Die Macht des Montblanc

ThomasStefan

Mitglied
Die Macht des Montblanc

von Thomas Stefan


Unter uns Menschen gibt es viele schlechte Angewohnheiten:
Nase hochziehen oder Popeln.
Schnorren ohne Scham und Ende.
Ständig nachfragen, weil man einfach nicht zuhört.

Und dann gibt es diese milde Form der Kleptomanie, etwas einstecken und mitnehmen zu müssen. Dinge, die man eigentlich nicht braucht: Servietten, die man nie benutzt und die schlußendlich als Taschentücher in der Hosentasche verschwinden und sich zu anderen knülligen Tüchern gesellen. Dann diese schlanken Zuckertütchen, von denen man im Restaurant immer so viele bekommt und die wir nicht liegen lassen können. Und natürlich die kleinen Seifen im Hotel, die man jeden Tag in der Kulturtasche verschwinden läßt, um sie später im heimischen Badezimmerschrank wieder aufzugestapeln oder sie im Koffer zu vergessen. Und wenn man ihn vor der nächsten Reise wieder öffnet, diese billig riechenden Stückchen einem entgegen schwimmen, natürlich in Gesellschaft der kleinen Kämme, Schürsenkel, Duschhauben (wer braucht die eigentlich?) und der Flaschenöffner mit Hotelprägung (ach ja, in Großburgwedel war ich ja auch schon mal, wann war das nur?).

Vielleicht am meisten verbreitet ist die Unart, Schreibstifte einzustecken. Knut gehörte zu dieser besonderen Sorte der Kleinstkriminellen. Es war immer der gleiche Ablauf, egal wo er war, zuletzt sogar bei Freunden: Er bat sich lächelnd einen Schreiber aus, um etwas zu unterschreiben, aufzuschreiben, abzuschreiben – und steckte den Stift ein. Selten wurde er höflich um Rückgabe gebeten, dem er natürlich mit einem überraschten und milden Lächeln nachkam. Es klappte ja nicht immer.

Stifte hatten überall auf ihn eine ungeheure Anziehungskraft. Etwa in der Bank, der an der Befestigung baumelnde rote Kuli wurde am Wochenende einfach abgerissen. Oder im Lottokiosk, er tat immer so, als ob er ankreuzen wollte, dann legte er den Schein wieder weg, nahm die Tageszeitung in die Hand, dem Kuli darin verbergend, und schnell raus. Selbst in der Wahlkabine hatte er den Stift zum Ankreuzen schon mitgehen lassen.

Knut fand das alles normal.

Eines Abends machte er noch einen Bummel durch die Einkaufspassage. Er verirrte sich in eine Seitengasse und blieb vor einem kleinen Schreibwarengeschäft stehen. Eigentümlich, dass er diesen Laden noch nie entdeckt hatte. Im Schaufenster sah er wieder alles, was sein Herz erfreute. Sein Blick glitt über die Auslagen – und blieb an einem großen Füllfederhalter stehen, einem Montblanc. Goldfeder, Schwarz, edel abgesetzt mit feinen glänzenden Ringen. Und dieses unverwechselbare Logo.

Knut betrat den Laden. Noch zehn Minuten bis Ladenschluss. Er wurde freundlich begrüßt. Ob er Schreibproben machen wolle. Gerne. Ein jeder Stift war besser als der vorherige. Zu guter Letzt lag ihm der Füllfederhalter von Montblanc in der Hand. Der Ladenbesitzer sah ihn eigentümlich lächelnd an. Er wußte genau, welchen Eindruck der Füller auf Knut machte.

„Ein wahres Meisterstück, seit 1924 praktisch unverändert hergestellt. Goldfeder mit Platinintarsie. Diesen Füllfederhalter wollen am liebsten nie mehr aus der Hand legen.“

Knut schrieb und schrieb, vergaß seine Umgebung, und merkte auf einmal, dass er ganz allein war. Der freundliche Mann war verschwunden, wahrscheinlich zum Aufräumen, um gleich den Laden zu schließen. Der Füller lag ihm in einmaliger Weise in der Hand, wie für ihn gefertigt. So müsse sich eine maßgefertigte Waffe anfühlen, dachte er sich.

Knut blickte aus den Augenwinkeln durch den Laden. Nichts, keine Person, eigentlich sogar Stille. Seine Hand schloss sich langsam um den Stift, verschwand in der Manteltasche. Schlendernd bewegte er sich zum Ausgang. Niemand zu sehen. Er konnte einfach nicht anders. Mit schnellem Schritt verließ er den Laden und verschwand in der Dunkelheit.

Der Ladenbesitzer starrte ihm durch ein Fenster hinterher, lächelte kalt und schloss ab.


xxxx


Knut hastete durch die Dämmerung, schließlich rannte er so schnell er konnte. Das Herz pochte bis zum Hals. Er war verrückt, klaute einfach dieses wertvolle Stück, ging es ihm durch den Kopf. Völlig aus der Puste hielt er endlich an, verbarg sich in einen Hauseingang. Er nahm die Hand aus der Tasche, besah sich seinen Fang. Tatsächlich, da war er, er konnte es kaum glauben. Mit einem Mal schämte er sich, war es nicht eine Gemeinheit, diesen außergewöhnlichen Füller zu entwenden? Knut war hin und her gerissen, sah auf die Uhr, vielleicht konnte er ihn noch zurückgeben. Aber wie wollte er sein Verhalten erklären?

