Die Jacke

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Shawn Gut

Mitglied
Das einzige was mir von ihr blieb war ihre Jacke.

Sie hatte es scheinbar so eilig, aus meinem Leben zu verschwinden, dass ihr selbst ihre Jacke, die sie so gern getragen hat, egal war.

Zuerst habe ich dies natürlich nicht so gedeutet.
Für mich war es ein Zeichen dafür, dass sie wiederkommen würde, als wolle sie sich eine Hintertür offenhalten, einen unschuldigen Grund mich wiedersehen zu können. All meine Liebe, meine Hoffnung, meinen Schmerz, mein Leid, meinen Hass, meinen Neid, wob mein Herz in diese, ihre Jacke.

Und so wurde ihre Jacke zu meiner Reliquie.

Jeder Blick auf dieses Kleidungsstück, ließ ein tödliches Gemisch aus Erinnerungen in meinem Herzen explodieren.

Von Zeit zu Zeit, nahm ich die Jacke von ihrem Haken, legte mich auf mein Bett und bedeckte mit der Jacke mein Gesicht. Die Dunkelheit und ihr Geruch, der in ihrer Jacke konserviert wurde, wirkten stärker als jede Droge - Sie katapultierten mich in eine ferne, schönere Welt. Eine Welt, wie es sie nicht mehr gibt. Eine Traumwelt, mit meinem Mädchen und mir, als einzigen Bewohnern.

So zog die Zeit ins Land und meine Hoffnung, ihre Jacke wäre ihr Weg zurück zu mir, schwand und schwand. Also versuchte ich, mein Leben weiterzuleben. Die Jacke hing weiterhin an ihrem Platz.

Eines Abends, war ich auf einem Geburtstag einer guten Freundin eingeladen. Es war ein gemütliches Sit-In und deshalb hatte ich die Möglichkeit, mit einer alten Freundin von ihr, ins Gespräch zu kommen. Sie war zwei Jahre jünger als ich, studierte Germanistik, war nicht dumm, hatte Humor und ein charmantes Lächeln, welches von zwei süßen Grübchen garniert wurde. Wir unterhielten uns den ganzen Abend sehr angeregt über verschiedenste Themen und sie brachte mich, was nicht oft bei Frauen der Fall ist, zum Lachen.
Als wir uns verabschiedeten, fragte sie mich, ob wir uns in der kommenden Woche, vielleicht irgendwann mal, zum Kaffeetrinken treffen wollen und ich stimmte zu.

Auf dem Rückweg zu meiner Wohnung, dachte ich viel an den Abend, die Themen, über die wir gesprochen hatten und ihr Art, die mich sofort in Beschlag nahm. Ich mochte sie. Sehr.
Als ich meine Wohnung betrat und mich auf meine Couch setzte, erblickte ich die Jacke.
Augenblicklich verschluckten meine Erinnerungen die Eindrücke des Abends und vergruben die Erlebnisse der letzten Stunden, unter dem Mantel der Bedeutungslosigkeit. Ich war wieder bei ihr.

Doch, so schön meine Traumwelt war und so gut sie mir Zuflucht gebot, so sehr fraß sie mein wirkliches Leben. Entzog meinem Körper die Kraft, raubte mein Glück. Ich merkte, dass ich ihr entfliehen musste.

Ich stand auf, nahm die Jacke von ihrem Haken und verstaute sie in einer Schublade. Dann legte ich mich in mein Bett und schlief einen traumlosen Schlaf.
Am nächsten morgen wurde ich von einer SMS geweckt, in der mich das Mädchen vom Vorabend fragte, ob ich denn heute schon etwas vor hätte. Ich fasste den Plan, mir beim Frühstück darüber Gedanken zu machen und stand auf.
Zuerst nahm ich es nicht wahr, da es zu einem Teil meines Lebens geworden war, doch als ich das erste Mal in mein Schinkenbrötchen biss, blieb es mir im Halse stecken. Die Jacke hing wieder an ihrem Platz.

Ich zweifelte kurz an meinem Verstand, denn ich war mir sicher, dass ich sie abends in die Schublade gelegt hatte. Ich stand auf und betrachtete die Jacke, als hätte ich sie zum ersten Mal gesehen. Ich berührte sie und roch an ihr. Es war alles beim alten, nichts hatte sich geändert. Das konnte nicht sein. Soviel hatte ich gestern gar nicht getrunken, dass ich mir all das, eingebildet haben sollte. Ich nahm die Jacke erneut vom Haken und verstaute sie wieder in der Schublade. Sie hatte mich wieder zurück. Die SMS vergaß ich völlig.

