Rupert Davis
Mitglied
Ich habe die "anhalter" trilogie in fünf bänden (!!) (schonmal im buchladen danach gefragt?) schon als zehnjähriger verschlungen und sie alle paar jahre nocheinmal gelesen. sie wurden immer besser!
Ich weiß ich weiß, natürlich kann man dem großmeister nicht das wasser reichen, aber der versuch soll ihm eine ehrung sein.
viel spaß...
Die OmniCorporation
Die Ultima war zweifelsohne das beeindruckendste Objekt, das je von Menschenhand gebaut worden war. Na ja, eigentlich war sie von riesigen Robotern gebaut worden, die von etwas kleineren Robotern hergestellt worden waren, die wiederum von kleinen Computern entwickelt worden waren, die einst von einem viel größeren Computer programmiert worden waren. Dieser Computer war jedoch irgendwann einmal von Menschen gebaut worden. Zwischendurch hatte zwar ein anderer Computer das Betriebssystem überprüft, es wortwörtlich als »lächerlich« eingestuft und ein neues geschrieben, aber Menschen hatten auf jeden Fall ihre Finger im Spiel gehabt.
Nichtsdestotrotz war die Ultima sehr beeindruckend. Sie war das gewaltigste Raumschiff, das je auf einer erdnahen Umlaufbahn konstruiert worden war. Dies, ganz nebenbei übrigens, in der fabelhaften Bauzeit von nur 39 Monaten. Ein Bauprojekt galaktischen Ausmaßes also, das nur von einer Firma bewältigt werden konnte: Die OmniCorporation. Die OmniCorporation war nicht nur die einzige Firma, die dieses Projekt realisieren konnte, sie war überhaupt die einzige Firma. Die OmniCorporation stellte alles her, vom Kaugummi bis zum Neutronendesintegrator. Einfach alles, was der moderne Mensch zum Leben benötigte. Einer ihrer Werbeslogans lautete: We made everything, expect the earth itself! (1)
(1) Gut, dass niemand bemerkte, dass eine Firma ohne jegliche Konkurrenz eigentlich überhaupt gar keine Werbung benötigte! Die Werbebranche hatte immerhin 20% des Weltweiten Arbeitsmarktes ausgemacht. Mal davon abgesehen, das sich ein fünftel der Erdbevölkerung plötzlich auf der Strasse befunden hätte, hätte sich auch der Lebensstandard der übrigen 75% plötzlich im Keller der technisierten Zivilisation wiedergefunden. Sämtliche Fernsehanstalten würden ohne Werbeunterbrechungen nur noch zwei Stunden Programm am Tag zu senden haben, die Leute würden sich in ihren Mittagspausen anschweigen, gesellschaftliche Beziehungen würden absterben und letztendlich nur der Anfang des langsamen Todes jeglicher Zivilisation sein. Nicht auszudenken! Aber soweit kam es glücklicherweise erst gar nicht.
Dabei waren sie mit der Ultima näher dran, als sie es je gewesen waren. Immerhin hatte sie die unglaubliche Größe eines durchschnittlichen Mondes und bot Platz für achthundert Millionen Menschen. Die Materialaufwendungen zum Bau dieses Interstellaren Wanderers waren so enorm, dass schon einige Wochen nach Baubeginn sämtliche Skigebiete auf der Erde geschlossen werden mussten, weil sämtliche Gebirgszüge zur Rohstoffgewinnung abgetragen wurden. Aber auch das hatte noch nicht ausgereicht. Die ewigen Gegner des unaufhaltsamen Fortschritts, sowie einige Astronomen und eine Handvoll verkappter Romantiker hatten sich wochenlang über das plötzliche Verschwinden des seit jeher so treuen Erdtrabanten gewundert. Böse Zungen hatten sogar lange hinter vorgehaltener Hand behauptet, dass die OmniCorporation und der Bau des Schiffes irgendetwas damit zu tun gehabt haben könnte.
Die Ultima war einfach ein Schiff der Superlative. Das Größte, das Schnellste, das Beste, das Längste und so weiter. Diese Aufzählung könnte noch ewig so weitergehen und hätte wohl auch, was in den Infobroschüren allerdings keinerlei Erwähnung fand, in einigen negativen Aspekten jeden Superlativ in den Schatten gestellt: Die meisten Arbeitsunfälle, die schlimmsten Baumängel, das unwirtschaftlichste Antriebssystem, um nur einige zu nennen. Um ehrlich zu sein wäre diese »schwarze« Liste wohl noch um einiges länger als die, die in der Infobroschüre zu lesen war (nebenbei die längste Infobroschüre, die es je gegeben hat). Das Guinness Buch der Rekorde von 2278 enthielt übrigens beinahe zwölftausend Einträge allein über die Ultima. Einige Wochen später brachte man noch einen Sonderband heraus.
Ein weiterer Superlativ, der sich in die Reihe der anderen gesellte, war einst die Anzahl der Besatzungsmitglieder gewesen, die man benötigte, um diesen Koloss zu fliegen. Allein um das Schiff aus seinem Konstruktionsgerüst zu manövrieren, hatte man 160.000 Mann benötigt, die die zahlreichen Steuerkontrollen bedienten, die zahlreichen Steuerdüsen steuerten, die zahlreichen Kapitänsstühle besetzten und die unzähligen Antriebsreaktoren überwachten. Wenig später entschied man sich aber doch dazu, nachträglich einen Autopiloten zu installieren.
Doch letztendlich, nachdem Milliarden Litern von Schweiß über die Schläfen ebenso vieler Arbeiter, Erzschürfer, Elektriker, Statiker, Heizungstechniker und Werbefilmproduzenten geflossen war, rückte der Moment des rituellen Stapellaufes immer näher. OmniCorporation hatte versprochen dieses Großereignis der Menschheitsgeschichte in einem gebührenden Rahmen zu feiern und rief ganz nebenbei das größte Preisausschreiben ins Leben, das die Menschheit je gesehen hatte. Verlost wurden achthundert Millionen Fahrkarten für die Jungfernfahrt. (2)
(2) Entgegen allen Erwartungen wurden in der ersten Woche gerade mal sieben Lose verkauft. 89 Experten hielten eine drei Tage dauernde Krisensitzung ab, um eine Möglichkeit zu finden, die Absatzzahlen anzukurbeln. Letztendlich entschloss man sich, folgenden Punkt aus den Teilnahmebedingungen zu streichen: Sämtliche Mitarbeiter der Firma OmniCorporation, oder einer ihrer Tochterfirmen sowie deren Verwandte und Bekannte sind von der Teilnahme des Gewinnspiels ausgeschlossen.