Nein. Jetzt war es sein Stift. Zwischen ihm und dem Monmtblanc spürte er plötzlich eine besondere Verbindung. Es gab kein Zurück, das merkte er, die Sache war gelaufen. Und wenn man nach ihm fahndete? Und wenn schon, in dem kleinen Laden war er zuvor nie gewesen, man kannte ihn nicht, wie wollte man ihn finden?

Er stand noch eine Weile so da, dann war es besiegelt. Die Hand schloss sich wieder um den Montblanc. Der Stift gehörte jetzt endgültig ihm.


xxxx


Knut konnte es kaum erwarten, setzte sich zu Hause sofort an den Schreibtisch. Er befühlte immer wieder seine Beute, ließ sie durch die Finger gleiten, einmalig. Er nahm einen großen Block und schrieb seinen Namen. Die Feder glitt sanft aber bestimmt über das Papier. Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Dann stutzte er. Jetzt las er, was vor ihm geschrieben stand.

Knut, Du bist ein Schwein


Er schaut ungläubig auf den Bogen. Hand und Füller begannen wieder von selbst zu schreiben.

Ja, Du liest richtig


Knut wollte des Stift ablegen, schüttelte seine rechte Hand heftigst hin und her, als hätte er etwas Ekeliges angefasst. Aber es ging nicht. Der Montblanc klebte eigentümlicherweise fest an den Fingern. Die Hand schloss sich und begann wieder zu schreiben.

Los, äußere Dich. Schämst Du Dich nicht?


Er schluckte, setzte den Füller aufs Papier und begann zu antworten.

Ich wollte es nicht, es kam über mich
Lächerlich! Du alter Kleptomane!
Wirklich, es war das erste Mal
Du lügst wie gedruckt!

Knut starrte empört auf das Blatt, das ging zu weit.

Das ist eine Unverschämtheit, das verbitte ich mir.
Knut, mach die rechte Schublade des
Schreibtisches auf. Los, mach schon


Er verschränkte verstockt die Arme. Wie käme er dazu? Er würde sich zu nichts zwingen lassen. Langsam, aber unerbittlich löste sich der rechte Arm zu seinem Erstaunen aus der Umklammerung, umfasste ganz fest den Füller, der sich schließlich in den Schubladengriff einhakte. Nach und nach wurde die Lade aufgezogen, sosehr er sich dagegen auch wehrte. Sie war gut gefüllt mit Stiftn jeglicher Art. Knut gab endlich jeden Widerstand auf. Die Hand mit dem Füller schüttelte sich und schrieb wieder.

Und jetzt die linke Schublade


Etwas unwillig zog er sie auf. Sie war genauso gefüllt mit allerlei Schreibern. Jetzt ergriff er die Initiative.

Das geht Dich nichts an. Was willst Du eigentlich von mir?
Du gibst alles zurück
Das ist unmöglich
Denk daran: Wer nicht hören will muss fühlen

Er blickte eine Weile auf das Blatt, und hatte sofort das untrügliche Gefühl, er müsse die Antwort ernst nehmen. Seufzend schrieb Knut:

Also schön, morgen bringe ich Dich zurück. Aber anonym
Du trennst Dich von allen Stiften, denn sie sind
allesamt geklaut. Und Du entschuldigst Dich


Knut fühlte Wut in sich aufsteigen, aber auch Angst. Auf keinen Fall wollte er seine kleine Schwäche öffentlich machen. Mit einem Mal schlug er mit der Faust auf den Tisch, in der Hoffnung, den Montblanc loszuwerden, oder wenigstens zu zerstören. Aber als ob dieser es erwartet hätte, war der Füller elegant in der Hand verschwunden. Dann erschien er wieder, wie eine listige Schlange, die platinierte Goldfeder schien ihn spöttisch anzufunkeln. Die Hand schüttelte sich, begann wieder zu schreiben.

Mach´ das nie wieder, Knut

Er blickte wütend auf das Papier. Zu seiner Verblüffung holte die rechte Hand plötzlich aus und sauste auf die Schreibplatte herab. Die Feder des Monblanc bohrte sich wie ein Skalpell in seine Linke, die unschuldig auf dem Tisch lag. Sie durchlug und nagelte sie fest auf die Schreibplatte. Knut schrie auf, Blut lief über den Tisch. Unter Schmerzeb zog er den Stift wieder heraus. Der Montblanc sah aus wie neu. Fluchend lief er in die Küche, umwickelte die blutende Hand mit einem Geschirrtuch. Dann starrte er fassungslos auf seine Hände. Gehörten sie noch ihm? Die Schreibhand erhob sich wieder und benutzte die Küchentapete:

Jetzt kennst Du meine Macht, und Du wirst mir gehorchen


Mit Wut und Verzweiflung hämmerte dann immer wieder die Faust gegen die Wand. Es hatte keinen Zweck, die Knöchel taten ihm weh, aber der Montblanc ruhte unversehrt in seiner Rechten.

Knut ging wie betäubt zurück ins Zimmer, sank auf den Stuhl, ein Zittern überkam ihn. Er sah vor sich die beschriebenen Blätter. Er wollte es einfach nicht glauben. Schließlich legte er den Kopf auf den Tisch, schloss die Augen. Das musste ein böser Traum sein. Nach einer Weile fühlte er ein Kratzen auf der Stirn, verwirrt hob er den Kopf. Der Füller hatte etwas eingeritzt. Ein kleines Blutrinnsal hatte sein rechtes Auge erreicht. Knut lief ins Bad, starrte in den Spiegel. Zunächst konnte er nichts entziffern, aber dann erkannte er die Schrift:

DIEB

Erst jetzt wurde ihm seine Situation klar, er war vollkommen machtlos. Er wischte sich mit der verbundenen Hand das Blut aus dem Auge. Auf ein Mal wurde er ganz ruhig, überlegte. Die rechte Hand begann wieder auf der Wand zu schreiben.

