Die Burg der Riesenspinne (aus der Schreibwerkstatt)

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Morgana

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Die Burg der Riesenspinne

Es war einmal vor langer Zeit, als die Bäume noch sprechen konnten und die Vögel nicht nur fröhliche Lieder vortrugen, sondern auch guten Rat zu geben wussten. Zu dieser Zeit lebte eine Prinzessin, die war so wunderschön und herzensgut, dass jeder sie lieb haben musste. Die Prinzessin Tausendschön, war aber auch liebreizend, anmutig und sehr geschickt in den Künsten des Spinnens und Stickens. Die Prinzessin lebte mit ihren Eltern, dem König und der Königin, in einer großen und prachtvollen Burg auf einer Klippe über dem Meer.

Es begab sich nun aber, dass der böse Zauberer Höckerbein vom Liebreiz der Prinzessin gehört hatte und sie gerne zur Frau haben wollte. So sandte er seinen Boten aus, um beim König Siebentag um deren Hand anzuhalten. Der Bote war aber ein garstiger Wolf. Als der König sah wer da als Unterhändler kam, ließ er dem Zauberer ausrichten, dass er seine Tochter keinem Manne zur Frau gäbe, der einen gefährlichen Wolf schickte. Daraufhin sandte der Zauberer einen zweiten Boten aus, dieser war aber ein hässlicher, zerrupfter Rabe. Der König beschied ihm deshalb, dass er seine Tochter keinem Manne zur Frau gäbe, der einen hässlichen, zerrupften Raben schickte. Da begab sich der Zauberer selbst zum Schloss des Königs, um die Prinzessin Tausendschön zu gewinnen. Als der Höckerbein jedoch durch das Tor hereinritt, verdunkelte sich die Sonne vor der Hässlichkeit des Zauberers und die Vögel schwiegen stille. Die Prinzessin Tausendschön erschrak so sehr vor der buckligen Gestalt des Zauberers, dass sie zu weinen begann. Sie flehte ihren Vater an, doch ja nicht zu gestatten, dass der Zauberer sie heiraten dürfe. Der König sagte also dem Zauberer, dass er seine Tochter keinem Manne zur Frau gäbe, vor dessen Hässlichkeit die Sonne sich verdunkelte und der alleine durch seine Gestalt die Vögel zum Schweigen brächte. Da wurde der Zauberer wütend und verfluchte das Schloss und alle Bewohner darin. Den König verwandelte er zur Strafe in eine riesige, schwarze Spinne, die in Ihrem Netz die Türe zum Gemach der Prinzessin bewachen musste, so das keiner mehr zu der Prinzessin vordringen konnte. Die Prinzessin selbst musste zu einer lebendigen Statue erstarrt in ihrem Gemach stehen. Ebenso war der gesamte Hofstaat auch zu Statuen erstarrt und konnten nicht einmal mehr den kleinen Finger bewegen.
Viele der treuen Untertanen des Königs versuchten den Fluch zu brechen. Und die tapfersten und heldenmütigsten Kämpfer, die das Reich hervorgebracht hatte, starben bei dem Versuch an der Riesenspinne vorbei zu kommen. Der arme König, der als Riesenspinne gezwungen war, die Rettung seiner Tochter zu verhindern, durfte jedoch keinen durchlassen. So wurde er immer verzweifelter und trauriger. Schließlich kam niemand mehr, um dem König und seiner Tochter zu helfen und bald schon erzählte man die Geschichte vom Fluch, der auf der Burg lag, wie eine Mär aus lang vergangener Zeit. Manches Mal drohten die Mütter ihren Kindern, wenn sie unartig waren, auch mit der Riesenspinne.

Eines Tages gelangte die Kunde von der wunderschönen Prinzessin auch vor den Prinzen des Nachbarkönigreiches. Ein Geschichtenerzähler, der an den Hof des Königs Graubart kam, erzählte in bunten Farben von der Schönheit und dem Liebreiz der Königstochter und von dem schrecklichen Fluch. Der jüngste Sohn des Königs Graubart war ein recht tollkühner Draufgänger und ein geschickter Kämpfer, der keine Furcht und wenig Vorsicht kannte. So beschloss eben dieser Prinz Adlerherz, sich auf den Weg zu machen und sein Glück zu versuchen, ob er nicht den Fluch des bösen Zauberers brechen könne.

Den ganzen weiten Weg, bis zu der verfluchten Burg des Königs Siebentag, sann der Königssohn nun darüber nach, wie er die Prinzessin von dem Fluch befreien könnte. Allein, es wollte ihm nichts Rechtes einfallen, so beschloss er, dass er sehen würde ,was zu tun wäre, wenn er die Burg erreichte.

