Die Geschichte von Friedhelm - Erich Mittelgöcker

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Hagen

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Die Geschichte von Friedhelm - Erich Mittelgöcker

Immer wenn meine ehemalige Freundin Rita ganz begeistert von den Fähigkeiten eines gewissen Shirdi Sai Baba erzählt, der in der Lage ist, Asche aus seinen Ärmeln rieseln zu lassen, fällt mir der Radio und Fernsehtechniker Friedhelm - Erich Mittelgöcker ein, der es trotz seiner paranormalen Fähigkeiten nur zu bescheidenem Wohlstand in einer kleinen Vertragswerkstatt südlich Gummersbachs gebracht hat. Friedhelm - Erich Mittelgöcker wurde im Jahre 1950 in Donau-Eschingen geboren und war zunächst ein ganz normales Kind. Bald aber konsternierte der Heranwachsende seine Eltern mit der Weigerung, unterirdisch gewachsenes, wie Kartoffeln, Steckrüben oder Möhren zu essen.
In der Schule waren die anderen Kinder von seiner Fähigkeit fasziniert, Comic-Hefte und Glasmurmeln aus einer leeren Tasche hervorzuzaubern.
Ungeachtet dieser frühen Hinweise auf eine besondere Veranlagung Friedhelm – Erichs hoffte seine Familie, dass er die mittlere Beamtenlaufbahn einschlagen würde. Stattdessen aber widerfuhr ihm in seinem 14. Lebensjahr etwas seltsames, das einen dramatischen Wendepunkt in seinem Leben darstellte.
Als der Fernseher der Familie Mittelgöcker kurz nach Ablauf der Garantiezeit eines Abends während einer Folge der Serie “Stahlnetz“ ausfiel, schraubte Friedhelm - Erich Mittelgöcker die Rückwand des Fernsehempfängers ab und öffnete den Hochspannungskäfig. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass Friedhelm - Erich Mittelgöcker am gleichen Tag gegen 17 Uhr plötzlich von einer seltsamen Unruhe gepackt worden war, die ihn veranlasste, in das örtliche Elektrofachgeschäft zu gehen und dort eine Hochspannungsgleichrichterröhre vom Typ DY 86 zu erwerben. Zu diesem Zeitpunkt hatte Friedhelm - Erich noch keine Ahnung von der Funktion eines Fernsehgerätes.
Trotzdem wechselte er die Hochspannungsgleichrichterröhre fachmännisch aus, schloss den Hochspannungskäfig und nahm den Fernsehempfänger wieder in Betrieb. Da die Rückwand noch geöffnet war, korrigierte Friedhelm – Erich den Sitz des lonenfallenmagneten und stellte Bildbreite sowie Zeilenlinearität neu ein. Als er die Bildlinearität unten geringfügig nachstellen wollte, erhielt er einen leichten elektrischen Schlag, den weder ihn noch seine Eltern weiter beunruhigte, da die Familie wenigstens das Ende des Filmes verfolgen wollte.
Am nächsten Morgen jedoch weigerte sich Friedhelm - Erich in die Schule zu gehen. Er blieb in seinem Zimmer und begann zu zeichnen: Die Schaltungen langsamer Logiken, wie sie erst in den frühen siebziger Jahren in Großcomputern zum Einsatz gebracht wurden. Diese Schaltungen gingen sowohl über den damaligen Technologiestandard, als auch über den Wissensstand des Heranwachsenden weit hinaus.
Seine besorgten Eltern konsultierten mehrere Ärzte, die sich jedoch, anstatt ihm Medikamente zu verschreiben, von Friedhelm - Erich Mittelgöcker ihre Fernseher und Radios reparieren ließen.
Als der Inhaber des örtlichen Elektrofachgeschäftes einen spürbaren Rückgang der Serviceleistungen feststellte, ging er diesem Phänomen nach und fand Friedhelm - Erich Mittelgöcker auf dem Dach des Hauses seiner Englischlehrerin, der er als Gegenleistung für die gute Zensur der letzten Vokabelarbeit eine Fernsehempfangsantenne für den VHF-Bereich montierte. Seltsamerweise sind noch bis heute mit dieser Antenne die Programme von ARD und ZDF sowie sämtliche Satelliten - und Kabelprogramme in HD-Qualität zu empfangen.
Da allerdings einige südamerikanische Fernsehstationen zeitweise von einem leichten Rauschen überlagert wurden, sah sich die nicht nur technisch völlig unbedarfte Englischlehrerin veranlasst, Friedhelm - Erichs Zeugniszensur um eine Note herunterzusetzen, was ihm die mittlere Reife kostete.
Trotzdem nahm ihn der örtliche Elektrofachhändler in die Lehre. Dort kam es in den ersten Tagen zu einem besonders beeindruckenden Ereignis: Friedhelm - Erich Mittelgöcker sollte Relais prüfen und sortieren. Dabei geschah es, dass funktionstüchtige Relais anzogen, wenn Friedhelm - Erich es mit starker Gedankenkraft von ihnen verlangte.