Ich warte auf Deine Vorschläge zur
Wiedergutmachung

Schon gut, ich mache was Du verlangst. Ich überlege nur
wie

Knut dachte nach. Was konnte dieser Stift von ihm wissen, ja wahrnehmen. Vermochte er sogar seine Gedanken lesen?

Du willst mich wohl austricksen
Nein, nein, ich weiß, Du hast mich in der Hand
Das stimmt wortwörtlich

Er musste erstmal Zeit gewinnen. Knut schrieb wieder auf ein freies Stück Tapete:

Ich bin erschöpft, ich habe Hunger und Durst
Dann stärke Dich, Du hast noch viel vor

Er ging in die Küche, sah die umwickelte linke Hand und die rechte mit dem Stift. Mit einem Mal hatte er eine schwache Hoffnung. Er schrieb auf den Zeitungsrand:

Ich kann mir so nichts machen, meine Linke ist
verletzt, meine Rechte hält Dich. Kann ich Dich nicht
wenigstens kurz ablegen, um mir etwas zu machen?
Für wie blöd hältst Du mich?

Seine Rechte hatte sich zur plötzlich zur Faust geballt, der Stift kam ihm drohend näher. Knut konnte nur zurückweichen, bis er mit dem Rücken zur Wand stand. Wie ein Dolch berührte die spitze Feder seinen Hals, vibrierte böse, er wagte kaum zu atmen. Dann ließ der Stift wieder von ihm ab. Knut wischte sich den Schweiß von der Stirn, er hatte die Warnung verstanden. Er ging zum Küchentisch und nahm den Brotlaib, hielt ihn, behindert durch den Montblanc, ungeschickt wie einen Fremdkörper. Der Stift stach dabei in das Brotinnere, blaue Tinte floß hinein. Fluchend ließ er alles fallen und schrieb auf die Zeitung:

Macht Dir das Spaß?
Ja

Knut starrte eine Weile auf die Antwort. In der Tat, er war diesem Stift ausgeliefert, doch hatte er wirklich keine Chance? Fieberhaft suchte er nach einer Lösung, er fühlte die Hoffnung auf ein gutes Ende langsam schwinden. Da kam ihm seine elektrische Brotschneidemaschine in den Blick. Der Klingenschutz war zur Reinigung hochgeklappt. Er blickte sie an und wusste sofort, was er tun musste. Kurt bekam einen trockenen Mund, versuchte locker zu bleiben, an nichts zu denken. Nahm erneut das Brot, fasste es ziemlich kurz. Das Schneideblatt begann sich zu drehen. Er beugte sich über die Maschine, wollte ansetzen. Auf einmal tropfte wieder etwas Blut von seiner Stirn, traf die sirrende Scheibe, schmierte sie rötlich ein.

Er stierte auf die Maschine, die Hand, das Brot. Knut schloss die Augen – und mit einer schnellen Bewegung zog er die Finger durch das rotierende Messer.

Der Schmerz war ungeheuer. Knut schrie wie von Sinnen, fiel auf den Boden. Erst sah er nur Sterne, dann klarte sich der Blick und er starrte auf seine Hand. Unverändert hielt seine Hand den Montblanc, aber vom ausgestreckten kleinen Finger fehlte das Endglied, fontänenartig spritzte das Blut hervor.

Vor Wut und Enttäuschung heulend kam er auf die Beine, band sich mit Paketschnur den blutenden Finger ab, umwickelte ihn mit Papier von der Küchenrolle. Schließlich hockte er erschöpft und mit gesenktem Kopf am Küchentisch. Alles war mit Blutspritzern übersäht, dekorativ verteilt durch die immer noch rotierende Brotschneidemaschine. Unbarmherzig begann der Stift wieder auf dem Zeitungsrand zu schreiben.

Bist Du verrückt geworden, Knut? Fast hättest
Du mich verkratzt


Seine Schultern zuckten wehrlos, die Tränen kamen wie von selbst, sie rannen ihm über die Wangen, tropfte auf die Tisch, vermischten sich mit den Blutstropfen zu schmierigen Lachen. Aus seinem Mund kam kein Laut. Der Stift begann wieder zu schreiben.

Du bist unfähig, also nehme ich das Weitere
in die Hand. Geh zum Schreibtisch


Apathisch stand Knut auf, wankte ins Wohnzimmer und setzte sich an den Tisch. Wieder begann der Montblanc zu schreiben.

Du schüttest jetzt alle Stifte zusammen in
die linke Schublade


Willenlos folgte er den Anweisungen.

Jetzt nimm die Lade unter den Arm, geh hinaus
auf den Balkon, und dann kippst Du sie über der
Brüstung aus. Wehe, wenn nicht!


Knut zog die Schreibtischschublade hoch und schleppte sie mühsam zur Balkontür, setzte sie auf der Fensterbank ab. Er blickte in die sich leicht spiegelnde Scheibe und sah darin einen Mann, den er nicht kannte: Ein hoffnungsloses Gesicht, zerkratzte Stirn, blutige, verbundene Hände.