Als der Königssohn nun vor das Tor der verzauberten Burg kam, waren genau 10 Jahre und 10 Tage verstrichen, seit der Fluch über den König und sein Gefolge verhängt worden war. Mit hellen Läuten und schimmernden Licht erschien eine Fee vor dem Tor und hieß den Königssohn stehen bleiben. "So wollt ihr also euer Glück versuchen Prinz Adlerherz, doch seid gewarnt, es wird euch nicht gelingen!" Der Prinz, der sich aber durchaus nicht aufhalten lassen wollte, denn er war zudem auch sehr halsstarrig, erwiderte: "Ei , dass wollen wir sehen. Ich will die Prinzessin zur Frau und ich bin es gewohnt zu bekommen, was ich mir wünsche!" Da hob die Fee ihren Zauberstab und berührte des Prinzen Herz mit seiner Spitze. Hellrot glühte der klare Stein auf dem Zauberstab auf. "Ich sehe, dass dein Wunsch wirklich glühend ist und du ein tapferes Herz hast, so will ich dir helfen, die Aufgabe zu lösen! Geh zum König der Elfen und sag ihm, du möchtest Tausendschön heiraten, so wird er dir eine Aufgabe stellen. Wenn du diese löst wird er dir ein Elixier geben. Dieses Elixier musst du in die Augen aller Statuen träufeln, so werden sie wieder zu Menschen. Doch du musst das Elixier allen Statuen an einem einzigen Tage in die Augen träufeln und darfst die Prinzessin nicht vergessen!"

Der Prinz wendete also sein Pferd und ritt zum Schloss des Elfenkönigs. Dort wurde er gleich vorgelassen und erklärte sein Anliegen. Der Elfenkönig sah den jungen Mann prüfend an und stellte seine Aufgabe: "Ich will dir das Elixier wohl geben, wenn du mir den Honig aus dem Bienenhaus auf der Wiese hinter dem Schloss holst!"
Der Prinz dachte bei sich: "Ei, dass mag eine leichte Aufgabe sein, den Honig will ich wohl bald herbeischaffen!" Flugs eilte er auf die genannte Wiese und sah dort das Bienenhaus stehen. Munter schritt er darauf zu und wollte eben die Hand ausstrecken und die Türe öffnen, als eine dichte Wolke Bienen sich erhob. Die vielen Bienen summten und flogen um ihn herum und hüllten ihn ganz ein. Sie setzten ihm so arg zu, dass er ganz zerschunden und zerstochen das Weite suchte. "Potz Blitz, was ist denn das für ein seltsames Bienenvolk, dass wie ein Mann sich gegen mich stellt! Das Schwert wird mir hier nicht nützen. Doch was ist hier zu tun?" Wie er so sinnend in sicherem Abstand zum Bienenhaus auf dem Boden saß, fiel sein Blick auf die Schornsteine der Schmiede, aus denen dicker, grauer Rauch quoll. Gleich fiel ihm ein, wie die Aufgabe zu lösen wäre. Er holte nasses Holz und Blätter und richtete einen Haufen auf, den er entzündete. Bald umgab dichter Qualm das Bienenhaus und die Bienen wurden müde und starr und er konnte, ohne gestochen zu werden, den Honig aus den Waben nehmen. Da musste der Elfenkönig ihm das Elixier geben und der Prinz kehrte zurück zur Burg der Riesenspinne.

Doch die Fee stand wieder vor dem Tor und hielt ihn auf: "So wollt ihr also euer Glück versuchen, Prinz Adlerherz, doch seid gewarnt, es wird euch nicht gelingen!" Doch der Prinz hatte neuen Mut gefasst, jetzt, da er das Elixier hatte und antwortete: "Ei, dass werden wir sehen. Ich will die Prinzessin zur Frau und ich bin es gewohnt zu bekommen, was ich mir wünsche!" Da hob die Fee abermals ihren Zauberstab und berührte die Stirne des Königssohns mit dem Kristall. In dem Moment zeigte der Kristall ein blaues Glimmen. "Ich sehe, dass dein Willen wirklich fest und stark ist, so will ich dir helfen, die Aufgabe zu lösen! Geh zum König der Zwerge und sag ihm, du möchtest Tausendschön heiraten, so wird er dir eine Aufgabe stellen. Wenn du diese löst, wird er dir einen Stab geben, mit diesem ist die Türe zum Gemach der Prinzessin zu öffnen. Doch kannst du nicht an die Türe heran, solange die Spinne noch im Netz sitzt!"

