Die Bewerbung

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Raniero

Textablader
Die Bewerbung


Als der Chef der Personalabteilung der großen Firma, Peter Beerkamp,
am frühen Morgen den Briefumschlag öffnete, wäre er fast von seinem weichen Bürosessel gekippt.
„Das kann doch wohl nicht wahr sein!“ stöhnte er laut auf.

Bei diesem Brief handelte es sich um die letzte von fünf Bewerbungen für den Posten des Leiters der Abteilung Verkauf.
Die Ursache für die ungewöhnliche Reaktion des ansonsten eher kühl und nüchtern reagierenden Personalchefs lag allerdings nicht am untadeligen Stil des Bewerbungsschreibens, auch machten die anderen Unterlagen vom handgeschriebenen Lebenslauf bis hin zu allen erforderlichen Zeugnissen einen korrekten Eindruck, nur das beigefügte Photo des Absenders, das hatte es in sich...
Während alle vorangegangenen Bewerbungen Photographien von Männern im form- und stilgerechten Outfit einschließlich Krawatte enthielten, zeigte das Passbild dieses Bewerbers ihn weder mit Krawatte noch, was eventuell zu tolerieren gewesen wäre, mit offenem Hemdkragen; stattdessen sah der in Ehren ergraute Personalchef sich nun einem Mann Ende Dreißig mit nacktem Oberkörper gegenüber!


Peter Beerkamp war entsetzt.
So etwas war ihm in seiner langjährigen Laufbahn noch nicht untergekommen.
Seit er diese Stelle innehatte, waren mehr als Hunderte von Bewerbungsschreiben durch seine Hände gegangen, und beileibe nicht nur solche hochkarätigen wie die für den Posten eines Verkaufsdirektors.
In all den Jahren waren es eher viele Posten der unteren bis mittleren Chargen der Firmenhierarchie wie einfache Hilfskräfte oder Sachbearbeiter, die er ausgeschrieben und im Benehmen mit den jeweiligen Ressortleitern besetzt hatte, doch nicht ein einziges Mal hatte es ein Interessent gewagt, sich mit einem derartigen Bewerbungsphoto zu präsentieren.
Selbst bei einer der ersten Stellenausschreibungen, der eines Bademeisters im firmeneigenen Bewegungsbad, lag derzeit nicht einmal so ein Foto dabei, obwohl er in diesem Fall sogar Verständnis dafür aufgebracht hätte, da man so ein ungewöhnliches Outfit ja immerhin fast als künftige Berufskleidung deuten konnte.

Peter Beerkamp lief der Schweiß über die Stirn, trotz des gut klimatisierten Büros.
„Was mache ich bloß mit dieser Bewerbung, verdammt noch mal, ich kann die doch so nicht dem Chef präsentieren. Auf dem Posten des Verkaufsdirektors, des Aushängeschilds unserer Firma, ein Mann im nackten Oberkörper!“

Er nahm den Telefonhörer zur Hand und überlegte, den Chef in dieser Angelegenheit ausnahmsweise einmal vorab zu konsultieren, bevor er seine Stellungnahme abgab, doch dann legte er den Hörer wieder hin.
Normalerweise war es nämlich üblich, dass alle Bewerbungen zuerst über seinen Tisch liefen, er sie prüfte, begutachtete und anschließend seine Empfehlung in einer Stellungnahme dazu schriftlich formulierte und diese dann dem zuständigen Abteilungsleiter oder, wie in diesem Fall, dem Chef selbst vorlegte.

‚Doch warum soll ich den Alten im Vorfeld mit meiner Beurteilung belästigen’, sagte Peter Beerkamp sich schließlich, ‚der wird schon wissen, was er von so einer Bewerbung zu halten hat.’
Er prüfte gewissenhaft, wie stets, die restlichen Unterlagen dieses merkwürdigen Kandidaten und versah sie schließlich mit der kurzen knappen Bemerkung:

Sehr geehrter Herr Direktor,

wenn das Photo nicht wäre, würde ich ihn sogar für den Posten empfehlen.