Los doch, geh endlich raus

schrieb der Stift auf ein freies Stück Tapete. Knut öffnete die Balkontür, klemmte die volle Lade unter den linken Arm und ging hinaus. Der kühle Abendwind war wunderbar. Er hielt ein, ließ den Blick über die beleuchtete Silhouette schweifen, ein befreiender, noch nie so empfundener Ausblick aus dem 12. Stock. Der Montblanc brachte sich brutal in Erinnerung, er stach unvermittelt mit einer heftigen Bewegung der Hand in den rechten Oberschenkel. Fast wäre Knut vom Balkon gestürzt. Er wuchtete die Schublade auf das Geländer und kippte sie einfach hinüber. Er sah die Stifte wie befreit nach unten stürzen, als hätten sie eine lange Gefangenschaft hinter sich gelassen.

Seine Entscheidung fiel binnen Sekunden. Mit einem Ruck ließ sich Knut über die Brüstung ebenfalls in die Tiefe fallen. Der rechte Arm mit dem Füller machte eine wilde, scheinbar unkontrollierte Bewegung – und hämmerte sich wie ein Steigeisen in die Holzumrandung des Balkons, gerade noch rechtzeitig in die letzte Planke. Knut hatte das Gefühl, als würde ihm der Arm aus dem Körper gerissen. Sein gellender Schrei hallte durch die Nacht.

Er baumelte verzweifelt schreiend an dem Montblanc, der Füller hielt ihn eisern fest.
„Lass mich endlich los,“ schrie Knut wie von Sinnen, „ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr!“ Der Stift bog sich bedenklich unter der Last, aber weder Korpus noch Feder gaben nach. Überall im Haus gingen die Lichter an, fassungslose Gesichter erschienen hinter den Scheiben. Das Fenster in der Wohnung unter ihm ging auf, er baumelte in gleicher Höhe, aber unerreichbar entfernt.

„Um Gottes Willen, halten sie sich fest, solange sie können, ich rufe die Feuerwehr.“ Der ihm unbekannte Mieter starrte ihn entsetzt an, lief schnell zu Telefon.

Knut hing nun still und bewegungslos mit ausgestrecktem Arm am Balkon. Er sah in viele Gesichter. Wenn sie nur wüssten!

Der Nachbar hastete zurück. „Die Feuerwehr kommt, halten Sie durch, mit dem Leiterwagen wird man ihnen helfen.“ Knut sagte nichts, nickte nur etwas. Der Mann blickte nach oben. „Ich glaube, sie hängen fest, dass ist wirklich Glück im Unglück. Egal, die Feuerwehr wird sie befreien, die haben ja alle möglichen Werkzeuge, halten sie nur durch!“

Erstmals keimte wieder Hoffnung in Knut auf. Ja, vielleicht könnte man ihn mit einer Säge von dem Teufelsstift befreien. Er drehte mühsam den Kopf in Richtung der sich nähernden Sirene, er sah auch schon das Blaulicht. `Jetzt wird doch alles gut,´ dachte er sich.

In diesem Moment gab ihn der Stift frei. Mit ungläubigem Gesicht stürzte er in die Tiefe.
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Thomas
das ist eine schöne Geschichte mit einem
gelungenen Spannungbogen getragen von einer
schön verrückten Idee.

Eine Sache behindert:
Die Einführung ist zu lang. Der Leser lernt Kurt zu spät kennen.
Das intro mußt du kürzen
und den Anfang umstellen

z.B für einen Anfang:

Knut war einer von dieser Sorte...
und dann ein paar deiner Aufzählungen

Dann gehts sofort zur Sache
und das ist bei einer Kurzgeschichte wichtig

Alles in allem

Hab ich das Stück gerne gelesen
Weiter so
LG
RAlf
 

ThomasStefan

Mitglied
Die Macht des Montblanc

von Thomas Stefan


Unter uns Menschen gibt es viele schlechte Angewohnheiten:
Nase hochziehen oder Popeln.
Schnorren ohne Scham und Ende.
Ständig nachfragen, weil man einfach nicht zuhört.

Und dann gibt es diese milde Form der Kleptomanie, etwas einstecken und mitnehmen zu müssen. Dinge, die man eigentlich nicht braucht: Servietten, die man nie benutzt und die schlußendlich als Taschentücher in der Hosentasche verschwinden und sich zu anderen knülligen Tüchern gesellen. Dann diese schlanken Zuckertütchen, von denen man im Restaurant immer so viele bekommt und die wir nicht liegen lassen können. Und natürlich die kleinen Seifen im Hotel, die man jeden Tag in der Kulturtasche verschwinden läßt, um sie später im heimischen Badezimmerschrank wieder aufzugestapeln oder sie im Koffer zu vergessen. Und wenn man ihn vor der nächsten Reise wieder öffnet, diese billig riechenden Stückchen einem entgegen schwimmen, natürlich in Gesellschaft der kleinen Kämme, Schürsenkel, Duschhauben (wer braucht die eigentlich?) und der Flaschenöffner mit Hotelprägung (ach ja, in Großburgwedel war ich ja auch schon mal, wann war das nur?).

Vielleicht am meisten verbreitet ist die Unart, Schreibstifte einzustecken. Knut gehörte zu dieser besonderen Sorte der Kleinstkriminellen. Es war immer der gleiche Ablauf, egal wo er war, zuletzt sogar bei Freunden: Er bat sich lächelnd einen Schreiber aus, um etwas zu unterschreiben, aufzuschreiben, abzuschreiben – und steckte den Stift ein. Selten wurde er höflich um Rückgabe gebeten, dem er natürlich mit einem überraschten und milden Lächeln nachkam. Es klappte ja nicht immer.

