussage auf ein Nebengleis geführt.

In der Hoffnung, mich jetzt nicht als Besserwisser entlarvt zu haben, mit besten Grüßen.

abo
 

anbas

Mitglied
Hallo Ihr Lieben,

vielen Dank für Eure Kommentare!

@ Amaretta

Was glaubst Du, wie ich derzeit grinse, wenn ich jetzt solch Besserwissern begegne..... :D


@ Maren

Stimmt, da kann man ins Stolpern kommen. Ich habe auch überlegt, den Punkt zu 'entschärfen'. Beim laut lesen fand ich diese Version aber besser, da neben dem Inhalt - zumindest für mich -auch noch das Gefühl einer gewissen Genervtheit hinzu kam, das ich dann unbedingt so belassen wollte.


@ abo

Beim 'labern' sind mir wohl tatsächlich die genervten Gäule ein wenig durchgegangen ;). Das werde ich gleich ändern. Den Punkt mit der 'wahren Tragik' werde ich mir noch mal ein paar Runden durch den Kopf gehen lassen. Einerseits stimme ich Dir zu andererseits gefällt es mir dann auch wieder so, wie es ist.


@ Maren & abo

Irgendwie habe ich ja damit gerechnet, dass der eine oder die andere den 'Besserwisserball' aufnimmt und in den Kommentar einbaut :p . Nein, Ihr habt Euch nicht als Besserwisser entlarvt - das würde ich schon wissen ;).


Grüße an Euch alle
Andreas
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Da ich selbst gerade zum Thema geschrieben habe, möchte ich hierzu schreiben.

Interessant ist die Betrachtungsperspektive von Außen. Wie wird der Besserwisser gesehen?

Und es sind alle Stereotype aufgezählt, oder zumindest die bedeutsamsten.

Besserwisser können einem auf die Nerven gehen, besonders, wenn sie zugleich Klugscheißer sind.

Allerdings darf man es nicht verwechseln mit jemandem, der einen Rat gibt, selbst wenn dieser missglückt ist.
 

anbas

Mitglied
Hallo Bernd,

danke für Deine Gedanken.

Ich denke, dass es auch mit dem subjektiven Empfinden zu tun hat, ob man jemanden als Besserwisser oder Klugscheißer einstuft. Je empfindlicher man selber ist, wenn man z.B. auf Fehler hingewiesen oder mit anderen Ansichten konfrontiert wird, um so schneller stempelt man jemanden als Besserwisser ab.

Aber natürlich gibt es auch diese Zeitgenossen, die zu allem ihren (besserwisserischen) Senf dazu geben müssen, und die nicht nur von einem einzelnen Mitmenschen als Besserwisser empfunden werden.

Liebe Grüße

Andreas
 

Label

Mitglied
Lieber anbas

ich gestehe, dass ich mich selbst einschätze in verdächtigter Nähe der Besserwisserei aufzuhalten, trotzdem hat mir dein Gedicht sehr gut gefallen.

lieber Gruß
Label
 

James Blond

Mitglied
Na, lieber Andreas,

mittlerweile nähert sich das LL-Bändchen mit dem Gedichtzyklus über die unliebsamen Zeitgenossen den Telefonbuchausmaßen. Hier scheint ja mächtig was in Fahrt geraten ... :)

Und wie es die Tücke des Themas mit sich bringt, gerät nun jeder Kommentar mit Kritik oder Verbesserungsvorschlägen in Gefahr, als Haarspalter- und Besserwisserouting verstanden zu werden, was leicht an den vorsorglichen Absicherungen zu erkennen ist. :)

Um es gleich vorweg zu sagen: Mir gefällt Dein Werk im Vergleich zu den vielen Vorgängern, die hier bereits abgeliefert wurden, am besten - und es gefällt mir gut. :)

Wenn ich überlege, was den entscheidenden Unterschied ausmacht, so würde ich es vor allem der fehlenden Verbissenheit zurechnen. Der leichte, elegante und humorige Tonfall, der scheinbare mühelose Umgang mit Reim und Metrum verraten den eigenen Abstand zu dem beschriebenen Typ. Immer klingt ein abgeklärtes Lächeln mit, selbst wenn in V1 eigentlich Verzweiflung signalisiert wird.

Sehr gut gefällt mir auch, wie die Spiegelung der beiden Strophen, die die Asymmetrie von Austeilen und Einstecken herausstellt, sich auch innerhalb jeder einzelnen Strophe zeigt, wenn das Selbstbild mit dem Istzustand verglichen wird. So wird diese doppelte Widersprüchlichkeit entlarvt und kann in der Schlusspointe zielgenau abgerufen werden.

