Die Hyäne

Die Hyäne

Eine Geschichte über das deutsche Bildungssystem und über ein Biest mit Mundgeruch

„Freunde, ein Tier mit Ä! Mit Ä, Freunde! Das kann doch nicht so schwer sein. Wer hat die richtige Lösung?“ Fragend starrt der Moderator der Quizshow in die Kamera. Dann dreht er sich erneut seiner Magnettafel zu, auf der zu in Großbuchstaben zu lesen ist: Gesucht wird ein afrikanisches Tier mit Ä!
Der Moderator schüttelt den Kopf. Lispelnd sagt er: „Das kann doch nicht so schwer sein, Freunde. Ihr müsst nur anrufen und eine der Leitungen- 2, 5, 6, 18- erwischen. Also, wer ist in der Leitung?“
Sekunden vergehen. Im Studio ist es still. Nur der Hotbutton piept wie eine Zeitbombe.
Schließlich beginnt der Moderator von neuem: „Walter, also ich weiß ja nicht. Ich komme da nicht drauf. Und wenn ich da nicht drauf komme, kommen die Zuschauer da sowieso nicht drauf. Wie wäre es mit einem Tipp?“
Walter aus der Regie barsch: „Tipp ist nicht!“
„Kein Tipp? Du weißt aber schon, dass wir das hier schon seit fünf Stunden spielen. Werden meine Überstunden eigentlich bezahlt? Und außerdem ist mir langweilig!“, sagt der Moderator trotzig. Seine Tonlage hat, die eines sechsjährigen Mädchens angenommen, der man gerade den Lolli weggenommen hat.
„Okay, okay. Überredet, Dennis. Der erste Buchstabe ist ein H.“
„Anfangsbuchstabe ein H? Ein anderer Buchstabe ein Ä. Verstehe ich nicht, Walter. Für mich ist das alles Hä.“ Dennis kichert.
Walter ignoriert Dennis und brüllt in sein Mikrofon: „Wir machen den Hotbuttonmodus. Ab jetzt vierzig Sekunden…“
Jetzt ist Dennis wieder in seinem Element. „Vierzig Sekunden, meine Freunde. Ruft an. Zwei Geldpakete warten auf euch.“
Nachdem der Countdown abgelaufen ist brüllt Dennis in die Kamera: „Wer ist in der Leitung?“ Stille.
„Du Dennis. Es ist niemand in der Leitung. Ich gebe noch zwei Tipps. Der zweite Buchstabe ist ein Y und der vierte ein N.“, erklärt Walter aus dem Off.
Dennis überlegt kurz. „Hyän. Was ist das den für ein Tier? Kenne ich nicht.“
„Ja, weil da ein E am Ende fehlt, du Idiot! Scheiße jetzt habe ich’s verraten!“ Es knackt in der Leitung. Walter kocht.
Dennis verteidigt sich. Erstens man solle ihn keinen Idioten nennen, zweitens kenne er keine Hyäne. Man solle es ihm doch einfacher machen. Hund wäre gut. Oder Katze. Wellensittich ist im Grenzbereich. „Beißt der?“ fragt Dennis, doch Walter unterbricht ihn. „Wir nehmen ein neues Tier. Hör zu.“
Es ist ruhig im Studio. Walter verrät Dennis das Tier durch einen Knopf im Ohr.
„Alles klar, hab ich verstanden.“, erklärt Dennis und fragt Walter im gleichen Atemzug: „Schreibt man Elefant mit D am Ende?“

Ich drücke den roten Knopf auf der Fernbedienung und stehe auf. Ich möchte auf die Toilette gehen. Nach zirka 18 Stunden dieser leichten Fernsehkost ist mir danach. Mein Versuch scheitert jedoch an einigen leeren Bierfalschen, angesammelt durch meinen „Liebesfrust“. Man sagt Männern ja nach, dass sie sich nach einer Trennung in eine Höhle zurückziehen und niemanden an sich heran lassen. Bei mir ist es genau anders herum. Aber das ist jetzt auch egal und geht Sie, lieber Leser, herzlich wenig an.
Also ich stolpere über diese Flaschen, verliere mein Gleichgewicht und schlage mit dem Kopf fast auf der Tischkante auf. Ich weiß nicht ob es schlimm gewesen wäre, aber sie hätte dann an meinem Grab gestanden und Trauer vorgeheuchelt. Und das wäre schlimm gewesen. Fast wäre sie Witwe geworden. Die Arme.
Ich rappele mich auf und gehe nun endlich auf die Toilette. Dort liegt eine Fernsehzeitung, die ich aufschlage. Auf einem Sender läuft heute „Die Schöne und das Biest“. Mit der Zeitung unterm Arm kehre ich in das Wohnzimmer zurück um mit Hilfe eines Kugelschreibers, den Film in „Der Schöne und das Biest um“ umzubenennen. So viel Zeit muss sein!
Ein Donnern und die ersten Regentropfen, die gegen die Fensterscheiben prasseln, erregen meine Aufmerksamkeit. Ich schalte erneut den Fernseher ein und werde Zeuge wie Dennis an einer Giraffe scheitert.
 



 
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