Stifte hatten überall auf ihn eine ungeheure Anziehungskraft. Etwa in der Bank, der an der Befestigung baumelnde rote Kuli wurde am Wochenende einfach abgerissen. Oder im Lottokiosk, er tat immer so, als ob er ankreuzen wollte, dann legte er den Schein wieder weg, nahm die Tageszeitung in die Hand, dem Kuli darin verbergend, und schnell raus. Selbst in der Wahlkabine hatte er den Stift zum Ankreuzen schon mitgehen lassen.

Knut fand das alles normal.

Eines Abends machte er noch einen Bummel durch die Einkaufspassage. Er verirrte sich in eine Seitengasse und blieb vor einem kleinen Schreibwarengeschäft stehen. Eigentümlich, dass er diesen Laden noch nie entdeckt hatte. Im Schaufenster sah er wieder alles, was sein Herz erfreute. Sein Blick glitt über die Auslagen – und blieb an einem großen Füllfederhalter stehen, einem Montblanc. Goldfeder, Schwarz, edel abgesetzt mit feinen glänzenden Ringen. Und dieses unverwechselbare Logo.

Knut betrat den Laden. Noch zehn Minuten bis Ladenschluss. Er wurde freundlich begrüßt. Ob er Schreibproben machen wolle. Gerne. Ein jeder Stift war besser als der vorherige. Zu guter Letzt lag ihm der Füllfederhalter von Montblanc in der Hand. Der Ladenbesitzer sah ihn eigentümlich lächelnd an. Er wußte genau, welchen Eindruck der Füller auf Knut machte.

„Ein wahres Meisterstück, seit 1924 praktisch unverändert hergestellt. Goldfeder mit Platinintarsie. Diesen Füllfederhalter wollen am liebsten nie mehr aus der Hand legen.“

Knut schrieb und schrieb, vergaß seine Umgebung, und merkte auf einmal, dass er ganz allein war. Der freundliche Mann war verschwunden, wahrscheinlich zum Aufräumen, um gleich den Laden zu schließen. Der Füller lag ihm in einmaliger Weise in der Hand, wie für ihn gefertigt. So müsse sich eine maßgefertigte Waffe anfühlen, dachte er sich.

Knut blickte aus den Augenwinkeln durch den Laden. Nichts, keine Person, eigentlich sogar Stille. Seine Hand schloss sich langsam um den Stift, verschwand in der Manteltasche. Schlendernd bewegte er sich zum Ausgang. Niemand zu sehen. Er konnte einfach nicht anders. Mit schnellem Schritt verließ er den Laden und verschwand in der Dunkelheit.

Der Ladenbesitzer starrte ihm durch ein Fenster hinterher, lächelte kalt und schloss ab.


xxxx


Knut hastete durch die Dämmerung, schließlich rannte er so schnell er konnte. Das Herz pochte bis zum Hals. Er war verrückt, klaute einfach dieses wertvolle Stück, ging es ihm durch den Kopf. Völlig aus der Puste hielt er endlich an, verbarg sich in einen Hauseingang. Er nahm die Hand aus der Tasche, besah sich seinen Fang. Tatsächlich, da war er, er konnte es kaum glauben. Mit einem Mal schämte er sich, war es nicht eine Gemeinheit, diesen außergewöhnlichen Füller zu entwenden? Knut war hin und her gerissen, sah auf die Uhr, vielleicht konnte er ihn noch zurückgeben. Aber wie wollte er sein Verhalten erklären?

Nein. Jetzt war es sein Stift. Zwischen ihm und dem Monmtblanc spürte er plötzlich eine besondere Verbindung. Es gab kein Zurück, das merkte er, die Sache war gelaufen. Und wenn man nach ihm fahndete? Und wenn schon, in dem kleinen Laden war er zuvor nie gewesen, man kannte ihn nicht, wie wollte man ihn finden?

Er stand noch eine Weile so da, dann war es besiegelt. Die Hand schloss sich wieder um den Montblanc. Der Stift gehörte jetzt endgültig ihm.


xxxx


Knut konnte es kaum erwarten, setzte sich zu Hause sofort an den Schreibtisch. Er befühlte immer wieder seine Beute, ließ sie durch die Finger gleiten, einmalig. Er nahm einen großen Block und schrieb seinen Namen. Die Feder glitt sanft aber bestimmt über das Papier. Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Dann stutzte er. Jetzt las er, was vor ihm geschrieben stand.

Knut, Du bist ein Schwein


Er schaut ungläubig auf den Bogen. Hand und Füller begannen wieder von selbst zu schreiben.

Ja, Du liest richtig


Knut wollte des Stift ablegen, schüttelte seine rechte Hand heftigst hin und her, als hätte er etwas Ekeliges angefasst. Aber es ging nicht. Der Montblanc klebte eigentümlicherweise fest an den Fingern. Die Hand schloss sich und begann wieder zu schreiben.

Los, äußere Dich. Schämst Du Dich nicht?


Er schluckte, setzte den Füller aufs Papier und begann zu antworten.

Ich wollte es nicht, es kam über mich
Lächerlich! Du alter Kleptomane!
Wirklich, es war das erste Mal
Du lügst wie gedruckt!

Knut starrte empört auf das Blatt, das ging zu weit.