Diese Fähigkeit wurde von dem Schwager des Elektrofachhändlers der Presse vorgeführt und Friedhelm - Erich ließ im Beisein von vereidigten Sachverständigen Relais mittels Gedankenkraft anziehen. Einige namenhafte Relaishersteller verboten Friedhelm – Erich Mittelgöcker daraufhin per Gerichtsbeschluss den Umgang mit ihren Produkten, weil eine Fachzeitschrift diese Relais als nicht ‘telekeniesicher‘ bezeichnete.
Ein Jahr später geriet Friedhelm - Erich Mittelgöcker erneut in die Mühlen der Justiz, weil er in der Lage war, sämtliche Fernsehprogramme mit allen Senderausfällen, Überziehungen der Moderatoren und kurzfristigen Programmänderungen wegen wichtiger Sportveranstaltungen auf Monate hinaus vorauszusagen. Weiterhin war Friedhelm - Erich Mittelgöcker auch in der Lage, bei Quizsendungen und Sportveranstaltungen den Sieger und bei Krimis noch vor Drehbeginn den Täter vorauszusagen.
Anstatt sich eine Programmzeitschrift zu kaufen, fragte man einfach Friedhelm - Erich, was nicht nur den Betreiber des örtlichen Kiosks gegen ihn aufbrachte, auch die Juristen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten wurden auf Friedhelm - Erich Mittelgöcker aufmerksam und untersagten ihm, seine Fähigkeiten in diese Richtung zu aktivieren.
Mit Erreichen des achtzehnten Lebensjahres schließlich trat Friedhelm - Erich Mittelgöcker der freiwilligen Feuerwehr bei und war dort sehr gerne gesehen, weil er in der Lage war, Brände vorauszuahnen. Durch die Fähigkeiten Friedhelm - Erich Mittelgöckers war die örtliche freiwillige Feuerwehr in der Lage, vor Ausbrechen eines Brandes vor Ort zu sein. Vielfach blieb den Feuerwehrmännern sogar genügend Zeit, die Schläuche auszurollen und mit dem C-Rohr in der Hand auf das Ausbrechen des Brandes zu warten.
Kurz vor dem Erreichen seines zweiundzwanzigsten Lebensjahres wollte Friedhelm - Erich Mittelgöcker die damals zwanzigjährige Jessica Lohmüller, Tochter des Rangiermeisters Erwin Lohmüller heiraten und verlobte sich mit ihr.
Während des Polterabends jedoch befiel Friedhelm - Erich Mittelgöcker die Ahnung, dass in dem Haus der verwitweten Eularia Bentheimer in Kürze ein Wohnungsbrand ausbrechen würde.
Friedhelm - Erich Mittelgöcker bemächtigte sich daraufhin des Einsatzwagens der freiwilligen Feuerwehr und setzte Teile der Wohnung Eularia Bentheimers vorsorglich unter Wasser, da sich alle anderen Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr auf Friedhelm - Erich Mittelgöckers Polterabend und somit im Zustand fortgeschrittener Trunkenheit befanden. Jessica Lohmüller sagte darauf die Eheschließung vorläufig ab, Eularia Bentheimer erstattete Anzeige und Friedhelm - Erich Mittelgöcker wurde im darauf folgenden Verfahren der Sachbeschädigung und des groben Unfuges für schuldig befunden, worauf Jessica auch die Verlobung löste.
Dass in dem Haus Eularia Bentheimers an bewusstem Abend ein bekannter Pyromane mit gezückten Streichhölzern angetroffen wurde, erschien dem Gericht ohne Belang.
Weiterhin darf der Fall des Freundschaftsspiels Sportfreunde Achim-Baden gegen die Thekenmannschaft des Drööhnläänd, der auf dem Bierdener Sportplatz ausgetragen wurde, nicht unerwähnt bleiben.
Zusammen mit Herrn Daniel Dachtewitz wohnte Friedhelm – Erich Mittelgöcker diesem Spiel bei. Beide hatten eine bereits angearbeitete Palette Hansa-Pils mit. Nach Zeugenaussagen erschienen die beiden Herren bereits leicht betrunken und nahmen bis zum Anpfiff des Spiels jeweils noch weitere zwei Dosen Hansa-Pils 'auf den Sport' zu sich. Als sie ein weiterer Zuschauer um ein Bier bat, händigte ihm Friedhelm - Erich eine Dose aus der angebrochenen Palette aus. Ein weiterer Sportsfreund bekam die Schenkung mit und bat Friedhelm - Erich auch um ein Bier. Als dieser der Bitte nachkam, geriet die Situation etwas außer Kontrolle, denn jeder wollte jetzt ein Bier haben; - und Friedhelm - Erich hatte bis zur ersten Halbzeit fast zweitausend Dosen Hansa-Pils aus seiner angebrochenen Palette verschenkt.
Zum Eklat kam es, als der Platzwart nach dem Abpfiff mehr als 5000 leere Bierdosen entsorgen musste, was Friedhelm - Erich Mittelgöcker ein Platzverbot auf Lebenszeit einbrachte.
Seit dieser Zeit setzt Friedhelm - Erich Mittelgöcker seine paranormalen Fähigkeiten nur zögernd ein, was die Vermutung aufkommen lässt, dass er auf Grund falschen Managements zu Depressionen neigt.
 

