Die Engellandung

3,70 Stern(e) 3 Bewertungen

Andi

Mitglied
Die Engellandung
Schon lange ging den Engeln im Himmel der zeitlose Zustand reiner Geistigkeit und huldvoller Glückseligkeit gehörig auf die Nerven. Sie dachten darüber nach, wie sie sich die Zeit, die ihnen seit Engelsgedenken im Übermaß zur Verfügung stand, ein wenig mit Spielen vertreiben könnten. Aber mit welchen? Im ewigen Jetzt „Eile mit Weile“ zu spielen, kam natürlich nicht in Frage,„Mensch ärgere dich nicht“ und „Blinde Kuh“ schienen der englischen Würde zu widersprechen und auch Luzifers Vorschlag: „Himmel und Hölle“ fand bei den anderen Engeln wenig Anklang. Geneigter waren sie schon der Idee eines Barockengels, sich doch mal an erotischen Spielchen in Tantramanier zu versuchen. Der Herrscher der himmlischen Heerscharen aber untersagte Derartiges gnadenlos. Im Gegensatz zu seinen Artgenossen sei der Barockengel ein Engel mit einem B davor, zürnte der Allmächtige. Sein unzüchtiges Begehr entspreche wahrlich, wahrlich nicht der feinen englischen Art, er solle gefälligst mit Engelszunge reden.
Die Erosenergie der Engel war jedoch nun einmal geweckt worden. Da sie von ihrer Botentätigkeit her die Menschen gut kannten, hatten sie auch schon von Triebsublimierung und Ersatzbefriedigung gehört. Die Erdlinge setzten sich zu diesem Behufe offenbar gern in höllisch stinkende und lärmende Blechkisten, um mit ihnen wie von Sinnen drauflos zu rasen. Das faszinierte die Engel.
„Wohlan, lasset uns einen Wettflug veranstalten, durchs Himmelstor von Petrus im Sturzflug auf die Erde nieder und ohne Zwischenlandung wieder zur Himmelspforte empor. Petrus soll verkünden, wer als erster sein hohes Ziel erreichte. Eine zwiefache Gabe köstlichen Mannas sei des Gewinners Lohn.“ Gesagt, getan.
Petrus staunte nicht schlecht, als er die Engel auf sich zuschießen sah. Nur durch einen hastigen Sprung auf die Seite konnte er es vermeiden, von einem rasenden Engel gerammt zu werden. Nun ging es in vollem Karacho hinunter. Der stämmige nackte Barockengel mit seinen kurzen Stummelflügeln ließ die Kraft der Erde voll auf sich wirken und fiel wie ein Stein. Gegenüber seinen Kollegen, hochgewachsenen Lichtgestalten mit blond gelocktem, wallendem Haar und weitem weißem Gewand, das sich wie ein Fallschirm blähte, war er abwärts eindeutig im Vorteil. Diese allerdings schwebten kurz vor Erreichen der Erdoberfläche - von ihren üppigen Heiligenscheinen wie von Hubschrauben gehoben - mühelos wieder zum Himmelszelt empor. Dem Barockengel hingegen misslang die abrupte Kurskorrektur im letzten Moment, so sehr er auch mit seinen Flügelchen flatterte. Er musste auf einem schmalen Streifen festen Bodens mitten im kalten Meer notlanden. Voller Ehrfurcht beobachteten die dort ansässigen Erdlinge die unsanfte Engellandung. Sie nannten ihre Heimat fortan Engelland, sich selbst Engelländer, gebärdeten sich betont würdevoll und verließen ihre Häuser nicht mehr ohne robusten Schirm und steifen Hut, aus Angst, es könnte ihnen ein Engel auf den Kopf fallen.
 

Rainer

Mitglied
hallo andy,

deinen kleinen text habe ich mit einem schmunzeln ob des inhaltes gelesen; würde ihn aber lieber bei humor und satire veröffentlicht sehen - aber das ist ja zum glück deine sache :).

als überempfindlichem menschen kommt mir aber dummerweise immer dieser unseelige liedtext "wenn wir ziehn` gen engel(l)and..." in den sinn, was mir die freude zwar etwas trübte, aber das tut dem text keinen abbruch - das ist halt mein (hausgemachtes) problem.

auf einen klitzkleinen fehler möchte ich dich noch hinweisen:

...
Sein Begehr entspreche nicht der feinen englischen Art, er solle gefälligst mit Engelszunge reden.
...
müßte es hier stringenterweise nicht "... der feinen engelischen Art,..." heißen?

viele grüße

rainer
 

Andi

Mitglied
Lieber Rainer,
über deinen Kommentar und dein Schmunzeln habe ich mich sehr gefreut. Das war der erste Text, den ich in der Leselupe und überhaupt veröffentlicht habe, daher war ich noch ein Bisschen desorientiert bezüglich der Rubriken. Humor und Satire würde sicher besser passen.
Das Universal Wörterbuch gibt als zweite (veraltete) Bedeutung von 'englisch' an: auf die Engel bezüglich,
Engels-. Diese Verwendung des Adjektivs 'englisch' habe ich bei Thomas Mann in "Joseph und seine Brüder" gefunden. Ich habe ja auch an anderer Stelle bewußt eine etwas verzopfte Sprache (zürnte, Behufe, etc.) verwendet.
Herzliche Grüße
Andi
 

Rainer

Mitglied
hallo andi,

dann will ich deinem universalwörterbuch mal glauben schenken; es fiel mir nur deshalb auf, weil du im letzten teil des textes sehr bewußt alle "zweideutigkeiten" mit einem "e" zwischen n und g schreibst, am anfang jedoch die von mir monierte form benutzt hast.

bei unsicherheiten kannst du auch immer die mods fragen - ihr ruf ist zu unrecht um klassen schlechter, als ihr wirkliches sein - sie beißen erst nach mehrmaligem knurren :).

viele grüße + dir noch viel spaß hier

rainer
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo

andi, dein einverständnis voraussetzend hole ich dein witziges werk nach humor und satire.
dieser bonbon ist ein gefundenes fressen!
ganz lieb grüßt
 

Andi

Mitglied
Hallo Old Icke, hallo Gabi,
vielen Dank für das Interesse an und Lob für meinen Text. Ich hätte ihn selbst nach Humor und Satire verschoben, wenn ich gewusst hätte, wie das geht. Vielen Dank also auch dafür und liebe Grüße, Andi
 



 
Oben Unten