Fünf Minuten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung waren alle Lose ausverkauft.
Wochenlang fieberten die glücklichen Gewinner dem Moment ihres Lebens, dem Moment der Menschheitsgeschichte, dem Moment überhaupt entgegen. Der erste Flug der Ultima. Das Ziel, auf das nahezu ein ganzer Planet mehr als drei Jahre lang hingearbeitet hatte, der Gipfel des Fortschritts, eine Ode an die Zivilisation, die Krone der Evolution. Die letzten Wochen vor dem Start lag weltweit eine knisternde, gespannte Stimmung in der Luft, wie sie sonst nur Fünfjährige am heiligen Abend versprühen.
Doch dann geschah etwas ganz dummes.
Flur 749, Deck 364 (zweite Klasse)
Der Flur 749 auf Deck 364 war an sich nichts besonderes. Als einer von unendlich vielen Fluren im gewaltigsten Raumschiff der Geschichte, war er nichts weiter, als ein Sandkorn in der Sahara. Er hatte noch nicht einmal eine besondere Farbe. Er war dunkelgrau lackiert, in warmes Licht getaucht und sauberer als ein Operationssaal. Hier und da wurden die glatten Wände von einem Schott unterbrochen und der einzige Schmuck an den Wänden waren ein paar Hinweisschilder und Wegweiser. Wie alle Flure war er so lang, dass man, wo immer man auch stand, in beide Richtungen blicken konnte ohne das Ende zu sehen. An der Stelle, an dem die Sehweite eines durchschnittlichen Menschen endete verlor sich der Flur lediglich in einen kleinen schwarzen Punkt. Er war also wahrlich nichts besonderes. Dennoch sollte er in naher Zukunft Schauplatz eines wirklich bemerkenswerten Zwischenfalls werden.
Mit einem charakteristischen Summen öffnete sich eines der Schotts auf dem Flur 749 und eine hagere, glatzköpfige Figur in einem grauen Overall und einem dazu passenden ausdruckslosen Gesicht trat in das warme Licht. Unterhalb des OmniCorporation-Schriftzug auf der linken Brusttasche seines Overalls war eine schlichte 1 aufgenäht. Ohne sich umzusehen steuerte Nummer 1 den kleinen schwebenden Wagen, den er hinter sich herzog, zielstrebig den Flur entlang. An einer bestimmten Stelle blieb er plötzlich stehen, bewegte sich steif um seinen Schwebewagen herum und zog an einem der Stäbe, die in einem Köcher am Heck steckten.
Er kehrte zurück vor den Wagen und betätigte einen kleinen Knopf am oberen Ende des Stabes. Am anderen Ende bildete sich von einem leisen Summen begleitet ein feurig rotes, ovales Energiefeld. Nummer 1 setzte das Energiefeld auf dem Boden auf und begann zu wischen. Er begann zu wischen, wie er es jeden Tag tat. Jeden Tag seit nunmehr 35 Jahren. Und in diesen 35 Jahren gab es nicht einen Tag, an dem dieses Ritual anders verlaufen wäre. Nicht einmal hatte er sich zwischendurch diebisch umgesehen und sich, eine Zigarette rauchend, an die Wand gelehnt, solange ihn niemand beobachtete. Er hatte noch nicht einmal irgendwann in diesen 35 Jahren kurz innegehalten um sich am Kopf zu kratzen. Nicht einmal gehüstelt hatte er in dieser Zeit. Doch für dieses Mal hatte das Schicksal einen besonders kühnen Einfall und bog aus einer Laune heraus (oder vielleicht aus Langeweile), plötzlich vom Freeway der Ordnung ab, um fortan über den steinigen Feldweg des Chaos zu holpern.
Nummer 1 hatte weder Ahnung vom Schicksal oder der Zukunft, geschweige denn vom Chaos, deshalb wischte er mit stoischer Geduld in zentimetergenauen Bahnen über den bereits blitzblanken Flur, bis ein kleines weißes Kaninchen mit einem winzigen Tornister auf dem Rücken vor dem Energiefeld seines Wischers auftauchte. Zum erstenmal seit 35 Jahren hörte er vor dem Ende seiner Schicht auf zu wischen. Er hörte auf und starrte das Kaninchen an, das mit neugierig schnüffelndem Näschen zu ihm aufblickte.
Er hatte noch nie zuvor ein Kaninchen gesehen, geschweige denn überhaupt von der Existenz eines solchen Tieres gewusst (im Grunde genommen hatte er noch nicht mal Ahnung von der Existenz). Demzufolge wusste er auch nicht, was genau da vor ihm stand. Einzig und allein aufgrund der Tatsache, dass es sich bewegte, schloss Nummer 1, dass es sich um ein Lebewesen handeln musste. Darüber hinaus kam er vorerst zu keiner weiteren Erkenntnis. Seine anatomischen Kenntnisse reichten nicht einmal dazu aus, das zuckende Etwas in der Mitte des Gesichtes des kleinen Tieres als Nase zu identifizieren.
Doch trotz dieser nur kläglichen Ausbeute an Erkenntnissen von Nummer 1 war es der bemerkenswerteste Zwischenfall in der Geschichte der Wissenschaft, den es je gegeben hatte. Leider war kein Wissenschaftler zugegen, um diesem außergewöhnlichen und wohl auch einzigartigem Ereignis beizuwohnen. Das war aber auch besser so, wahrscheinlich hätte er vor Erfurcht und Aufregung nur einen Herzanfall bekommen und wäre auf der Stelle gestorben, noch bevor er sich der Bedeutung der Situation bewusst geworden wäre (wie wir gerade gesehen haben, ist das Schicksal mittlerweile zu allem fähig).
