Die Dreiundzwanzigjährige
Draußen war es schon dunkel. Er hörte ihren viel zu großen Schlüsselbund an der Tür klappern, hatte sie aber schon an ihren Schritten im Treppenhaus erkannt. Ein leises Klacken – die Tür ging auf. Als er in die Küche kam um sie zu begrüßen, sah er den schwarzen Trenchcoat, den schon ihre Mutter in ihren „Jugendmaientagen“ getragen hatte, auf dem Stuhl liegen, die schwere Tasche voller Bücher stand auf dem Boden. Sie lehnte an der Spüle und trank mit müden Augen Wasser. Sie wollte ihre Ruhe haben; er ging ins Schlafzimmer, legte sich aufs Bett und schaute sich im Zimmer um. Die Straßenlaterne und das Licht der Küche erhellten das Zimmer und gaben den vertrauten Anblick frei: die palisanderfarbenen Möbel vor der weißen Wand mit roten Muster, auf dem Fensterbrett Weidenkätzchen und Trockenblumen, Noahs Schneekugel auf dem Nachttisch, die sie jeden Abend vor dem Schlafengehen ansah, und das kleine Regal in der Ecke, aus dem sie heute morgen Bücher mitgenommen hatte. Einige Zeit lag er dort und dachte über den Blick nach, den er eben in ihren Augen gesehen hatte. Immer öfter war sie in letzter Zeit in einer seltsamen Stimmung: etwas melancholisch, müde und unzufrieden mit sich oder der Welt. Er erwachte aus seinen Gedanken, als sie das Licht in der Küche löschte und er ihre weichen Schritte auf dem Teppich hörte. Er war sich sicher, dass sie gleich ins Bett kommen würde. Nach all den Jahren, die sie sich kannten, wusste er mittlerweile, wenn sie nichts mehr von Aschewolken und verunglückten Staatsmännern hören wollte.
Als sie eintrat, machte sie das Licht nicht an, ging vorbei an Fotos und kleinen Wäschebergen und legte sich zu ihm aufs Bett, den Blick auf den Nachttisch gerichtet. Heute würde sie nicht mehr in einem der dicken Bücher lesen, Musik hören oder ihre IKEA-Duftkerzen anzünden. Minuten vergingen und noch immer wandte sie ihren Blick nicht ab vom kleinen Tisch, überladen mit Zeitschriften und Taschentüchern, mit feiner Staubschicht auf dem Wecker. Sie knipste die Lampe an und suchte in der Schublade des Tischchens nach irgendwas, das sich als ihr Tagebuch herausstellte. Eine Weile lagen sie da, bevor sie ihm von Träumen, Wünschen, vergessenen Begebenheiten, verpassten Gelegenheiten und verlorenen Freunden vorlas und bald darauf wieder in Schweigen verfiel. Sie nahm Noahs Kugel und schüttelte sie. Die Tränen fielen wie der Schnee. Er kuschelte sich an ihre Seite, um sie zu trösten; sie kraulte ihm dankbar den Nacken. Während sie einschlief, schnurrte er neben ihr.
Draußen war es schon dunkel. Er hörte ihren viel zu großen Schlüsselbund an der Tür klappern, hatte sie aber schon an ihren Schritten im Treppenhaus erkannt. Ein leises Klacken – die Tür ging auf. Als er in die Küche kam um sie zu begrüßen, sah er den schwarzen Trenchcoat, den schon ihre Mutter in ihren „Jugendmaientagen“ getragen hatte, auf dem Stuhl liegen, die schwere Tasche voller Bücher stand auf dem Boden. Sie lehnte an der Spüle und trank mit müden Augen Wasser. Sie wollte ihre Ruhe haben; er ging ins Schlafzimmer, legte sich aufs Bett und schaute sich im Zimmer um. Die Straßenlaterne und das Licht der Küche erhellten das Zimmer und gaben den vertrauten Anblick frei: die palisanderfarbenen Möbel vor der weißen Wand mit roten Muster, auf dem Fensterbrett Weidenkätzchen und Trockenblumen, Noahs Schneekugel auf dem Nachttisch, die sie jeden Abend vor dem Schlafengehen ansah, und das kleine Regal in der Ecke, aus dem sie heute morgen Bücher mitgenommen hatte. Einige Zeit lag er dort und dachte über den Blick nach, den er eben in ihren Augen gesehen hatte. Immer öfter war sie in letzter Zeit in einer seltsamen Stimmung: etwas melancholisch, müde und unzufrieden mit sich oder der Welt. Er erwachte aus seinen Gedanken, als sie das Licht in der Küche löschte und er ihre weichen Schritte auf dem Teppich hörte. Er war sich sicher, dass sie gleich ins Bett kommen würde. Nach all den Jahren, die sie sich kannten, wusste er mittlerweile, wenn sie nichts mehr von Aschewolken und verunglückten Staatsmännern hören wollte.
Als sie eintrat, machte sie das Licht nicht an, ging vorbei an Fotos und kleinen Wäschebergen und legte sich zu ihm aufs Bett, den Blick auf den Nachttisch gerichtet. Heute würde sie nicht mehr in einem der dicken Bücher lesen, Musik hören oder ihre IKEA-Duftkerzen anzünden. Minuten vergingen und noch immer wandte sie ihren Blick nicht ab vom kleinen Tisch, überladen mit Zeitschriften und Taschentüchern, mit feiner Staubschicht auf dem Wecker. Sie knipste die Lampe an und suchte in der Schublade des Tischchens nach irgendwas, das sich als ihr Tagebuch herausstellte. Eine Weile lagen sie da, bevor sie ihm von Träumen, Wünschen, vergessenen Begebenheiten, verpassten Gelegenheiten und verlorenen Freunden vorlas und bald darauf wieder in Schweigen verfiel. Sie nahm Noahs Kugel und schüttelte sie. Die Tränen fielen wie der Schnee. Er kuschelte sich an ihre Seite, um sie zu trösten; sie kraulte ihm dankbar den Nacken. Während sie einschlief, schnurrte er neben ihr.