Hochachtungsvoll.

Sodann ließ er die gesamten Dokumente, wie schon zuvor die der anderen Bewerber, per Hausboten dem Chef überbringen.
‚Mal abwarten, wie der reagiert’ dachte er erwartungsvoll.



Am nächsten Tag erhielt er zu einer ungewöhnlich frühen Stunde bereits einen Anruf des Chefs.
„Sagen Sie mal, Herr Beerkamp, ich habe hier fünf Bewerbungen für die Stelle des Abteilungsleiter Verkauf vor mir liegen. Sind die Unterlagen damit vollzählig?“
„Jawohl, Herr Direktor, insgesamt fünf Bewerbungen sind eingegangen, fristgerecht. Ich habe sie alle geprüft, und wie üblich, und mit meiner Stellungnahme versehen.“
„Ja, das sehe ich, und ich habe mich bereits damit beschäftigt. Hören Sie mal, da ist aber eine recht ungewöhnliche Bewerbung dabei.“
‚Ungewöhnlich ist gut’ dachte Peter Beerkamp und zwang sich, nicht vor Lachen loszuplatzen.
„Ja, die mit dem merkwürdigen Photo, Herr Direktor, die ist in der Tat ungewöhnlich.“
„Die meine ich nicht. Ich meine die von dem alten Knaben, dem Herrn …der ist ja schon über sechzig. Was will der denn hier bei uns?“

Der Personalchef musste schlucken.
Natürlich hatte auch er gesehen, dass da ein Bewerber von über sechzig Jahren darunter war, aber der alte Knabe hatte wenigsten ein vernünftiges Photo dazu gelegt.
„Wie Sie meinen, Herr Direktor“ antwortete er irritiert.
Er wusste nicht, was er davon halten sollte.
„Wissen Sie was“ rief der Chef mit vergnügter Stimme, „ich habe mich schon entschieden. Kommen Sie doch bitte mal rüber. Aber nicht in mein Büro, sondern in den Konferenzsaal, da bin ich im Moment.“
Verwirrt legte Beerkamp den Hörer auf und machte sich eilig auf den Weg zum besagten Saal.
‚Was will der Alte denn da’ fragte er sich. ‚um diese Zeit?’


Als er den Konferenzsaal betrat, stockte ihm der Atem.
An dem riesigen Tisch saß der Chef mit den verschiedenen Abteilungsleitern, allesamt mit entblößten Oberkörpern.
„Ja, mein lieber Beerkamp, da staunen Sie“ sagte der Chef und deutete auf ein überdimensional großes Werbeplakat an der Längswand des Raumes, „wir müssen schließlich mit der Zeit gehen.“

Auf diesem Bild sah man ihn selbst, inmitten seiner Abteilungsleiter, die einen Halbkreis um ihn bildeten, allesamt mit tadellos sitzenden Beinkleidern, blitzblanken Schuhen und nackten Oberkörpern.

Unterhalb des Photos war in dicken Buchstaben zu lesen:

„Sehr verehrte Kunden, auch in Zeiten der Globalisierung treten wir all Ihren Wünschen absolut offenherzig entgegen.“

„Nun machen Sie schon, Herr Beerkamp“ forderte der Chef ihn auf, „nehmen Sie Platz.“


Wie in Trance folgte der Leiter der Personalabteilung der Aufforderung und begann langsam, seinen Oberkörper zu entblößen.
Hierbei fiel sein Blick wie zufällig auf die Lüftungsschächte der Klimaanlage.

‚Die brauchen wir wohl bald nicht mehr’ dachte er…
 

IHaveADream

Mitglied
Hallo Raniero

Als der Chef der Personalabteilung der großen Firma…
Ich stoße mich etwas an den drei "der".
Als Peter Beerkam Chef der Personalabteilung einer großen Firma…
Könnte auch gut klingen.
Peter Beerkamp lief der Schweiß über die Stirn, trotz des gut klimatisierten Büros.
Rein vom Effekt her würde ich vielleicht den Satz umdrehen.
Trotz des gut klimatisierten Büros, lief Peter Beerkamp der Schweiß über die Stirn.
Er nahm den Telefonhörer zur Hand und überlegte, den Chef in dieser Angelegenheit ausnahmsweise einmal vorab zu konsultieren, bevor er seine Stellungnahme abgab, doch dann legte er den Hörer wieder hin Normalerweise war es nämlich üblich, dass alle…
Was haltest Du davon?