Denn das wahrhaft bedeutungsvolle an dieser Situation war nicht das Kaninchen oder der kleine Tornister, es war die Erkenntnis (so erbärmlich sie auch war), zu der Nummer 1 kam. Denn eigentlich ist es unmöglich, dass ein Reinigungsklon überhaupt zu einer Erkenntnis kommt. Er war genetisch einzig und allein darauf programmiert worden, an einer bestimmten Stelle zu wischen. Nicht mehr und nicht weniger. Jeder Taschenrechner hatte eine um Potenzen kompliziertere Programmierung als dieser Klon und doch gelangte er zu einer Erkenntnis. Aber es wurde noch besser.
Nachdem Nummer 1 das Kaninchen einige Sekunden, oder Minuten (es können auch Stunden oder Tage gewesen sein, Reinigungsklone haben kein Zeitgefühl) angestarrt hatte, tat er etwas schier unglaubliches.
Er sagte: »Nanu!«
Und das Kaninchen antwortete: »Mir ist langweilig, wann kommt endlich jemand und spielt mit mir?«
Na, habe ich zu viel versprochen? Wahrhaft unglaublich nicht wahr?
Übrigens, bevor sich jemand auf dieses Kaninchen versteift, sollte ich Sie vielleicht darüber aufklären, dass an dem Kaninchen wirklich nichts, aber auch überhaupt nichts außergewöhnliches ist. Es ist weder eine besondere genetische Züchtung, noch ist es in irgendeiner Form verzaubert. Eigentlich kann es auch noch nicht einmal sprechen. Sie als aufmerksamer Leser haben aber bestimmt schon daran gedacht, dass die Antwort des Kaninchens irgendwie mit dem kleinen Tornister auf seinem Rücken zusammenhängen könnte. Kurze Erklärung: Während der unglaublich kurzen Bauzeit der Ultima, stellte man plötzlich fest, dass die gelieferten Datenkabel für den Bordsprechfunk niemals ausreichen würden, um das gesamte Schiff zu verkabeln. Irgendwer hatte sich scheinbar bei der Planung um einige hundert Nullen verrechnet. Nachdem man den Schuldigen nicht hatte ausmachen können und daher vorsichtshalber den ganzen Planungsstab gefeuert hatte, entschied man sich kurzerhand dazu, abgerichtete Kaninchen einzusetzen, die mit einem kleinen Aufzeichnungsgerät auf ihrem Rücken Nachrichten aufnehmen konnten, um sie in jeden Winkel des Schiffes zu transportieren. Warum man dafür ausgerechnet Kaninchen genommen hatte, weiß ich allerdings nicht. Es steht auch nichts darüber in den Infobroschüren.
Sie sehen also, es ist wirklich nichts außergewöhnliches an dem Kaninchen, also widmen wir uns wieder Nummer 1, der gerade nicht nur sein eigenes erstes Wort über die Lippen gebracht hatte, sondern das erste Wort eines Reinigungsklons überhaupt. Sie müssen doch zugeben, dass das wirklich außergewöhnlich ist. Oder hat ihnen ihr Taschenrechner, um das Beispiel noch einmal aufzugreifen, schon einmal das Frühstück ans Bett gebracht? Nicht? Wäre auch ziemlich ungewöhnlich. Aber genug jetzt, es interessiert Sie sicherlich, wer diese Kaninchenbotschaft abgeschickt hat.
»Mit dir spielen?«, fragte Nummer 1, angesichts der Situation viel zu gefasst und ohne das Wissen, dass es sich bei seinem Gesprächspartner um eine Aufzeichnung handelte.
»Allmählich wird mir langweilig«, fuhr das Kaninchen fort. »Also kommen Sie doch bitte zu mir und spielen mit mir.« Mit einem leisen Knacken endete die Aufzeichnung, nur um einen Moment später mit einem weiteren Knacken fortzufahren. »Ach ja, ich bin im Freizeitraum 24 auf Deck 1357, direkt am Flur 415. Jedenfalls behauptet der Flipper das.« Dieses Mal endete die Aufzeichnung endgültig und das Kaninchen hoppelte unverzüglich davon.
Nummer 1 kratzte sich am Kopf als er dem Kaninchen nachblickte, zuckte mit den Schultern, steckte seinen Besen in den Schwebewagen und machte sich zu Fuß auf dem Weg zum Freizeitraum 24.
6 Monate später kam er an.
Freizeitraum 24 auf Deck 1357
Nummer 1 hatte bisher keinen anderen Ort des Schiffes gesehen, als Flur 749 auf Deck 364, und hätte er in den letzten sechs Monaten darauf geachtet, hätte er festgestellt, dass ihm dadurch wahrlich nichts entgangen war. Nichts, bis auf das Turbotransportsystem, das das Schiff durchzog wie Adern einen Körper.
Er durchschritt das Schott mit der Aufschrift Freizeitraum 24 ohne sich darüber zu wundern, das er soeben lesen gelernt hatte und fand sich in einem völlig dunklen Raum wieder. Lediglich in der hinteren rechten Ecke des Raumes, ungefähr fünfhundert Meter von ihm entfernt, ließ ein fahler Schein auf eine Lichtquelle schließen.
»Da sind sie ja endlich!«, begrüßte ihn eine heitere, aber über diese Entfernung nur leise zu hörende Stimme.
Nummer 1 durchschritt den großen Saal, der mit den modernsten und beliebtesten, elektronischen Gesellschaftsspielen und Vergnügungsautomaten angefüllt war, die die OmniCorporation je entwickelt hatte. Bis zur Decke türmten sich allerlei exotische Spielgeräte und andere Zeitvertreiber, deren genaue Funktionen Nummer 1 nicht einmal hätte erraten können, wenn er sie in der Dunkelheit gesehen hätte. Er ging einfach geradewegs auf den Lichtschimmer zu. Dort angekommen erblickte er einen kleinen Tisch mit einem nüchtern wirkenden, schwarz-weißen Quadratmuster und einen Flipperautomaten, der seine ganzen kleinen Lichtlein freudig aufblinken ließ.