Ich verbrachte den Rest des Tages, so wie ich sie alle in den letzten Monaten vebracht hatte. Ich schaute ein paar Filme, trieb mich im Internet rum, trank diversen Alkohol, rauchte Unmengen an Gras und holte mir Einen runter, bevor ich ins Bett ging. Ich ließ nichts aus, was mich irgendwie von meinem Gefühl ablenken konnte. Irgendwann schlief ich, während ich einen uninteressanten Film, im Fernsehen schaute, ein und wurde irgendwann, am folgenden Nachmittag, wieder wach. Ich hob den Kopf und musste mich zuerst orientieren, da ich normalerweise nicht auf der Couch schlafe. Ich setzte mich auf und schaute mich um. Misstrauisch wanderte mein Blick zur Tür.

Die Jacke war wieder an ihrem Platz.

Ich versuchte es noch zwei, drei Male die Jacke in ihre Schublade zu sperren, ich warf sie in den Müll, Schnitt sie in Stücke, übergoss sie mit Benzin und zündete sie an.

Es wurde mein neuer Lebensinhalt. Ich musste diese Jacke vernichten. Koste es was es wolle.

Doch es half alles nichts. Am Anfang des nächsten Tages hing sie, fast schon provozierend, gerade so, als würde sie heimlich über mich lachen, wieder an meiner Tür. Ich versuchte es fortan nicht weiter und ergab mich meinem Schicksal.

Ein Jahr war vergangen und meine gute Freundin, feierte abermals ihren Geburtstag. Als ich mich für den Abend zurechtmachte und unter der Dusche stand, fiel mir das Mädchen von letztem Jahr wieder ein. Verdammt! Warum hatte ich ihr damals nicht geantwortet? Ich fragte mich, ob ich sie heute Abend wieder treffen würde.

Sie war noch genauso hinreißend, wie vor einem Jahr und zum Glück nahm sie es mir nicht übel, dass ich mich nicht gemeldet hatte. Der Abend verlief ähnlich wie der letzte, nur dass ich sie diesmal nach Hause begleitete und wir uns zum Abschied küssten. Mein Grinsen, dass mich auf dem Heimweg begleitete, sollte mich auch noch ins Bett verfolgen.

Am nächsten Morgen stand ich auf und ging, wie gewohnt, in mein Wohnzimmer. Irgendetwas fühlte sich jedoch komisch an, irgendetwas fehlte. Ich schaute mich um. Es war alles beim alten, meine Couch stand an ihrem Platz, und auch mein Tisch, mein Schrank, meine Bücher, meine Bilder. Alles war so, wie ich es den Abend zuvor hinterlassen hatte. Aber dennoch.
Ich ging durch den Raum und schaute aus meinem Fenster. Am Horizont konnte ich die ersten Strahlen der Sonne ausmachen.
Es würde ein schöner Tag werden.

Ich drehte mich um und dann sah ich, was mein Gefühl hervorgerufen hat.

Ihre Jacke - Sie war verschwunden.
 
K

KaGeb

Gast
Herzlich willkommen, Shawn Gut, und viel Spass hier, in der LeLu.

Zu deinem Text: Nicht schlecht, aber m.M.n. stark ausbaufähig. In der vorliegenden Form (ohne weitreichendere Erklärung)erinnert´s doch stark an "... und täglich grüßt das Murmeltier".

Gruß
 
P

Pagina

Gast
Hallo Shawn Gut@,

mir gefällt deine Geschichte sehr gut.

