Die Kirchenmaus

Helmut D.

Mitglied
;):):p;):):p;):):p;):):p;):):p;):):p;):):p



Die Kirchenmaus


Es lebte einst in einem Dorf im tiefsten Süden Deutschlands eine bitterarme Kirchenmaus. Die Maus hieß zwar in Wirklichkeit Mäuser und war ein ortsbekannter Taugenichts, wurde aber von jedermann nur Kirchenmaus genannt, da sie sich am Nachmittag immer in der Nähe der kleinen Kirche aufzuhalten pflegte, die schon seit fünf Jahrhunderten am Rande des Fleckens gelegen ist. Dort trank sie jeden Tag zwischen vier und sechs ihren Nachmittagswein, den sie früher im Dorfpark eingenommen hatte, einer kleinen Wiese mit Tümpel unweit des Rathauses, aus dem sie aber vom Bürgermeister persönlich, wegen ihres schlechten Eindruckes auf Fremde vertrieben worden war, obwohl in unsere Gemeinde nur alle zwei Jahre höchstens mal der Nachbarpfarrer zu Besuch kommt.
Nun gut. Der Kirchenmaus war dies egal und so schluckte sie ihre Nachmittagsportion halt bei der alten Kirche, was zudem den Vorteil hatte, daß sie sich bei Regenwetter in diese zum Schutz vor Nässe unterstellen konnte. Dort saß sie auf einer kleinen Bank, grüßte den ab und zu vorbeikommenden Pfarrer recht freundlich, pfiff manchmal ein kleines Liedchen vor sich hin und tat ansonsten niemanden etwas zu Leide. Hin und wieder kam auch eine Mutter mit ihrem widerspenstigen Zögling vorbei und wies, bei der Kirchenmaus angekommen mit strengem Zeigefinger auf sie: "Schau Dir die arme Kirchenmaus an! Siehst Du in welch schmutzigen Kleidern sie auf der Bank sitzt? Wenn Du in Zukunft nicht mehr lernst und Deine Schularbeiten ordentlicher machst, wird es Dir einmal genauso ergehen wie ihr! Dann wirst Du arm und einsam werden, verkommst bis zur Unkenntlichkeit und mußt Dein ganzes Leben abseits des Dorfes in tiefster Erniedrigung verbringen." Danach grüßte sie die Kirchenmaus recht herzlich und zog mit dem verdutzt dreinblickenden Buben davon, der das alles gar nicht recht verstehen konnte, da bei der Jugend das Leben einer armen Kirchenmaus im hohen Ansehen stand, weil doch jene den ganzen lieben, langen Tag tun und lassen konnte, was sie wollte, was ja der Sinn des Lebens wäre, oder?
So vergingen die Jahre und es wäre wohl sicher nicht mehr viel über die arme Kirchenmaus namens Mäuser zu berichten gewesen, wenn sich nicht eines Tages in dem kleinen Marktflecken etwas einzigartiges zugetragen hätte. Der Bischof war zu Besuch gekommen, um den neuen Pfarrer in sein Amt einzuführen. Eigentlich hätte ja dieser dorthin auch alleine gefunden, aber ihre Eminenz hatte es sich so überlegt und die Gründe dazu weiß wohl nur der liebe Gott. Für das ganze Dorf war dieser Besuch ein großes Ereignis, denn noch nie hatte sich hierher eine höhergeordnete Persönlichkeit als der Arzt des nahen Kreiskrankenhauses verirrt, dem der 300 Einwohner zählende Flecken zur Versorgung unterstand. Und nun war also der Bischof gekommen und alle Einwohner hatten sich zurechtgeputzt. Punkt drei erschien sein großer, dunkler Diesel vor dem Rathaus und der Bürgermeister mitsamt der restlichen Gemeinde begrüßten ihn mit Musik und einem fröhlichem "Grüß Gott!". Nachdem sich der Würdenmann in das goldene Buch des Nestes eingetragen hatte, welches extra für diesen Zweck in dem kleinen Krämerladen von Frau Möhlmann erstanden worden war, zog der ganze Troß in Richtung Kirche, eine Reise, die man in einer halben Stunde zu Fuß zurücklegte An dem schön geschmückten Gotteshaus angekommen fiel den Leuten ein großer Schreck in den Nacken, denn dort saß ja noch die arme Kirchenmaus, die man im Eifer des Gefechtes völlig vergessen hatte und gerade eben ihren saueren