»Setz dich doch«, bot ihm der Tisch hastig an und ein kleiner Stuhl fuhr aus dem Boden heraus.
Nummer 1 setzte sich.
»Möchten sie Schwarz oder Weiß?«
»Weiß«, entschied der Klon ohne wirklich zu wissen was der Tisch von ihm wollte.
Auf dem Spielfeld erschienen 32 sehr schön gestaltete Hologramme von Schachfiguren.
»Fangen sie an!«, drängelte der Tisch.
Die erstaunliche Tatsache das ausgerechnet ein Schachcomputer zur Ungeduld neigte, ist übrigens ebenfalls dem Planungsstab des Ultima-Projektes zu verdanken. Nachdem man den ganzen Stab nach der Sache mit den Datenkabeln gefeuert hatte, hatte man nämlich schnell feststellen müssen, das nur der Planungsstab selbst durch seine völlig chaotischen Pläne fernab jeglicher Struktur durchzusteigen vermochte. Daher wurde der Planungsstab kurzerhand wieder eingestellt. (2)
(2) Der gesamte Planungsstab wurde während der kompletten Konzeptions- und Bauphase insgesamt 61 mal gefeuert und kurz darauf wieder eingestellt (siehe auch Guinness Buch der Rekorde 2278, Seite 311: Häufigste Entlassung des gesamten Planungsstabes während der kompletten Konstruktions- und Bauphase eines Raumschiffs).
Es kam wie es kommen musste: Irgendjemand hatte irgendwo auf irgendeinem Lieferschein ein falsches Kreuz gemacht und so kam der Schachcomputer zu einer künstlichen Intelligenz, die eigentlich für einen der unzähligen Schokoriegelautomaten in den weiten Fluren des Schiffes bestimmt gewesen war.
Für die zweite auffällige Tatsache, dass der Schachcomputer unsinnigerweise an den Notstromkreis angeschlossen und somit immer noch aktiviert war, hätte jedoch noch nicht einmal jemand aus dem Planungsstab eine Erklärung gehabt.
Wie dem auch sei, er funktionierte und er wollte endlich spielen. Doch Nummer 1 musste ihn enttäuschen.
»Womit anfangen?«
»Mit dem Spiel.«
»Welches Spiel?«
»Schach«, erklärte der Tisch genervt. »Ich bin ein Schachspiel und ich will jetzt anfangen!«
»Ich denke, ich soll anfangen«, erwiderte Nummer 1 verwundert.
»Ja, sie sollen anfangen, damit ich auch endlich anfangen kann.«
»Dann fang du zuerst an, so sehe ich, wie es geht!«
»Das geht nicht, Sie haben weiß!«, brummte der Schachcomputer und bemerkte plötzlich etwas. »Du weißt nicht, wie es geht?«, fragte er entrüstet. Plötzlich hatte er jene Schwelle des Respektes in seinem Programm sprungartig unterschritten, die ihn dazu veranlasste, seine Gegenspieler zu Siezen.
»Nein«, antwortete Nummer 1, der noch nie etwas von Respekt gehört hatte.
Der Tisch gab einen elektronisch verzerrten Laut von sich. Das beste Äquivalent eines Seufzers, das er je hinbekommen hatte.
»Also gut, ich erklär´s dir!«
Bevor er jedoch zu seiner Erklärung ansetzen konnte, gab der Flipperautomat den eindringlichen Jingel eines gewonnenen Extraballs zum besten. Eine Tonfolge, die noch lange nach dem Hören auf ebenso unangenehme wie unerklärliche Weise beharrlich im Ohr verweilte. Der Flipperautomat versuchte so, seiner freudigen Überraschung Ausdruck zu verleihen, die er empfand, als sich die Tür am anderen Ende des Raumes ein weiteres Mal, das zweite Mal in fünfunddreißigeinhalb Jahren, öffnete und eine schlanke Gestalt im Lichtkegel erschien.
»Ah, noch jemand!«, rief der Tisch freudig aus und vergaß fürs erste seinen Ärger über Nummer 1. Aber schon einen Moment später wurde er erstmals mit den oftmals schwer nachvollziehbaren Launen des Schicksals konfrontiert. Einen Moment später trat Nummer 2 in den schummrigen Lichtkegel, der die illustre Gesellschaft umgab, ein. Der Tisch erkannte sofort, dass er Nummer 1 bis aufs Haar, oder besser gesagt bis auf die Pore glich. Er brauchte daher auch nicht mehr als nur den Bruchteil einer Millionstel Sekunde, um daraus Rückschlüsse auf Nummer 2s Schachkenntnisse zu schließen. Allerdings hatte er vor einigen Jahren eine Unterhaltung mit dem Hauptcomputer des Schiffes gehabt, in der es um das für eine Maschine nur schwer verständliche, aber irgendwie faszinierende Phänomen der Hoffnung ging. Der Tisch entschloss sich es einmal auszuprobieren.
»Kannst du Schach spielen?«, fragte er den Neuankömmling.
»Nein.«
Der Schachcomputer wollte gerade aus Frust sämtliche Daten zum Thema Hoffnung löschen, überlegte es sich im letzten Moment jedoch noch einmal anders und hoffte einfach, das es beim nächsten Mal funktionieren würde.
»Also gut, ich erklär´s euch beiden. Aber hört gut zu, ich habe keine Lust, es zweimal zu erklären!«
Bevor der Schachcomputer jedoch zu einer Erklärung ansetzen konnte, ertönte der Extraball-Jingel erneut, gerade als die letzten Echos des eindringlichen Geräusches die Gehörgänge der Anwesenden der friedlichen Stille überantwortet hatten.
Die Tür am anderen Ende des Raumes öffnete sich ein weiteres mal. Diesmal bleib der Schachcomputer jedoch stumm und spielte eine Partie gegen sich selbst. Innerhalb von zwei Sekunden waren sämtliche Figuren, bis auf die beiden Könige und einen schwarzen Bauern verschwunden. »Schach Matt!«
Der Tisch murmelte noch 21 mal »Schach Matt«, bevor der Neuankömmling in den Lichtkegel trat. Als der Schachcomputer den Neuankömmling betrachtete löschte er unvermittelt sein Hoffnungsprogramm. Er sah ebenfalls genauso aus, wie die beiden, die kurz vor ihm eingetroffen waren.