Was wäre, wenn statt des Irrealen ständigen Entsorgens/wieder Auftauchens das Problem des Protas deutlicher würde, sie nicht entsorgen zu können - er möchte, aber kann es nicht.Ist wütend, hasst sie/sich, leidet, ist gelähmt, aber sieht sich Ausserstande...weil sie ja nochmal zurückkehren könnte, sollte, müßte...
Bis dann die Neue auftaucht und er das Ding leicht vom Haken bekommt und im Müll (der Geschichte) entsorgen kann?
Die Überschrift ist m.E. zu lang. Wie wärs mit:" Was von ihr blieb" oder nur "die Jacke"
 

Shawn Gut

Mitglied
@Kageb

Danke..werd ich haben ^^

Danke für das Feedback, aber nur weil EIN element dort immer wieder auftaucht, denke ich nicht, dass es sehr große Ähnlichkeit mit UtgdM hat. Vor allem, weil der Kern der Geschichte ein komplett anderer ist. Wenn du weiteregehende Verbesserungsvorschläge hast, so wäre ich dir dankbar :)

@Pagina

Freut mich schonmal, dass dir die Geschichte gefällt :)

Die Anregung ist durchaus gut, aber dann würde mir der passive Aspekt, also die Tatsache, dass er nunmal NICHT Herr der Sache (Jacke) ist, nicht so deutlich rüberkommen.
Und das mit dem Titel...das hab ich vercheckt, ich dachte die Forenüberschrift wäre gleichsbedeutend mit dem Titel der Gescichte, was dann tatsächlich einfach nur "Die Jacke" wäre :)
 

Shawn Gut

Mitglied
Die Jacke​

Das einzige was mir von ihr blieb war ihre Jacke.

Sie hatte es scheinbar so eilig, aus meinem Leben zu verschwinden, dass ihr selbst ihre Jacke, die sie so gern getragen hat, egal war.

Zuerst habe ich dies natürlich nicht so gedeutet.
Für mich war es ein Zeichen dafür, dass sie wiederkommen würde, als wolle sie sich eine Hintertür offenhalten, einen unschuldigen Grund mich wiedersehen zu können. All meine Liebe, meine Hoffnung, meinen Schmerz, mein Leid, meinen Hass, meinen Neid, wob mein Herz in diese, ihre Jacke.

Und so wurde ihre Jacke zu meiner Reliquie.

Jeder Blick auf dieses Kleidungsstück, ließ ein tödliches Gemisch aus Erinnerungen in meinem Herzen explodieren.

Von Zeit zu Zeit, nahm ich die Jacke von ihrem Haken, legte mich auf mein Bett und bedeckte mit der Jacke mein Gesicht. Die Dunkelheit und ihr Geruch, der in ihrer Jacke konserviert wurde, wirkten stärker als jede Droge - Sie katapultierten mich in eine ferne, schönere Welt. Eine Welt, wie es sie nicht mehr gibt. Eine Traumwelt, mit meinem Mädchen und mir, als einzigen Bewohnern.

So zog die Zeit ins Land und meine Hoffnung, ihre Jacke wäre ihr Weg zurück zu mir, schwand und schwand. Also versuchte ich, mein Leben weiterzuleben. Die Jacke hing weiterhin an ihrem Platz.

Eines Abends, war ich auf einem Geburtstag einer guten Freundin eingeladen. Es war ein gemütliches Sit-In und deshalb hatte ich die Möglichkeit, mit einer alten Freundin von ihr, ins Gespräch zu kommen. Sie war zwei Jahre jünger als ich, studierte Germanistik, war nicht dumm, hatte Humor und ein charmantes Lächeln, welches von zwei süßen Grübchen garniert wurde. Wir unterhielten uns den ganzen Abend sehr angeregt über verschiedenste Themen und sie brachte mich, was nicht oft bei Frauen der Fall ist, zum Lachen.
Als wir uns verabschiedeten, fragte sie mich, ob wir uns in der kommenden Woche, vielleicht irgendwann mal, zum Kaffeetrinken treffen wollen und ich stimmte zu.

Auf dem Rückweg zu meiner Wohnung, dachte ich viel an den Abend, die Themen, über die wir gesprochen hatten und ihr Art, die mich sofort in Beschlag nahm. Ich mochte sie. Sehr.
Als ich meine Wohnung betrat und mich auf meine Couch setzte, erblickte ich die Jacke.
Augenblicklich verschluckten meine Erinnerungen die Eindrücke des Abends und vergruben die Erlebnisse der letzten Stunden, unter dem Mantel der Bedeutungslosigkeit. Ich war wieder bei ihr.

Doch, so schön meine Traumwelt war und so gut sie mir Zuflucht gebot, so sehr fraß sie mein wirkliches Leben. Entzog meinem Körper die Kraft, raubte mein Glück. Ich merkte, dass ich ihr entfliehen musste.

