Märchentante
Mitglied
Die Ente im Storchennest
von Dagmar Buschhauer
Fröhlich vor sich hinschnatternd besserte Frau Ente das Storchennest auf dem Gutshaus aus. Ja, hier hatte sie ein feines Plätzchen für ihr Nest gefunden. Viel Raum, für die hoffentlich zahlreichen Küken, und eine Aussicht, davon träumten die anderen nur. Vor dem Fuchs musste sie sich auch nicht fürchten, so hoch kommt selbst der nicht. Zufrieden schaute sie über die Dächer ringsum. Bei dem übrigen Geflügel war sie Gesprächsthema Nummer eins. Alle hielten sie für ein wenig verrückt. Welche normale Ente baut schon ihr Nest in einem Horst, und was, wenn das Storchenpaar von seiner Reise zurückkommt? Berta machte sich nichts draus, die anderen waren ja nur neidisch. Bestimmt würde sie mit diesem außergewöhnlichen Brutplatz auch einen schicken Erpel abbekommen. Bei dem Gedanken sprang sie auf und überprüfte nochmals ihre Arbeit, schließlich sollte alles perfekt sein.
Eines Tages, in aller Frühe, hörte Berta sich nähernde Stimmen. „Ach, Schatz, ich bin froh, wieder zu Hause zu sein. Der lange Flug ist doch eine ganz schöne Strapaze.“ „Du hast Recht“, antwortete jemand, „ich bin auch geschafft. Darf ich dich gleich zu einer erquicklichen Mahlzeit auf unsere Wiese einladen? Den fettesten Frosch überlasse ich dir.“
Erschöpft landete das Storchenpaar auf dem Nestrand. Verdutzt starrten sie auf die Ente, die ihrerseits ganz perplex und aufgeregt in dem Horst herumwatschelte. „Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Was macht ihr denn hier?“, fragte sie die beiden erstaunt.
„Du bist gut, vielleicht ist das hier unser Zuhause“, meinte der Storch und sah sich um. „Bist du etwa in unsere Wohnung gezogen?“
„Na klar, sieht man das nicht“, schnatterte Berta aufgebracht. „Ihr seid spät dran in diesem Jahr, ich habe nicht mehr mit euch gerechnet.“
„Also, so geht das nun nicht“, schaltete sich die Störchin ein, „dies ist unser Heim und außerdem bist du eine Ente, wie du weißt. Baue gefälligst deine Brutstatt im Schilf oder anderswo, wie es sich gehört.
„Ich will aber nicht, so toll wie ich wohnt keine andere“, sträubte sie sich hartnäckig.
„Wir fliegen jetzt zum Essen“, meinte der Storch entnervt, „du hast also Zeit, das Feld zu räumen. Tust du es nicht, machst du Bekanntschaft mit unseren Schnäbeln.“ Beide klapperten zur Bekräftigung um die Wette.
„So eine Unverschämtheit“, ereiferte sich Berta, „machen monatelang Urlaub im sonnigen Süden und jetzt, wo ich alles schön hergerichtet habe, kommen sie zurück und schmeißen mich raus.“ Sie schnatterte, was das Zeug hielt.
Als die Störche auf der Wiese landeten, überlegten sie hin und her, wie sie die lästige Ente ohne Gewalt loswerden könnten. Mit langen Schritten spazierten sie durch das Gras, tief im Grübeln versunken. Sie kamen zu keinem Resultat. Man würde den ungebetenen Gast hinauswerfen müssen, wenn er nicht Einsicht zeigte. Zwischendurch fingen sie sich die eine und andere Leckerei, die sie mit großem Appetit verspeisten. Plötzlich zog ein Erpel mit seinen Küken an ihnen vorbei.
„He, Enterich“, sprach der Storch ihn an, „du hast aber eine nette Familie, muss ich schon sagen, aber wo ist deine Frau?“
„Ach, Storch“, jammerte der Erpel Heinz, „welch ein Unglück. Der Fuchs hat sie geholt, was soll ich bloß machen? So viele Kinder und keine Mutter, das ist schlimm.“
„Ich hab die Lösung“, rief die Störchin erfreut, „eine Entenfrau hat unser Nest bezogen und weigert sich hartnäckig, es zu verlassen. Wie wäre es, wenn du mit deiner Kükenschar zu ihr gehst. Sicher hat sie Mitleid mit euch und versucht, dir eine gute Frau und den Kleinen eine liebe Mutter zu sein. So wäre uns beiden geholfen. Du hast eine Frau und wir unsere Ruhe. Was meinst du dazu?“ Freudig erklärte er sich dazu bereit: „Kommt Kinder, auf, auf, wir wollen uns die Dame mal aus der Nähe ansehen.“
Der Storch flog mit seiner Gefährtin wieder zurück zum Horst.