Nummer 1 Blicke wechselten verwirrt von Nummer 2 und dem Neuankömmling – auf seinem Overall stand eine 5 – hin und her. Nummer 2 erging es ebenso. Er musterte Nummer 1 und Nummer 5.
Und Nummer 5 sagte: »Ihr seht ja gleich aus!«
»Ihr auch!«, sagten Nummer 1 und 2 im Chor.
»Ihr seht alle gleich aus!«, fuhr der Tisch dazwischen, der erkannte, das sich eine lange unnötige Diskussion anbahnte.
so, das war der erste teil. der zweite existiert leider nur im layout.
aber wenn es euch gefallen hat, und ihr wissen wollt warum schokoriegelautomaten überhaupt eine inteligenz brauchen, oder was der hauptcomputer von all dem hält, dann müßt ihr mir ein wenig in den hintern treten, damit ich mich mal dransetze!
rupert
Ich weiß ich weiß, natürlich kann man dem großmeister nicht das wasser reichen, aber der versuch soll ihm eine ehrung sein.
viel spaß...
Die OmniCorporation
Die Ultima war zweifelsohne das beeindruckendste Objekt, das je von Menschenhand gebaut worden war. Na ja, eigentlich war sie von riesigen Robotern gebaut worden, die von etwas kleineren Robotern hergestellt worden waren, die wiederum von kleinen Computern entwickelt worden waren, die einst von einem viel größeren Computer programmiert worden waren. Dieser Computer war jedoch irgendwann einmal von Menschen gebaut worden. Zwischendurch hatte zwar ein anderer Computer das Betriebssystem überprüft, es wortwörtlich als »lächerlich« eingestuft und ein neues geschrieben, aber Menschen hatten auf jeden Fall ihre Finger im Spiel gehabt.
Nichtsdestotrotz war die Ultima sehr beeindruckend. Sie war das gewaltigste Raumschiff, das je auf einer erdnahen Umlaufbahn konstruiert worden war. Dies, ganz nebenbei übrigens, in der fabelhaften Bauzeit von nur 39 Monaten. Ein Bauprojekt galaktischen Ausmaßes also, das nur von einer Firma bewältigt werden konnte: Die OmniCorporation. Die OmniCorporation war nicht nur die einzige Firma, die dieses Projekt realisieren konnte, sie war überhaupt die einzige Firma. Die OmniCorporation stellte alles her, vom Kaugummi bis zum Neutronendesintegrator. Einfach alles, was der moderne Mensch zum Leben benötigte. Einer ihrer Werbeslogans lautete: We made everything, expect the earth itself! (1)
(1) Gut, dass niemand bemerkte, dass eine Firma ohne jegliche Konkurrenz eigentlich überhaupt gar keine Werbung benötigte! Die Werbebranche hatte immerhin 20% des Weltweiten Arbeitsmarktes ausgemacht. Mal davon abgesehen, das sich ein fünftel der Erdbevölkerung plötzlich auf der Strasse befunden hätte, hätte sich auch der Lebensstandard der übrigen 75% plötzlich im Keller der technisierten Zivilisation wiedergefunden. Sämtliche Fernsehanstalten würden ohne Werbeunterbrechungen nur noch zwei Stunden Programm am Tag zu senden haben, die Leute würden sich in ihren Mittagspausen anschweigen, gesellschaftliche Beziehungen würden absterben und letztendlich nur der Anfang des langsamen Todes jeglicher Zivilisation sein. Nicht auszudenken! Aber soweit kam es glücklicherweise erst gar nicht.
Dabei waren sie mit der Ultima näher dran, als sie es je gewesen waren. Immerhin hatte sie die unglaubliche Größe eines durchschnittlichen Mondes und bot Platz für achthundert Millionen Menschen. Die Materialaufwendungen zum Bau dieses Interstellaren Wanderers waren so enorm, dass schon einige Wochen nach Baubeginn sämtliche Skigebiete auf der Erde geschlossen werden mussten, weil sämtliche Gebirgszüge zur Rohstoffgewinnung abgetragen wurden. Aber auch das hatte noch nicht ausgereicht. Die ewigen Gegner des unaufhaltsamen Fortschritts, sowie einige Astronomen und eine Handvoll verkappter Romantiker hatten sich wochenlang über das plötzliche Verschwinden des seit jeher so treuen Erdtrabanten gewundert. Böse Zungen hatten sogar lange hinter vorgehaltener Hand behauptet, dass die OmniCorporation und der Bau des Schiffes irgendetwas damit zu tun gehabt haben könnte.
Die Ultima war einfach ein Schiff der Superlative. Das Größte, das Schnellste, das Beste, das Längste und so weiter. Diese Aufzählung könnte noch ewig so weitergehen und hätte wohl auch, was in den Infobroschüren allerdings keinerlei Erwähnung fand, in einigen negativen Aspekten jeden Superlativ in den Schatten gestellt: Die meisten Arbeitsunfälle, die schlimmsten Baumängel, das unwirtschaftlichste Antriebssystem, um nur einige zu nennen. Um ehrlich zu sein wäre diese »schwarze« Liste wohl noch um einiges länger als die, die in der Infobroschüre zu lesen war (nebenbei die längste Infobroschüre, die es je gegeben hat). Das Guinness Buch der Rekorde von 2278 enthielt übrigens beinahe zwölftausend Einträge allein über die Ultima. Einige Wochen später brachte man noch einen Sonderband heraus.
Ein weiterer Superlativ, der sich in die Reihe der anderen gesellte, war einst die Anzahl der Besatzungsmitglieder gewesen, die man benötigte, um diesen Koloss zu fliegen. Allein um das Schiff aus seinem Konstruktionsgerüst zu manövrieren, hatte man 160.000 Mann benötigt, die die zahlreichen Steuerkontrollen bedienten, die zahlreichen Steuerdüsen steuerten, die zahlreichen Kapitänsstühle besetzten und die unzähligen Antriebsreaktoren überwachten. Wenig später entschied man sich aber doch dazu, nachträglich einen Autopiloten zu installieren.