Ich stand auf, nahm die Jacke von ihrem Haken und verstaute sie in einer Schublade. Dann legte ich mich in mein Bett und schlief einen traumlosen Schlaf.
Am nächsten morgen wurde ich von einer SMS geweckt, in der mich das Mädchen vom Vorabend fragte, ob ich denn heute schon etwas vor hätte. Ich fasste den Plan, mir beim Frühstück darüber Gedanken zu machen und stand auf.
Zuerst nahm ich es nicht wahr, da es zu einem Teil meines Lebens geworden war, doch als ich das erste Mal in mein Schinkenbrötchen biss, blieb es mir im Halse stecken. Die Jacke hing wieder an ihrem Platz.

Ich zweifelte kurz an meinem Verstand, denn ich war mir sicher, dass ich sie abends in die Schublade gelegt hatte. Ich stand auf und betrachtete die Jacke, als hätte ich sie zum ersten Mal gesehen. Ich berührte sie und roch an ihr. Es war alles beim alten, nichts hatte sich geändert. Das konnte nicht sein. Soviel hatte ich gestern gar nicht getrunken, dass ich mir all das, eingebildet haben sollte. Ich nahm die Jacke erneut vom Haken und verstaute sie wieder in der Schublade. Sie hatte mich wieder zurück. Die SMS vergaß ich völlig.

Ich verbrachte den Rest des Tages, so wie ich sie alle in den letzten Monaten vebracht hatte. Ich schaute ein paar Filme, trieb mich im Internet rum, trank diversen Alkohol, rauchte Unmengen an Gras und holte mir Einen runter, bevor ich ins Bett ging. Ich ließ nichts aus, was mich irgendwie von meinem Gefühl ablenken konnte. Irgendwann schlief ich, während ich einen uninteressanten Film, im Fernsehen schaute, ein und wurde irgendwann, am folgenden Nachmittag, wieder wach. Ich hob den Kopf und musste mich zuerst orientieren, da ich normalerweise nicht auf der Couch schlafe. Ich setzte mich auf und schaute mich um. Misstrauisch wanderte mein Blick zur Tür.

Die Jacke war wieder an ihrem Platz.

Ich versuchte es noch zwei, drei Male die Jacke in ihre Schublade zu sperren, ich warf sie in den Müll, Schnitt sie in Stücke, übergoss sie mit Benzin und zündete sie an.

Es wurde mein neuer Lebensinhalt. Ich musste diese Jacke vernichten. Koste es was es wolle.

Doch es half alles nichts. Am Anfang des nächsten Tages hing sie, fast schon provozierend, gerade so, als würde sie heimlich über mich lachen, wieder an meiner Tür. Ich versuchte es fortan nicht weiter und ergab mich meinem Schicksal.

Ein Jahr war vergangen und meine gute Freundin, feierte abermals ihren Geburtstag. Als ich mich für den Abend zurechtmachte und unter der Dusche stand, fiel mir das Mädchen von letztem Jahr wieder ein. Verdammt! Warum hatte ich ihr damals nicht geantwortet? Ich fragte mich, ob ich sie heute Abend wieder treffen würde.

Sie war noch genauso hinreißend, wie vor einem Jahr und zum Glück nahm sie es mir nicht übel, dass ich mich nicht gemeldet hatte. Der Abend verlief ähnlich wie der letzte, nur dass ich sie diesmal nach Hause begleitete und wir uns zum Abschied küssten. Mein Grinsen, dass mich auf dem Heimweg begleitete, sollte mich auch noch ins Bett verfolgen.

Am nächsten Morgen stand ich auf und ging, wie gewohnt, in mein Wohnzimmer. Irgendetwas fühlte sich jedoch komisch an, irgendetwas fehlte. Ich schaute mich um. Es war alles beim alten, meine Couch stand an ihrem Platz, und auch mein Tisch, mein Schrank, meine Bücher, meine Bilder. Alles war so, wie ich es den Abend zuvor hinterlassen hatte. Aber dennoch.
Ich ging durch den Raum und schaute aus meinem Fenster. Am Horizont konnte ich die ersten Strahlen der Sonne ausmachen.
Es würde ein schöner Tag werden.

Ich drehte mich um und dann sah ich, was mein Gefühl hervorgerufen hat.

Ihre Jacke - Sie war verschwunden.
 



 
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