Hagen

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Hallo Flamarion,

die letzte Szene mit dem Bier war eine Anspielung auf Jesus Christus (Speisung der 5000!).
Es tut mir leid, wenn es bei Dir nicht so rübergekommen ist.

Liebe Grüße
yours Hagen


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nichts endet wie geplant!
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Ja, mein Hagen. Ich bin auch einer der Begnadeten, die Dinge vorausahnen können. Jeden Tag, pünktlich um 11, um 17 und um 2:30 Uhr bekomme ich die Eingebung, dass mein Magen bald durch Knurren Unmut kundtun wird.

Eine amüsante Story der ausgefallenen Art mit deutlichem Hagenwitz. Ein klein wenig muss ich aber flammarion rechtgeben. In der letzten Szene hätte ich auch eine etwas deutlichere Pointe erwartet.

Nichts desto trotz: Bisch a Fässle (schwäbisch für: gut gemacht) .... Ironbiber
 

Hagen

Mitglied
Hallo mein Eisenbiber,

danke erstmal für's Lob!
Du bist also auch ein 'Nachtarbeiter', genau wie ich.
Und dazu noch ein 'Seher'!
Ich verneige mich vor Dir.

Bei mir haut das leider nicht so hin. Als bekennender Fan von
'Verbotener Liebe' bin ich leider nicht in der Lage, den Ausfall einer Sendung wegen blöder Sportübertragungen oder was auch immer, vorauszusagen.

Na denn; - ich muss jetzt los, eine Fernsehzeitung kaufen.
Viele liebe Grüße
yours Hagen

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