Doch letztendlich, nachdem Milliarden Litern von Schweiß über die Schläfen ebenso vieler Arbeiter, Erzschürfer, Elektriker, Statiker, Heizungstechniker und Werbefilmproduzenten geflossen war, rückte der Moment des rituellen Stapellaufes immer näher. OmniCorporation hatte versprochen dieses Großereignis der Menschheitsgeschichte in einem gebührenden Rahmen zu feiern und rief ganz nebenbei das größte Preisausschreiben ins Leben, das die Menschheit je gesehen hatte. Verlost wurden achthundert Millionen Fahrkarten für die Jungfernfahrt. (2)
(2) Entgegen allen Erwartungen wurden in der ersten Woche gerade mal sieben Lose verkauft. 89 Experten hielten eine drei Tage dauernde Krisensitzung ab, um eine Möglichkeit zu finden, die Absatzzahlen anzukurbeln. Letztendlich entschloss man sich, folgenden Punkt aus den Teilnahmebedingungen zu streichen: Sämtliche Mitarbeiter der Firma OmniCorporation, oder einer ihrer Tochterfirmen sowie deren Verwandte und Bekannte sind von der Teilnahme des Gewinnspiels ausgeschlossen.
Fünf Minuten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung waren alle Lose ausverkauft.
Wochenlang fieberten die glücklichen Gewinner dem Moment ihres Lebens, dem Moment der Menschheitsgeschichte, dem Moment überhaupt entgegen. Der erste Flug der Ultima. Das Ziel, auf das nahezu ein ganzer Planet mehr als drei Jahre lang hingearbeitet hatte, der Gipfel des Fortschritts, eine Ode an die Zivilisation, die Krone der Evolution. Die letzten Wochen vor dem Start lag weltweit eine knisternde, gespannte Stimmung in der Luft, wie sie sonst nur Fünfjährige am heiligen Abend versprühen.
Doch dann geschah etwas ganz dummes.
Flur 749, Deck 364 (zweite Klasse)
Der Flur 749 auf Deck 364 war an sich nichts besonderes. Als einer von unendlich vielen Fluren im gewaltigsten Raumschiff der Geschichte, war er nichts weiter, als ein Sandkorn in der Sahara. Er hatte noch nicht einmal eine besondere Farbe. Er war dunkelgrau lackiert, in warmes Licht getaucht und sauberer als ein Operationssaal. Hier und da wurden die glatten Wände von einem Schott unterbrochen und der einzige Schmuck an den Wänden waren ein paar Hinweisschilder und Wegweiser. Wie alle Flure war er so lang, dass man, wo immer man auch stand, in beide Richtungen blicken konnte ohne das Ende zu sehen. An der Stelle, an dem die Sehweite eines durchschnittlichen Menschen endete verlor sich der Flur lediglich in einen kleinen schwarzen Punkt. Er war also wahrlich nichts besonderes. Dennoch sollte er in naher Zukunft Schauplatz eines wirklich bemerkenswerten Zwischenfalls werden.
Mit einem charakteristischen Summen öffnete sich eines der Schotts auf dem Flur 749 und eine hagere, glatzköpfige Figur in einem grauen Overall und einem dazu passenden ausdruckslosen Gesicht trat in das warme Licht. Unterhalb des OmniCorporation-Schriftzug auf der linken Brusttasche seines Overalls war eine schlichte 1 aufgenäht. Ohne sich umzusehen steuerte Nummer 1 den kleinen schwebenden Wagen, den er hinter sich herzog, zielstrebig den Flur entlang. An einer bestimmten Stelle blieb er plötzlich stehen, bewegte sich steif um seinen Schwebewagen herum und zog an einem der Stäbe, die in einem Köcher am Heck steckten.
Er kehrte zurück vor den Wagen und betätigte einen kleinen Knopf am oberen Ende des Stabes. Am anderen Ende bildete sich von einem leisen Summen begleitet ein feurig rotes, ovales Energiefeld. Nummer 1 setzte das Energiefeld auf dem Boden auf und begann zu wischen. Er begann zu wischen, wie er es jeden Tag tat. Jeden Tag seit nunmehr 35 Jahren. Und in diesen 35 Jahren gab es nicht einen Tag, an dem dieses Ritual anders verlaufen wäre. Nicht einmal hatte er sich zwischendurch diebisch umgesehen und sich, eine Zigarette rauchend, an die Wand gelehnt, solange ihn niemand beobachtete. Er hatte noch nicht einmal irgendwann in diesen 35 Jahren kurz innegehalten um sich am Kopf zu kratzen. Nicht einmal gehüstelt hatte er in dieser Zeit. Doch für dieses Mal hatte das Schicksal einen besonders kühnen Einfall und bog aus einer Laune heraus (oder vielleicht aus Langeweile), plötzlich vom Freeway der Ordnung ab, um fortan über den steinigen Feldweg des Chaos zu holpern.
Nummer 1 hatte weder Ahnung vom Schicksal oder der Zukunft, geschweige denn vom Chaos, deshalb wischte er mit stoischer Geduld in zentimetergenauen Bahnen über den bereits blitzblanken Flur, bis ein kleines weißes Kaninchen mit einem winzigen Tornister auf dem Rücken vor dem Energiefeld seines Wischers auftauchte. Zum erstenmal seit 35 Jahren hörte er vor dem Ende seiner Schicht auf zu wischen. Er hörte auf und starrte das Kaninchen an, das mit neugierig schnüffelndem Näschen zu ihm aufblickte.
Er hatte noch nie zuvor ein Kaninchen gesehen, geschweige denn überhaupt von der Existenz eines solchen Tieres gewusst (im Grunde genommen hatte er noch nicht mal Ahnung von der Existenz). Demzufolge wusste er auch nicht, was genau da vor ihm stand. Einzig und allein aufgrund der Tatsache, dass es sich bewegte, schloss Nummer 1, dass es sich um ein Lebewesen handeln musste. Darüber hinaus kam er vorerst zu keiner weiteren Erkenntnis. Seine anatomischen Kenntnisse reichten nicht einmal dazu aus, das zuckende Etwas in der Mitte des Gesichtes des kleinen Tieres als Nase zu identifizieren.