„Na, wie ist es“, fragten sie ihre Untermieterin, „ziehst du freiwillig aus?“
„Nie“, schnatterte die erbost und watschelte aufgeregt umher, „ich habe hier alles fein hergerichtet. Das ist jetzt meine Wohnung und wenn ihr mich piesacken wollt, nur zu. Ich wehre mich bis zum letzten Atemzug“, meinte sie theatralisch, und wischte mit einem der Flügel über ihre Augen.
Jetzt musste sich das Storchenpaar aber doch das Lachen verkneifen. Trotz ihrer Sturheit war diese Ente irgendwie putzig.
„Hör mal zu“, sagte die Störchin, „wir trafen beim Essen auf einen verzweifelten Erpel, der seine Frau an den Fuchs verloren hat. Nun ist er mit seinen Kindern ganz allein. Möchtest du dich nicht um ihn und die armen Kleinen kümmern?“
„Was?“, schrie Berta, „welch ein genialer Vorschlag. Ihr wollt mich bloß loswerden. Ich will hier demnächst eine eigene Familie gründen, mit dem hübschesten Entenmann weit und breit.“
„Schau doch wenigstens mal nach unten, einen hübscheren wie diesen gibt es nicht“, meinte der Storch. Widerwillig watschelte die Ente zum Nestrand. Sie starrte in die Tiefe. Dort stand der Enterich umringt von seiner Kükenschar, und sah seinerseits zu ihr hoch. Oh ja, sie war wirklich eine nette Person. „Mit ihr könnte ich es aushalten“, dachte Heinz bei sich. Er war im besten Alter und sein Gefieder schimmerte nur so in der Sonne.
„Na, der ist aber stattlich“, murmelte sie begeistert. „Die armen Kleinen, das kann der Mann ja gar nicht alleine bewältigen, da muss eine richtige Frau ran.“
Ruckartig drehte sich Berta zu dem Storchenpaar um, sie hatte sich entschieden.
„Wisst ihr was, ich probiere es mit dem netten Kerlchen da unten aus. Sofort eine komplette Familie haben ist auch nicht das Schlechteste. Es ist nur schade, dass ich meine Wohnung aufgeben muss, die Kleinen kommen ja nicht hier hoch.“
Sprach`s, und sprang auch schon aus dem Horst.
Storch und Störchin sahen sich an und lachten: „Ja, ja, wo die Liebe hinfällt. Manchmal liegt die Lösung eines Problems so nahe.“
Die beiden machten es sich gemütlich in ihrem Nest. Ihre Blicke folgten dem langsam davon watschelndem Entenpaar und den Küken. Der Erpel sah seine neue Gefährtin immer wieder bewundernd an, wenn sie die Kleinen liebevoll, aber resolut zusammenhielt.
von Dagmar Buschhauer
Fröhlich vor sich hinschnatternd besserte Frau Ente das Storchennest auf dem Gutshaus aus. Ja, hier hatte sie ein feines Plätzchen für ihr Nest gefunden. Viel Raum, für die hoffentlich zahlreichen Küken, und eine Aussicht, davon träumten die anderen nur. Vor dem Fuchs musste sie sich auch nicht fürchten, so hoch kommt selbst der nicht. Zufrieden schaute sie über die Dächer ringsum. Bei dem übrigen Geflügel war sie Gesprächsthema Nummer eins. Alle hielten sie für ein wenig verrückt. Welche normale Ente baut schon ihr Nest in einem Horst, und was, wenn das Storchenpaar von seiner Reise zurückkommt? Berta machte sich nichts draus, die anderen waren ja nur neidisch. Bestimmt würde sie mit diesem außergewöhnlichen Brutplatz auch einen schicken Erpel abbekommen. Bei dem Gedanken sprang sie auf und überprüfte nochmals ihre Arbeit, schließlich sollte alles perfekt sein.
Eines Tages, in aller Frühe, hörte Berta sich nähernde Stimmen. „Ach, Schatz, ich bin froh, wieder zu Hause zu sein. Der lange Flug ist doch eine ganz schöne Strapaze.“ „Du hast Recht“, antwortete jemand, „ich bin auch geschafft. Darf ich dich gleich zu einer erquicklichen Mahlzeit auf unsere Wiese einladen? Den fettesten Frosch überlasse ich dir.“
Erschöpft landete das Storchenpaar auf dem Nestrand. Verdutzt starrten sie auf die Ente, die ihrerseits ganz perplex und aufgeregt in dem Horst herumwatschelte. „Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Was macht ihr denn hier?“, fragte sie die beiden erstaunt.
„Du bist gut, vielleicht ist das hier unser Zuhause“, meinte der Storch und sah sich um. „Bist du etwa in unsere Wohnung gezogen?“
„Na klar, sieht man das nicht“, schnatterte Berta aufgebracht. „Ihr seid spät dran in diesem Jahr, ich habe nicht mehr mit euch gerechnet.“
„Also, so geht das nun nicht“, schaltete sich die Störchin ein, „dies ist unser Heim und außerdem bist du eine Ente, wie du weißt. Baue gefälligst deine Brutstatt im Schilf oder anderswo, wie es sich gehört.
„Ich will aber nicht, so toll wie ich wohnt keine andere“, sträubte sie sich hartnäckig.