"Sei's drum!" dachte der Königssohn bei sich und wendete sein Pferd, um sich in die unterirdischen Hallen des Zwergenkönigs zu begeben. Auch hier wurde er sofort vorgelassen und konnte dem Zwergenkönig sein Anliegen erklären. Dieser sah ihn sinnend an und stellte seine Aufgabe: "Ich will dir den Stab wohl geben, wenn du mir den Edelstein aus der Krone in der Schatzkammer holst, doch darfst du nichts anderes als den Stein berühren!" "Ei, es kann so schwer nicht sein einen Edelstein zu holen, den werd' ich wohl bald in Händen halten!" dachte der Prinz bei sich und ließ sich den Weg in die Schatzkammer weisen. Vor dem Tor stand eine Wache und fragte nach seinem Begehr. "Ich soll den Edelstein aus der Krone holen und dem König bringen!" Da sah der Wachposten sehr besorgt aus: "Nun, dann werdet ihr wohl in der Schatzkammer euer Leben lassen wie all die anderen, die der Versuchung nicht wiederstehen konnten und sich an dem Gold vergreifen wollten. Nur einer hat es geschafft die Krone überhaupt zu erreichen. Doch er ist auch gestorben, denn er hat das Gold der Krone berührt!" "Potz Blitz, wie soll das gehen? Ich kann doch nicht den Stein herausnehmen ohne die Krone zu berühren!" Wie er da so sann und überlegte, wie die Aufgabe zu lösen wäre, da fiel sein Blick auf den Dolch des Wachposten. Sofort wusste er, was er zu tun hatte. Er bat den Wachposten um den Dolch und trat entschlossen durch die Türe. Sofort war da ein Locken und eine Sehnsucht in seinem Herzen, die vielen Goldstücke, die in dem Raum lagen einzustecken. Tapfer widerstand er jedoch der Versuchung, die ihm durch zauberische Kraft eingegeben wurde. Er dachte fest an die Prinzessin, die er zu gewinnen hoffte und hielt nach der Krone Ausschau. Bald hatte er sie gefunden und ohne die goldene Fassung zu berühren, brach er den Stein mit dem Dolch der Wache und seinem eigenen heraus. Froh hob er den funkelnden Kristall auf und brachte ihn zum König, der ihm nun den Stab geben musste. Damit kehrte der Prinz wieder zurück zur Burg der Riesenspinne.

Doch die Fee stand wieder vor dem Tor und hielt ihn auf: "So wollt ihr also euer Glück versuchen, Prinz Adlerherz, doch seit gewarnt, es wird euch nicht gelingen!" Doch der Prinz war mehr denn je überzeugt es zu schaffen, jetzt, da er das Elixier und den Stab hatte und antwortete: "Ei, dass werden wir sehen. Ich will die Prinzessin zur Frau und ich bin es gewohnt zu bekommen, was ich mir wünsche!" Da hob die Fee abermals ihren Zauberstab und berührte den Mund des Königssohns mit dem Kristall, der nun grün schimmerte. "Ich sehe, dass deine Seele frei und ehrlich entschieden hat, so will ich dir helfen die Aufgabe zu lösen! Geh zum König der Feen und sag ihm, du möchtest Tausendschön heiraten, so wird er dir eine Aufgabe stellen. Wenn du diese löst, so wird er dir einen Hut geben. Den musst du der Riesenspinne über den Kopf stülpen und der König wird zurückverwandelt. Aber du musst noch vor Sonnenaufgang mit dem Hut hier sein, denn wenn der Hut die Sonne sieht verliert er seinen Zauberkraft."