Doch trotz dieser nur kläglichen Ausbeute an Erkenntnissen von Nummer 1 war es der bemerkenswerteste Zwischenfall in der Geschichte der Wissenschaft, den es je gegeben hatte. Leider war kein Wissenschaftler zugegen, um diesem außergewöhnlichen und wohl auch einzigartigem Ereignis beizuwohnen. Das war aber auch besser so, wahrscheinlich hätte er vor Erfurcht und Aufregung nur einen Herzanfall bekommen und wäre auf der Stelle gestorben, noch bevor er sich der Bedeutung der Situation bewusst geworden wäre (wie wir gerade gesehen haben, ist das Schicksal mittlerweile zu allem fähig).
Denn das wahrhaft bedeutungsvolle an dieser Situation war nicht das Kaninchen oder der kleine Tornister, es war die Erkenntnis (so erbärmlich sie auch war), zu der Nummer 1 kam. Denn eigentlich ist es unmöglich, dass ein Reinigungsklon überhaupt zu einer Erkenntnis kommt. Er war genetisch einzig und allein darauf programmiert worden, an einer bestimmten Stelle zu wischen. Nicht mehr und nicht weniger. Jeder Taschenrechner hatte eine um Potenzen kompliziertere Programmierung als dieser Klon und doch gelangte er zu einer Erkenntnis. Aber es wurde noch besser.
Nachdem Nummer 1 das Kaninchen einige Sekunden, oder Minuten (es können auch Stunden oder Tage gewesen sein, Reinigungsklone haben kein Zeitgefühl) angestarrt hatte, tat er etwas schier unglaubliches.
Er sagte: »Nanu!«
Und das Kaninchen antwortete: »Mir ist langweilig, wann kommt endlich jemand und spielt mit mir?«
Na, habe ich zu viel versprochen? Wahrhaft unglaublich nicht wahr?
Übrigens, bevor sich jemand auf dieses Kaninchen versteift, sollte ich Sie vielleicht darüber aufklären, dass an dem Kaninchen wirklich nichts, aber auch überhaupt nichts außergewöhnliches ist. Es ist weder eine besondere genetische Züchtung, noch ist es in irgendeiner Form verzaubert. Eigentlich kann es auch noch nicht einmal sprechen. Sie als aufmerksamer Leser haben aber bestimmt schon daran gedacht, dass die Antwort des Kaninchens irgendwie mit dem kleinen Tornister auf seinem Rücken zusammenhängen könnte. Kurze Erklärung: Während der unglaublich kurzen Bauzeit der Ultima, stellte man plötzlich fest, dass die gelieferten Datenkabel für den Bordsprechfunk niemals ausreichen würden, um das gesamte Schiff zu verkabeln. Irgendwer hatte sich scheinbar bei der Planung um einige hundert Nullen verrechnet. Nachdem man den Schuldigen nicht hatte ausmachen können und daher vorsichtshalber den ganzen Planungsstab gefeuert hatte, entschied man sich kurzerhand dazu, abgerichtete Kaninchen einzusetzen, die mit einem kleinen Aufzeichnungsgerät auf ihrem Rücken Nachrichten aufnehmen konnten, um sie in jeden Winkel des Schiffes zu transportieren. Warum man dafür ausgerechnet Kaninchen genommen hatte, weiß ich allerdings nicht. Es steht auch nichts darüber in den Infobroschüren.
Sie sehen also, es ist wirklich nichts außergewöhnliches an dem Kaninchen, also widmen wir uns wieder Nummer 1, der gerade nicht nur sein eigenes erstes Wort über die Lippen gebracht hatte, sondern das erste Wort eines Reinigungsklons überhaupt. Sie müssen doch zugeben, dass das wirklich außergewöhnlich ist. Oder hat ihnen ihr Taschenrechner, um das Beispiel noch einmal aufzugreifen, schon einmal das Frühstück ans Bett gebracht? Nicht? Wäre auch ziemlich ungewöhnlich. Aber genug jetzt, es interessiert Sie sicherlich, wer diese Kaninchenbotschaft abgeschickt hat.
»Mit dir spielen?«, fragte Nummer 1, angesichts der Situation viel zu gefasst und ohne das Wissen, dass es sich bei seinem Gesprächspartner um eine Aufzeichnung handelte.
»Allmählich wird mir langweilig«, fuhr das Kaninchen fort. »Also kommen Sie doch bitte zu mir und spielen mit mir.« Mit einem leisen Knacken endete die Aufzeichnung, nur um einen Moment später mit einem weiteren Knacken fortzufahren. »Ach ja, ich bin im Freizeitraum 24 auf Deck 1357, direkt am Flur 415. Jedenfalls behauptet der Flipper das.« Dieses Mal endete die Aufzeichnung endgültig und das Kaninchen hoppelte unverzüglich davon.
Nummer 1 kratzte sich am Kopf als er dem Kaninchen nachblickte, zuckte mit den Schultern, steckte seinen Besen in den Schwebewagen und machte sich zu Fuß auf dem Weg zum Freizeitraum 24.
6 Monate später kam er an.
Freizeitraum 24 auf Deck 1357
Nummer 1 hatte bisher keinen anderen Ort des Schiffes gesehen, als Flur 749 auf Deck 364, und hätte er in den letzten sechs Monaten darauf geachtet, hätte er festgestellt, dass ihm dadurch wahrlich nichts entgangen war. Nichts, bis auf das Turbotransportsystem, das das Schiff durchzog wie Adern einen Körper.
Er durchschritt das Schott mit der Aufschrift Freizeitraum 24 ohne sich darüber zu wundern, das er soeben lesen gelernt hatte und fand sich in einem völlig dunklen Raum wieder. Lediglich in der hinteren rechten Ecke des Raumes, ungefähr fünfhundert Meter von ihm entfernt, ließ ein fahler Schein auf eine Lichtquelle schließen.