Nachmittagswein zu sich nahm. Was wird jetzt nur der Bischof von uns denken, wenn er diesen unflätigen Kerl vor Augen sieht? fragten sich viele und auch der Bürgermeister, der mit dem Kirchenmann an vorderster Stelle marschiert war, blieb zuerst für einige Sekunden ratlos. Doch dann fand er sich wieder und sprach mit ruhiger Stimme zu dem Würdenträger: "Euere Majestät" erklärte er in völliger Verdrehung der Anredeform dem frommen Mann "das da, ist unsere Kirchenmaus!" "Was?" zeigte sich der Angesprochene erstaunt, "eine Kirchenmaus habt ihr auch?" "Jawohl" sagte der Bürgermeister mit nicht geringem Stolz in der Stimme, "Wir haben nicht nur eine Kirche, sondern auch eine Kirchenmaus und arm ist sie obendrein." "Und jetzt trinkt sie wohl den Meßwein?" "Nein, Majestät! Das ist ihr Abendmahl. Wir haben es ihr für die Verdienste, die sie sich für unser Dorf erworben hat, lebenslänglich freigestellt." "Ach ja?" staunte der Mann in der lila Robe" Und was hat sie so besonderes getan, daß sie zu dieser hohen Ehre kam?" Für einen Moment wußte der Bürgermeister nicht mehr weiter, doch dann fiel sein Blick auf einen der jungen Ministranten , und er setzte seine Rede fort: "Er dient unserer Jugend als warnendes Beispiel." "Schau an, schau an" murmelte der Bischof mit zum Gebet gefalteten Händen. "Der Herr gebe ihm die ewige Ruhe!" "Und darum gibt es in unserer Gemeinde auch keine jugendlichen Straftäter oder Rauschgiftsüchtige, weil jedes Kind weiß, wo es endet, wenn es nicht auf dem rechten Weg der Tugend bleibt." "Ist wahr?" fragte der Kirchenmann noch kurz, um dann sichtlich beeindruckt von der Sache zu der Kirchenmaus zu schreiten und ihr die Hand aufzulegen. "Selig sind die Armen im Geiste und Ihrer ist das Himmelreich" sprach er würdevoll zu der verdutzten Maus, die erst gar nicht recht wußte, wie ihr geschah. Das ganze Dorf stand ehrfurchtsvoll um ihm herum und stimmte in ein lautes Vaterunser ein, das der Bischof der Kirchenmaus zugedacht hatte. Danach wurde diese noch gesegnet, von einem der Ministranten ausgiebig mit Weihrauch eingedeckt und in seinem für das Gemeinwohl und die Jugend so nützlichen Dienste zurückgelassen.
Ab diesem Tage stand unsere Kirchenmaus in einem vorher nie gekannten Range. Sie war fast heilig gesprochen und keiner wagte es noch ein schlechtes Wort über sie zu verbreiten. Der Bürgermeister bot ihr sogar an, ihren nach- mittäglichen Abendmahlwein wieder im Dorfpark einzunehmen, was diese aber höflich mit der Bemerkung, dort würde sie bei Regen naß, ablehnte. Auch die Mütter besannen sich jetzt eines anderen und führten ihre mißratenen Sprößlinge nicht mehr zu der armen Maus, da wohl diese jede Mahnung hinsichtlich deren traurigen Schicksals kaum noch geglaubt hätten. So mußte nun wieder alljährlich der schlimme Knecht Ruprecht dafür herhalten, was aber an der ganzen Konstellation auch nicht viel änderte, da sich hinter diesem bösen Kerl, der ja die unartigen Kinder mit seiner Rute zur Vernunft zu bewegen pflegt, niemand anderes als der alte Herr Mäuser verbarg, unsere liebe, gute Kirchenmaus. Gott hab' sie selig !



;):):p;):):p;):):p;):):p;):):p;):):p;):):p



 

jon

Mitglied
Teammitglied
Nett.
Du solltest dich für eine Erzähl-Perspektive entscheiden: Entweder "übergeordnet" (wie es der Anfang andeutet: Es lebte einst in einem Dorf im tiefsten Süden Deutschland... ) oder "mittendrin" (unsere Gemeinde, unsere Kirchenmaus usw.). Die "übergordnete" Variante würde den Aspekt des Absurden betonen, die "mittendrin"-Variante das sehr Menschliche, den Schmunzel-Effekt, den Originale wie diese Kirchenmaus, meist auslösen.
 



 
Oben Unten