„Wir fliegen jetzt zum Essen“, meinte der Storch entnervt, „du hast also Zeit, das Feld zu räumen. Tust du es nicht, machst du Bekanntschaft mit unseren Schnäbeln.“ Beide klapperten zur Bekräftigung um die Wette.
„So eine Unverschämtheit“, ereiferte sich Berta, „machen monatelang Urlaub im sonnigen Süden und jetzt, wo ich alles schön hergerichtet habe, kommen sie zurück und schmeißen mich raus.“ Sie schnatterte, was das Zeug hielt.
Als die Störche auf der Wiese landeten, überlegten sie hin und her, wie sie die lästige Ente ohne Gewalt loswerden könnten. Mit langen Schritten spazierten sie durch das Gras, tief im Grübeln versunken. Sie kamen zu keinem Resultat. Man würde den ungebetenen Gast hinauswerfen müssen, wenn er nicht Einsicht zeigte. Zwischendurch fingen sie sich die eine und andere Leckerei, die sie mit großem Appetit verspeisten. Plötzlich zog ein Erpel mit seinen Küken an ihnen vorbei.
„He, Enterich“, sprach der Storch ihn an, „du hast aber eine nette Familie, muss ich schon sagen, aber wo ist deine Frau?“
„Ach, Storch“, jammerte der Erpel Heinz, „welch ein Unglück. Der Fuchs hat sie geholt, was soll ich bloß machen? So viele Kinder und keine Mutter, das ist schlimm.“
„Ich hab die Lösung“, rief die Störchin erfreut, „eine Entenfrau hat unser Nest bezogen und weigert sich hartnäckig, es zu verlassen. Wie wäre es, wenn du mit deiner Kükenschar zu ihr gehst. Sicher hat sie Mitleid mit euch und versucht, dir eine gute Frau und den Kleinen eine liebe Mutter zu sein. So wäre uns beiden geholfen. Du hast eine Frau und wir unsere Ruhe. Was meinst du dazu?“ Freudig erklärte er sich dazu bereit: „Kommt Kinder, auf, auf, wir wollen uns die Dame mal aus der Nähe ansehen.“
Der Storch flog mit seiner Gefährtin wieder zurück zum Horst.
„Na, wie ist es“, fragten sie ihre Untermieterin, „ziehst du freiwillig aus?“
„Nie“, schnatterte die erbost und watschelte aufgeregt umher, „ich habe hier alles fein hergerichtet. Das ist jetzt meine Wohnung und wenn ihr mich piesacken wollt, nur zu. Ich wehre mich bis zum letzten Atemzug“, meinte sie theatralisch, und wischte mit einem der Flügel über ihre Augen.
Jetzt musste sich das Storchenpaar aber doch das Lachen verkneifen. Trotz ihrer Sturheit war diese Ente irgendwie putzig.
„Hör mal zu“, sagte die Störchin, „wir trafen beim Essen auf einen verzweifelten Erpel, der seine Frau an den Fuchs verloren hat. Nun ist er mit seinen Kindern ganz allein. Möchtest du dich nicht um ihn und die armen Kleinen kümmern?“
„Was?“, schrie Berta, „welch ein genialer Vorschlag. Ihr wollt mich bloß loswerden. Ich will hier demnächst eine eigene Familie gründen, mit dem hübschesten Entenmann weit und breit.“
„Schau doch wenigstens mal nach unten, einen hübscheren wie diesen gibt es nicht“, meinte der Storch. Widerwillig watschelte die Ente zum Nestrand. Sie starrte in die Tiefe. Dort stand der Enterich umringt von seiner Kükenschar, und sah seinerseits zu ihr hoch. Oh ja, sie war wirklich eine nette Person. „Mit ihr könnte ich es aushalten“, dachte Heinz bei sich. Er war im besten Alter und sein Gefieder schimmerte nur so in der Sonne.
„Na, der ist aber stattlich“, murmelte sie begeistert. „Die armen Kleinen, das kann der Mann ja gar nicht alleine bewältigen, da muss eine richtige Frau ran.“
Ruckartig drehte sich Berta zu dem Storchenpaar um, sie hatte sich entschieden.
„Wisst ihr was, ich probiere es mit dem netten Kerlchen da unten aus. Sofort eine komplette Familie haben ist auch nicht das Schlechteste. Es ist nur schade, dass ich meine Wohnung aufgeben muss, die Kleinen kommen ja nicht hier hoch.“
Sprach`s, und sprang auch schon aus dem Horst.
Storch und Störchin sahen sich an und lachten: „Ja, ja, wo die Liebe hinfällt. Manchmal liegt die Lösung eines Problems so nahe.“
Die beiden machten es sich gemütlich in ihrem Nest. Ihre Blicke folgten dem langsam davon watschelndem Entenpaar und den Küken. Der Erpel sah seine neue Gefährtin immer wieder bewundernd an, wenn sie die Kleinen liebevoll, aber resolut zusammenhielt.