Positiv zu vermerken ist auch der weitgehende Verzicht auf Wut und Hassworte, der Ersatz von "labern" unterstützt die gelassene Wirkung.

Ebenso stimmig empfinde ich die fehlende Selbstwahrnehmung als "die wahre Tragik" hinter den Erscheinungen, denn Einsicht könnte bekanntlich ein erster Schritt zur Besserung sein.

Wo wir bei Besserung sind:

Doch oft ist, was beachtlich klingt,
ein lauter Furz, der kräftig stinkt.
Und dieses Wölkchen heiße Luft
verkaufen sie als Wissensduft.
Auch hier würde ich aufs 'kräftige Stinken' verzichten, viel größere Wirkung ließe sich meiner Meinung nach mit dem Gegenteil erzielen:


Doch oft ist, was beachtlich klingt,
ein lauer Furz, der nicht mal stinkt.
Und dieses Wölkchen heiße Luft
verkaufen sie als Wissensduft.


Außerdem:
Gerne bin ich Besserwisser,
notfalls auch ein Beinchenpisser!
:D

Gern kommentiert, statt nur zensiert!

Grüße
JB
 

anbas

Mitglied
Liebe Label,

ich habe in meiner Arbeit oft beratende Funktion - auch dort ist die Grenze zum Besserwisser oft fließend ;). Ich denke, je bewusster man sich dies macht, um so mehr Chancen hat man, trotz allem ein halbwegs erträglicher Zeitgenosse zu bleiben :D (Tip, um dem Ganzen ein wenig die Spitze zu nehmen: Die eigenen Ausführungen leicht ironisch mit den Worten beginnen "Wenn ich jetzt mal ein wenig klugscheißern würde/dürfte, dann ..." :D :D).

Danke für Deine Rückmeldung, schön, dass Dir die Zeilen gefallen haben!

Liebe Grüße

Andreas
 

anbas

Mitglied
Hallo James Blond,

stimmt, Texte dieser Art nehmen zu, wobei dieser hier schon etwas älter ist und durch Bernd noch einmal hervorgeholt wurde (worüber ich mich durchaus freue!) - daher auch seine besserwisserische Anmerkung :D. Irgendwo in der LL gibt es noch weitere Texte von mir ("Der Eiferer", "Der Ästhet" und - eingeschränkt - "Poeten-Typen"), die ebenfalls in diese Sammlung mit aufgenommen werden könnten.

Ich freue mich, dass Dir diese Zeilen gefallen. Deine nähere Betrachtung gefällt mir sehr (nicht nur, weil sie so positiv ist, sondern auch so gründlich und - wie ich finde - wirklich fundiert begründet ist). - Nebenbei bemerkt, und ohne herumschleimen zu wollen, die meisten Deiner Kommentare und Textanalysen, die ich bisher gelesen habe, waren aus meiner Sicht von einer wirklich hohen Qualität - ich habe sie gerne gelesen.

Dein Änderungsvorschlag hat viel für sich. Bis eben zögerte ich noch, ihn zu übernehmen. Doch bei dem Versuch, meine Version zumindest ein wenig "zu verteidigen" merkte ich, dass Du Recht hast. Daher werde ich Deinem Vorschlag folgen. Danke hierfür und die Auseinandersetzung mit diesem Gedicht!

Liebe Grüße

Andreas
 

anbas

Mitglied
Die Besserwisser

So manchmal kaum noch auszuhalten
sind Leute, die stets Haare spalten,
die fast verfall'n in Hysterie
beim Erbsenzähl'n mit Akribie,
die alles ganz genau und besser wissen
und immer irgendwas vermissen.
Mit größter Überheblichkeit
und schlimmster Unverfrorenheit
so halten sie dann große Reden,
sie wissen alles, kennen jeden.
Und was sie sagen wirkt fundiert,
erscheint auch fachlich sehr versiert.
Doch oft ist, was beachtlich klingt,
ein lauer Furz, der nicht mal stinkt.
Und dieses Wölkchen heiße Luft
verkaufen sie als Wissensduft.

Nur was sie selber tun und sagen,
das darf man niemals hinterfragen.
Sie geben sich zwar nett und offen,
doch sind sie meist zutiefst betroffen,
zum Teil auch heftigst echauffiert,
wenn irgendwer sie kritisiert.
Dann wird verteidigt und erklärt,
es wird gemosert und beschwert.
Sie reden dann den größten Mist
- die wahre Tragik aber ist:
Die Leute nerven so extrem
und merken nichts von alledem.
 



 
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