Er nahm den Telefonhörer zur Hand und überlegte, den Chef in dieser Angelegenheit ausnahmsweise einmal vorab zu konsultieren, bevor er seine Stellungnahme abgab. Normalerweise war es nämlich üblich, dass alle Bewerbungen zuerst über seinen Tisch liefen, er sie prüfte, begutachtete und anschließend seine Empfehlung in einer Stellungnahme dazu schriftlich formulierte und diese dann dem zuständigen Abteilungsleiter oder, wie in diesem Fall, dem Chef selbst vorlegte. Doch dann legte er den Hörer wieder hin.
Sodann ließ er die gesamten Dokumente, wie schon zuvor die der anderen Bewerber, per Hausboten dem Chef überbringen.
Ist in einer renommierten Firma es nicht üblich, dass er alle Bewerbungen zusammengefasst, gebündelt und beurteilt auf einmal seinem Chef übergeben müsste, als einzeln?
…ich habe hier fünf Bewerbungen für die Stelle des Abteilungsleiter Verkauf vor mir liegen.
Da kommt auch prompt der Widerspruch.
Muss der Chef auf alle einzeln warten? Dann plötzlich, so jetzt habe ich die fünf.
Dieser Gegensatz ist mir aufgefallen.
…und zwang sich, nicht vor Lachen loszuplatzen.
Du zeigst das Bild eines hochgeschnürten, tadellosen Arbeiters in einer qualitativen Firma.
Dann aber "Lachen losplatzen".
…und zwang sich, nicht zu Lachen.
Ersehe ich da etwas besser.
...saß der Chef mit den verschiedenen Abteilungsleitern, allesamt mit entblößten Oberkörpern. - ...der Personalabteilung der Aufforderung und begann langsam, seinen Oberkörper zu entblößen.
entblößten und entblößen,
Man könnte hier im Zweiten "...der Personalabteilung der Aufforderung und begann langsam, seinen Oberkörper zu entkleiden." schreiben.

Was hat nun die Bewerbung mit der Werbekampagne für einen Zusammenhang?
Ich vermisse die Er- Aufklärung oder ist das nun unserer Fantasie überlassen?
Der Chef wollte ihn reinlegen, sich einen Spass machen oder ihn testen oder das Bild brachte den Chef auf die Idee für diese Werbekampagne (wobei das Plakat nicht so schnell fertig wäre) oder …

Die Idee ist gut. Schließlich erwartet man nicht, dass alle oben ohne da sitzen.
Eher rechnet man mit der Kulanz des Chefes. Gerade deswegen ihn anzustellen, wegen seinem guten Einfallsreichtum.
Die beiden Sätze am Schluss sind ein guter Ausklang.

Habe ich gerne gelesen.

Grüssend
 

Raniero

Textablader
Hallo,

vielen Dank für Deine Kommentare und Anregungen, sie waren sehr nützlich.
Die Er-Aufklärung: Das Photo selbst brachte den Chef auf die Idee mit der Werbekampagne, und bei dem Plakat handelt es sich aufgrund der Eile um einen Entwurf.

Gruß Raniero
PS
I had also a dream :)
 

Haremsdame

Mitglied
Hallo Raniero,

die Idee gefällt mir gut. Habe sie gerne und schmunzelnd gelesen. Allerdings musst Du - meiner Meinung nach - an der Aufklärung der Werbekampagne noch ein wenig arbeiten.

Grüße von der Haremsdame
 

Raniero

Textablader
Hallo Haremsdame,:)

freut mich, dass Dir meine Story gefallen hat.

Bezüglich der Aufklärung habe ich die Geschichte noch ein wenig modifiziert.

Gruß Raniero
 



 
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