Die Nacht vor dem Tage

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Amy

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Diesen Traumtext musste ich kurzerhand für meine Deutsch-Seminar noch in der Nacht zuvor schreiben.
Die Stichworte Schiff, Orkan, Eisbär, Einkauf, Bär im Frack und Empfang beim Bürgermeister waren vorgegeben.


Die Nacht vor dem Tage

Das Schiff fuhr sehr langsam, schien beinahe still zu stehen. Doch da war ein kühler Wind, das ferne Kreischen der Möwen, die ihr zuriefen, ein Duft von Kokospalmen. Sie stand vorn am Bug und wünschte sich, das Schiff würde schneller fahren.
„Wäre ich Jona, würde Gott einen Orkan schicken; und springen müsste ich“, dachte sie und lächelte.
Plötzlich spaltete sich das Wasser unter ihr und zwischen der schaumigen Gischt blickten ihr zwei funkelnde Augen entgegen.
„Das ist der Wal der mich rettet.“ Sie stieg erleichtert über das Geländer, setzte sich nieder und ließ die Füße ins Wasser baumeln. Wie wollte schon fragen, wie weit es noch bis Ninive wäre, da erkannte sie, dass das Tier im Wasser ein Eisbär war.
In diesem Moment begann er, nach ihren Füßen zu greifen, wollte sie ins Wasser ziehen.
„Ich bitte um eine sanfte Landung auf meinen Rücken, bis dass der Tod uns scheidet“, brummte er und im nächsten Augenblick fand sie sich in dem dichten Pelz des Tieres wieder.
Da bemerkte sie, dass er die Kleider eines Bräutigams trug und war erstaunt darüber, hier, fernab von den Kokospalmen und den Möwen, einen Bär im Frack anzutreffen.
Der Eisbär schwamm und sie ließ sich mitnehmen, vertraute ihm, wollte an nichts mehr zweifeln.
„Wo schwimmen wir hin?“ fragte sie ihn irgendwann.
Er antwortete leise und fast betörend: „In den Hafen der Ehe, mein liebes Kind. Und du bist mein Einkauf. Heute im Sonderangebot.“
Sie reckte die Nase in den Wind, suchte den süßlichen Duft und war sich dessen bewusst, dass sie sich nun in eine Möwe verwandeln müsse, wenn sie dem Duft folgen wollte;
„Der Empfang beim Bürgermeister“ sagte der Bär.
Sie wälzte sich in seinem Fell, fühlte sich plötzlich unendlich müde.
„Der Empfang beim Bürgermeister“, hörte sie noch einmal, öffnete die Augen.
„Der Empfang beim Bürgermeister beginnt in einer Stunde. Du solltest langsam aufstehen, mein Schatz.“
Friedrich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und schlug die Bettdecke zurück.
„Na, steh schon auf, oder willst du etwa nicht mehr heiraten?“
Er lächelte amüsiert über seinen Scherz, stand auf und ging in die Küche, um Kaffee zu machen.
 



 
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