Das ist eine Unverschämtheit, das verbitte ich mir.
Knut, mach die rechte Schublade des
Schreibtisches auf. Los, mach schon


Er verschränkte verstockt die Arme. Wie käme er dazu? Er würde sich zu nichts zwingen lassen. Langsam, aber unerbittlich löste sich der rechte Arm zu seinem Erstaunen aus der Umklammerung, umfasste ganz fest den Füller, der sich schließlich in den Schubladengriff einhakte. Nach und nach wurde die Lade aufgezogen, sosehr er sich dagegen auch wehrte. Sie war gut gefüllt mit Stiftn jeglicher Art. Knut gab endlich jeden Widerstand auf. Die Hand mit dem Füller schüttelte sich und schrieb wieder.

Und jetzt die linke Schublade


Etwas unwillig zog er sie auf. Sie war genauso gefüllt mit allerlei Schreibern. Jetzt ergriff er die Initiative.

Das geht Dich nichts an. Was willst Du eigentlich von mir?
Du gibst alles zurück
Das ist unmöglich
Denk daran: Wer nicht hören will muss fühlen

Er blickte eine Weile auf das Blatt, und hatte sofort das untrügliche Gefühl, er müsse die Antwort ernst nehmen. Seufzend schrieb Knut:

Also schön, morgen bringe ich Dich zurück. Aber anonym
Du trennst Dich von allen Stiften, denn sie sind
allesamt geklaut. Und Du entschuldigst Dich


Knut fühlte Wut in sich aufsteigen, aber auch Angst. Auf keinen Fall wollte er seine kleine Schwäche öffentlich machen. Mit einem Mal schlug er mit der Faust auf den Tisch, in der Hoffnung, den Montblanc loszuwerden, oder wenigstens zu zerstören. Aber als ob dieser es erwartet hätte, war der Füller elegant in der Hand verschwunden. Dann erschien er wieder, wie eine listige Schlange, die platinierte Goldfeder schien ihn spöttisch anzufunkeln. Die Hand schüttelte sich, begann wieder zu schreiben.

Mach´ das nie wieder, Knut

Er blickte wütend auf das Papier. Zu seiner Verblüffung holte die rechte Hand plötzlich aus und sauste auf die Schreibplatte herab. Die Feder des Monblanc bohrte sich wie ein Skalpell in seine Linke, die unschuldig auf dem Tisch lag. Sie durchschlug die Hand und nagelte sie fest. Knut schrie auf, Blut lief über den Tisch. Unter Schmerzen zog er den Stift wieder heraus. Der Montblanc sah aus wie neu. Fluchend lief er in die Küche, umwickelte die blutende Hand mit einem Geschirrtuch. Dann starrte er fassungslos auf seine Hände. Gehörten sie noch ihm? Die Schreibhand erhob sich wieder und benutzte die Küchentapete:

Jetzt kennst Du meine Macht, und Du wirst mir gehorchen


Mit Wut und Verzweiflung hämmerte dann immer wieder die Faust gegen die Wand. Es hatte keinen Zweck, die Knöchel taten ihm weh, aber der Montblanc ruhte unversehrt in seiner Rechten.

Knut ging wie betäubt zurück ins Zimmer, sank auf den Stuhl, ein Zittern überkam ihn. Er sah vor sich die beschriebenen Blätter. Er wollte es einfach nicht glauben. Schließlich legte er den Kopf auf den Tisch, schloss die Augen. Das musste ein böser Traum sein. Nach einer Weile fühlte er ein Kratzen auf der Stirn, verwirrt hob er den Kopf. Der Füller hatte etwas eingeritzt. Ein kleines Blutrinnsal hatte sein rechtes Auge erreicht. Knut lief ins Bad, starrte in den Spiegel. Zunächst konnte er nichts entziffern, aber dann erkannte er die Schrift:

DIEB

Erst jetzt wurde ihm seine Situation klar, er war vollkommen machtlos. Er wischte sich mit der verbundenen Hand das Blut aus dem Auge. Auf ein Mal wurde er ganz ruhig, überlegte. Die rechte Hand begann wieder auf der Wand zu schreiben.

Ich warte auf Deine Vorschläge zur
Wiedergutmachung

Schon gut, ich mache was Du verlangst. Ich überlege nur
wie

Knut dachte nach. Was konnte dieser Stift von ihm wissen, ja wahrnehmen. Vermochte er sogar seine Gedanken lesen?

Du willst mich wohl austricksen
Nein, nein, ich weiß, Du hast mich in der Hand
Das stimmt wortwörtlich

Er musste erstmal Zeit gewinnen. Knut schrieb wieder auf ein freies Stück Tapete:

Ich bin erschöpft, ich habe Hunger und Durst
Dann stärke Dich, Du hast noch viel vor

Er ging in die Küche, sah die umwickelte linke Hand und die rechte mit dem Stift. Mit einem Mal hatte er eine schwache Hoffnung. Er schrieb auf den Zeitungsrand:

Ich kann mir so nichts machen, meine Linke ist
verletzt, meine Rechte hält Dich. Kann ich Dich nicht
wenigstens kurz ablegen, um mir etwas zu machen?
Für wie blöd hältst Du mich?