"Nun denn ein Drittes kann ich auch noch tun!" dachte der Prinz bei sich und ritt in den tiefen Wald, um den König der Feen aufzusuchen. Er wurde abermals sofort vorgelassen und konnte sein Anliegen vortragen. Der Feenkönig sah ihn lächelnd an und stellte seine Aufgabe: "Ich will dir den Hut wohl geben, wenn du mir einen Becher Wasser aus dem Bach am Ende des Waldes bringst!" "Ei, das ist einfacher als alles andere!" dachte der Königssohn und steckte den Becher ein, den der König ihm gegeben hatte. Bald hatte er den Bach erreicht und zog den Becher hervor, um Wasser zu schöpfen. Aber wie er sich mit dem Becher hinabbeugte, um ihn zu füllen, zog sich das Wasser zurück und nur ein trockenes Bachbett blieb zurück. Sobald er sich wieder aufrichtete, kam das Wasser jedoch zurück und floß sprudelnd und plätschernd über die Steine. Die ganze Nacht versuchte der Prinz nun mit dem Becher Wasser zu schöpfen, doch egal wie schnell er auch war, immer wenn er sich bückte verschwand das Wasser und kehrte erst zurück, wenn er sich wieder aufrichtete. Erschöpft und verzweifelt ließ er sich schließlich am Ufer nieder und starrte auf den verzauberten Bach, der keinen Becher seines Wassers geben wollte. In diesem Moment bemerkte er ein Reh am anderen Ufer, dass sich zum Wasser niederbeugte und trank. Verdutzt beobachtete er, wie das Tier seinen Durst stillte und da wusste er, wie er das Wasser gewinnen konnte. Er stellte den Becher am Ufer ab und beugte sich zum Wasser hinab, um mit seinen Händen Wasser zu schöpfen, und siehe da, das Wasser ging nicht zurück. Bald hatte er auf diese Weise den Becher gefüllt und trug ihn vorsichtig zum Feenkönig. Da musste ihm dieser den Hut geben. Doch bald würde die Sonne aufgehen. Der Prinz sprengte mit seinem Pferd über Wiesen und Felder zurück zur Burg der Riesenspinne, um noch rechtzeitig vor dem ersten Sonnenstrahl den Hut auf den Kopf des verzauberten Königs zu setzen.

Doch am Tor stand wieder die Fee und hielt ihn auf: "So wollt ihr also euer Glück versuchen, Prinz Adlerherz, doch seid gewarnt, es wird euch nicht gelingen!" Doch der Prinz war nun ganz sicher, dass er Erfolg haben würde, jetzt, da er das Elixier, den Stab und den Hut hatte und antwortete: "Ei, das werden wir sehen. Ich will die Prinzessin zur Frau und ich bin es gewohnt zu bekommen, was ich mir wünsche! Geht mir aus dem Weg, die Sonne wird bald aufgehen und der Hut muss bis dahin auf dem Kopf der Riesenspinne sein. Dann muss ich eine Türe öffnen und danach allen Leuten das Elixier bringen, damit sie zum Leben erwachen. Ich hab nur Zeit bis Sonnenuntergang. Die Zeit drängt und ich kann nicht mit euch streiten!" Da hob die Fee abermals ihren Zauberstab und berührte die rechte Hand des Königssohns mit dem Kristall, der nun gelb leuchtete. "Ich sehe, dass dein Verstand kristallklar und verständig ist, so gebe ich dir den Weg frei, den König und seine Tochter zu retten!"

Schnell ritt der Prinz durch das Tor und eilte zu der Spinne, der er den Hut gerade noch rechtzeitig über den Kopf stülpte. Mit einem lauten Donnerschlag zerriss das Spinnennetz und der König stand in seiner menschlichen Gestalt vor ihm. Flugs hieb er nun den Stab gegen die Türe und mit einem lauten Knirschen sprang die Türe auf. Jetzt musste nur noch das Elixier in die Augen des Hofstaates geträufelt werden. Den ganzen langen Tag ging der Prinz von einem zum anderen und hatte schließlich kurz vor Sonnenuntergang den letzten Küchenjungen wieder zum Leben erweckt. Da blieb nur noch die Prinzessin in ihrem Gemach als letzte übrig und die Sonne berührte schon den fernen Horizont. Schnell trat der Prinz zu der Statue der Prinzessin und hielt das Fläschchen an ihre Augen. Doch kein Tropfen wollte sich lösen. Er schüttelte und schüttelte das kleine Glasgefäß, doch er hatte für den Küchenjungen die letzte Portion des Elixiers aufgebraucht. Da sank die Sonne vollends hinter den Horizont und die Zeit war verstrichen. Bitterliche Tränen strömten von den Wangen des Prinzen, als er da stand und seine Hände auf die starren kalten Hände der Prinzessin legte. Der Hofstaat stand schweigend und betreten daneben und der alte König weinte stumm mit dem Prinzen. Als dieser sich vorbeugte, um ein einziges Mal die Lippen der wunderschönen, steinernen Prinzessin zu küssen, löste sich eine Träne aus seinem Auge und fiel genau in ihr rechtes Auge. Da wurde ihre Haut warm und ihre Augen klar und sie wurde wieder zu einem Menschen.

Bald darauf wurde die Hochzeit in großer Pracht gefeiert und der Prinz und die Prinzessin hatten viele Kinder und lebten glücklich und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

ein gelungenes werk. erinnert stark an herkömmliche märchen. gefällt mir.
ganz lieb grüßt
 



 
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