Seine Rechte hatte sich zur plötzlich zur Faust geballt, der Stift kam ihm drohend näher. Knut konnte nur zurückweichen, bis er mit dem Rücken zur Wand stand. Wie ein Dolch berührte die spitze Feder seinen Hals, vibrierte böse, er wagte kaum zu atmen. Dann ließ der Stift wieder von ihm ab. Knut wischte sich den Schweiß von der Stirn, er hatte die Warnung verstanden. Er ging zum Küchentisch und nahm den Brotlaib, hielt ihn, behindert durch den Montblanc, ungeschickt wie einen Fremdkörper. Der Stift stach dabei in das Brotinnere, blaue Tinte floß hinein. Fluchend ließ er alles fallen und schrieb auf die Zeitung:

Macht Dir das Spaß?
Ja

Knut starrte eine Weile auf die Antwort. In der Tat, er war diesem Stift ausgeliefert, doch hatte er wirklich keine Chance? Fieberhaft suchte er nach einer Lösung, er fühlte die Hoffnung auf ein gutes Ende langsam schwinden. Da kam ihm seine elektrische Brotschneidemaschine in den Blick. Der Klingenschutz war zur Reinigung hochgeklappt. Er blickte sie an und wusste sofort, was er tun musste. Kurt bekam einen trockenen Mund, versuchte locker zu bleiben, an nichts zu denken. Nahm erneut das Brot, fasste es ziemlich kurz. Das Schneideblatt begann sich zu drehen. Er beugte sich über die Maschine, wollte ansetzen. Auf einmal tropfte wieder etwas Blut von seiner Stirn, traf die sirrende Scheibe, schmierte sie rötlich ein.

Er stierte auf die Maschine, die Hand, das Brot. Knut schloss die Augen – und mit einer schnellen Bewegung zog er die Finger durch das rotierende Messer.

Der Schmerz war ungeheuer. Knut schrie wie von Sinnen, fiel auf den Boden. Erst sah er nur Sterne, dann klarte sich der Blick und er starrte auf seine Hand. Unverändert hielt seine Hand den Montblanc, aber vom ausgestreckten kleinen Finger fehlte das Endglied, fontänenartig spritzte das Blut hervor.

Vor Wut und Enttäuschung heulend kam er auf die Beine, band sich mit Paketschnur den blutenden Finger ab, umwickelte ihn mit Papier von der Küchenrolle. Schließlich hockte er erschöpft und mit gesenktem Kopf am Küchentisch. Alles war mit Blutspritzern übersäht, dekorativ verteilt durch die immer noch rotierende Brotschneidemaschine. Unbarmherzig begann der Stift wieder auf dem Zeitungsrand zu schreiben.

Bist Du verrückt geworden, Knut? Fast hättest
Du mich verkratzt


Seine Schultern zuckten wehrlos, die Tränen kamen wie von selbst, sie rannen ihm über die Wangen, tropfte auf die Tisch, vermischten sich mit den Blutstropfen zu schmierigen Lachen. Aus seinem Mund kam kein Laut. Der Stift begann wieder zu schreiben.

Du bist unfähig, also nehme ich das Weitere
in die Hand. Geh zum Schreibtisch


Apathisch stand Knut auf, wankte ins Wohnzimmer und setzte sich an den Tisch. Wieder begann der Montblanc zu schreiben.

Du schüttest jetzt alle Stifte zusammen in
die linke Schublade


Willenlos folgte er den Anweisungen.

Jetzt nimm die Lade unter den Arm, geh hinaus
auf den Balkon, und dann kippst Du sie über der
Brüstung aus. Wehe, wenn nicht!


Knut zog die Schreibtischschublade hoch und schleppte sie mühsam zur Balkontür, setzte sie auf der Fensterbank ab. Er blickte in die sich leicht spiegelnde Scheibe und sah darin einen Mann, den er nicht kannte: Ein hoffnungsloses Gesicht, zerkratzte Stirn, blutige, verbundene Hände.

Los doch, geh endlich raus

schrieb der Stift auf ein freies Stück Tapete. Knut öffnete die Balkontür, klemmte die volle Lade unter den linken Arm und ging hinaus. Der kühle Abendwind war wunderbar. Er hielt ein, ließ den Blick über die beleuchtete Silhouette schweifen, ein befreiender, noch nie so empfundener Ausblick aus dem 12. Stock. Der Montblanc brachte sich brutal in Erinnerung, er stach unvermittelt mit einer heftigen Bewegung der Hand in den rechten Oberschenkel. Fast wäre Knut vom Balkon gestürzt. Er wuchtete die Schublade auf das Geländer und kippte sie einfach hinüber. Er sah die Stifte wie befreit nach unten stürzen, als hätten sie eine lange Gefangenschaft hinter sich gelassen.

Seine Entscheidung fiel binnen Sekunden. Mit einem Ruck ließ sich Knut über die Brüstung ebenfalls in die Tiefe fallen. Der rechte Arm mit dem Füller machte eine wilde, scheinbar unkontrollierte Bewegung – und hämmerte sich wie ein Steigeisen in die Holzumrandung des Balkons, gerade noch rechtzeitig in die letzte Planke. Knut hatte das Gefühl, als würde ihm der Arm aus dem Körper gerissen. Sein gellender Schrei hallte durch die Nacht.

Er baumelte verzweifelt schreiend an dem Montblanc, der Füller hielt ihn eisern fest.
„Lass mich endlich los,“ schrie Knut wie von Sinnen, „ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr!“ Der Stift bog sich bedenklich unter der Last, aber weder Korpus noch Feder gaben nach. Überall im Haus gingen die Lichter an, fassungslose Gesichter erschienen hinter den Scheiben. Das Fenster in der Wohnung unter ihm ging auf, er baumelte in gleicher Höhe, aber unerreichbar entfernt.

„Um Gottes Willen, halten sie sich fest, solange sie können, ich rufe die Feuerwehr.“ Der ihm unbekannte Mieter starrte ihn entsetzt an, lief schnell zu Telefon.

Knut hing nun still und bewegungslos mit ausgestrecktem Arm am Balkon. Er sah in viele Gesichter. Wenn sie nur wüssten!

Der Nachbar hastete zurück. „Die Feuerwehr kommt, halten Sie durch, mit dem Leiterwagen wird man ihnen helfen.“ Knut sagte nichts, nickte nur etwas. Der Mann blickte nach oben. „Ich glaube, sie hängen fest, dass ist wirklich Glück im Unglück. Egal, die Feuerwehr wird sie befreien, die haben ja alle möglichen Werkzeuge, halten sie nur durch!“

Erstmals keimte wieder Hoffnung in Knut auf. Ja, vielleicht könnte man ihn mit einer Säge von dem Teufelsstift befreien. Er drehte mühsam den Kopf in Richtung der sich nähernden Sirene, er sah auch schon das Blaulicht. `Jetzt wird doch alles gut,´ dachte er sich.

In diesem Moment gab ihn der Stift frei. Mit ungläubigem Gesicht stürzte er in die Tiefe.
 
K

KaGeb

Gast
Hallo ThomasStefan,

erst einmal "Herzlich willkommen" hier.

Zu deiner Geschichte: Die Idee mit dem Stift ist (für mich) grundsätzlich gut. Kann man was daraus machen. Doch bei der von dir gewählten Umsetzung gibst du zu wenig Input. Warum ist der Stift "so", wer ist der böse lächelnde Mann hinter dem Schaufenster ... hier bräuchte es m.M.n. mehr Auflösung.
Und weil die nicht vorhanden ist, bleibe ich als Leser am Ende literarisch unbefriedigt zurück.

Bezüglich der Einführung schließe ich mich meinem Vorposter an.

Unter uns Menschen gibt es viele schlechte Angewohnheiten:
Nase hochziehen oder Popeln.
Schnorren ohne Scham und Ende.
Ständig nachfragen, weil man einfach nicht zuhört.

Und dann gibt es diese milde Form der Kleptomanie, etwas einstecken und mitnehmen zu müssen. Dinge, die man eigentlich nicht braucht: Servietten, die man nie benutzt und die schlußendlich als Taschentücher in der Hosentasche verschwinden und sich zu anderen knülligen Tüchern gesellen. Dann diese schlanken Zuckertütchen, von denen man im Restaurant immer so viele bekommt und die wir nicht liegen lassen können. Und natürlich die kleinen Seifen im Hotel, die man jeden Tag in der Kulturtasche verschwinden läßt, um sie später im heimischen Badezimmerschrank wieder aufzugestapeln oder sie im Koffer zu vergessen. Und wenn man ihn vor der nächsten Reise wieder öffnet, diese billig riechenden Stückchen einem entgegen schwimmen, natürlich in Gesellschaft der kleinen Kämme, Schürsenkel, Duschhauben (wer braucht die eigentlich?) und der Flaschenöffner mit Hotelprägung (ach ja, in Großburgwedel war ich ja auch schon mal, wann war das nur?).
[red]Ist m.M.n. alles retundant.[/red]

Vielleicht am meisten verbreitet ist die Unart, Schreibstifte einzustecken. Knut gehörte zu dieser besonderen Sorte der Kleinstkriminellen.
[red]Vielleicht als Beginn (Vorschlag):[/red]
[blue]Knut gehörte zu jener Sorte Kleinstkrimineller, der egal wo er war, Schreibstifte einsteckte.[/blue]


Im Folgegeschehen sind mit die Dialoge mit dem Füller einfach zu platt. "Knut, du bist ein Schwein" - das haut mich nicht vom Sockel. Ebenso wie die moralische Verpflichtung des Füllers, Knut alle geklauten Stifte über den Balkon entsorgen zu lassen. Das reicht m.M.n. für die Rubrik Horro als Motiv einfach nicht aus.

Knuts Selbstzerstörungstrieb passiert mir persönlich zu schnell. M.M.n. resigniert dein Prot. ohne eine wirkliche Horrorgrundlage: Nach ein paar Sticheleien durch den ominösen Füller will er sich schon die Finger abschneiden - und auch der Wunsch nach Selbstmord ist IMHO viiiel zu schnell da. Das macht Knut unglaubwürdig.
Den Füller finde ich auch zu "spaßig" - ... Hilfe, du verkratzt mich ...

Bring mehr Blut und weniger Papier rein, mehr Aktion und weniger Dialog - dazu einen Ladenbesitzer, der sich samt Laden (Idee) nach dem Verlassen durch Knut einfach auflöst (oder so was)- und mach den Füller zum absoluten Psychoten - aber langsam aufbauend.

Nur so Ideen - und wertungsfrei für das Erstwerk,

LG, KaGeb
 

ThomasStefan

Mitglied
Hallo Ralf!
Danke für Deine Zustimmung. Ich hatte Dir schon per email geantwortet, muß mich noch auf die Technik hier einstellen.
Das Intro ist tatsächlich in Frage zu stellen, ich werde nochmals dran gehen.

Hallo KaGeb!
Meine Story besteht schon länger, ich hatte sie jetzt überarbeitet, aufgefrischt. Deine Einwände sind schon berechtigt, schön, wenn man von so ganz anderer Perspektive angeleuchtet wird. Natürlich kann man sich fragen, warum der Füller Knut ausgesucht hat, warum er ihn so heimsucht (ist das Klauen ausreichend Motivation), inwieweit mehr Blut/ein Mord mehr Plausibilität hineinbringt.
Ich werde drüber nachdenken und die Story verändern.
Danke für Deine konstruktive Kritik.
Gruß, Thomas
 



 
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