»Da sind sie ja endlich!«, begrüßte ihn eine heitere, aber über diese Entfernung nur leise zu hörende Stimme.
Nummer 1 durchschritt den großen Saal, der mit den modernsten und beliebtesten, elektronischen Gesellschaftsspielen und Vergnügungsautomaten angefüllt war, die die OmniCorporation je entwickelt hatte. Bis zur Decke türmten sich allerlei exotische Spielgeräte und andere Zeitvertreiber, deren genaue Funktionen Nummer 1 nicht einmal hätte erraten können, wenn er sie in der Dunkelheit gesehen hätte. Er ging einfach geradewegs auf den Lichtschimmer zu. Dort angekommen erblickte er einen kleinen Tisch mit einem nüchtern wirkenden, schwarz-weißen Quadratmuster und einen Flipperautomaten, der seine ganzen kleinen Lichtlein freudig aufblinken ließ.
»Setz dich doch«, bot ihm der Tisch hastig an und ein kleiner Stuhl fuhr aus dem Boden heraus.
Nummer 1 setzte sich.
»Möchten sie Schwarz oder Weiß?«
»Weiß«, entschied der Klon ohne wirklich zu wissen was der Tisch von ihm wollte.
Auf dem Spielfeld erschienen 32 sehr schön gestaltete Hologramme von Schachfiguren.
»Fangen sie an!«, drängelte der Tisch.
Die erstaunliche Tatsache das ausgerechnet ein Schachcomputer zur Ungeduld neigte, ist übrigens ebenfalls dem Planungsstab des Ultima-Projektes zu verdanken. Nachdem man den ganzen Stab nach der Sache mit den Datenkabeln gefeuert hatte, hatte man nämlich schnell feststellen müssen, das nur der Planungsstab selbst durch seine völlig chaotischen Pläne fernab jeglicher Struktur durchzusteigen vermochte. Daher wurde der Planungsstab kurzerhand wieder eingestellt. (2)
(2) Der gesamte Planungsstab wurde während der kompletten Konzeptions- und Bauphase insgesamt 61 mal gefeuert und kurz darauf wieder eingestellt (siehe auch Guinness Buch der Rekorde 2278, Seite 311: Häufigste Entlassung des gesamten Planungsstabes während der kompletten Konstruktions- und Bauphase eines Raumschiffs).
Es kam wie es kommen musste: Irgendjemand hatte irgendwo auf irgendeinem Lieferschein ein falsches Kreuz gemacht und so kam der Schachcomputer zu einer künstlichen Intelligenz, die eigentlich für einen der unzähligen Schokoriegelautomaten in den weiten Fluren des Schiffes bestimmt gewesen war.
Für die zweite auffällige Tatsache, dass der Schachcomputer unsinnigerweise an den Notstromkreis angeschlossen und somit immer noch aktiviert war, hätte jedoch noch nicht einmal jemand aus dem Planungsstab eine Erklärung gehabt.
Wie dem auch sei, er funktionierte und er wollte endlich spielen. Doch Nummer 1 musste ihn enttäuschen.
»Womit anfangen?«
»Mit dem Spiel.«
»Welches Spiel?«
»Schach«, erklärte der Tisch genervt. »Ich bin ein Schachspiel und ich will jetzt anfangen!«
»Ich denke, ich soll anfangen«, erwiderte Nummer 1 verwundert.
»Ja, sie sollen anfangen, damit ich auch endlich anfangen kann.«
»Dann fang du zuerst an, so sehe ich, wie es geht!«
»Das geht nicht, Sie haben weiß!«, brummte der Schachcomputer und bemerkte plötzlich etwas. »Du weißt nicht, wie es geht?«, fragte er entrüstet. Plötzlich hatte er jene Schwelle des Respektes in seinem Programm sprungartig unterschritten, die ihn dazu veranlasste, seine Gegenspieler zu Siezen.
»Nein«, antwortete Nummer 1, der noch nie etwas von Respekt gehört hatte.
Der Tisch gab einen elektronisch verzerrten Laut von sich. Das beste Äquivalent eines Seufzers, das er je hinbekommen hatte.
»Also gut, ich erklär´s dir!«
Bevor er jedoch zu seiner Erklärung ansetzen konnte, gab der Flipperautomat den eindringlichen Jingel eines gewonnenen Extraballs zum besten. Eine Tonfolge, die noch lange nach dem Hören auf ebenso unangenehme wie unerklärliche Weise beharrlich im Ohr verweilte. Der Flipperautomat versuchte so, seiner freudigen Überraschung Ausdruck zu verleihen, die er empfand, als sich die Tür am anderen Ende des Raumes ein weiteres Mal, das zweite Mal in fünfunddreißigeinhalb Jahren, öffnete und eine schlanke Gestalt im Lichtkegel erschien.
»Ah, noch jemand!«, rief der Tisch freudig aus und vergaß fürs erste seinen Ärger über Nummer 1. Aber schon einen Moment später wurde er erstmals mit den oftmals schwer nachvollziehbaren Launen des Schicksals konfrontiert. Einen Moment später trat Nummer 2 in den schummrigen Lichtkegel, der die illustre Gesellschaft umgab, ein. Der Tisch erkannte sofort, dass er Nummer 1 bis aufs Haar, oder besser gesagt bis auf die Pore glich. Er brauchte daher auch nicht mehr als nur den Bruchteil einer Millionstel Sekunde, um daraus Rückschlüsse auf Nummer 2s Schachkenntnisse zu schließen. Allerdings hatte er vor einigen Jahren eine Unterhaltung mit dem Hauptcomputer des Schiffes gehabt, in der es um das für eine Maschine nur schwer verständliche, aber irgendwie faszinierende Phänomen der Hoffnung ging. Der Tisch entschloss sich es einmal auszuprobieren.
»Kannst du Schach spielen?«, fragte er den Neuankömmling.
»Nein.«
Der Schachcomputer wollte gerade aus Frust sämtliche Daten zum Thema Hoffnung löschen, überlegte es sich im letzten Moment jedoch noch einmal anders und hoffte einfach, das es beim nächsten Mal funktionieren würde.
»Also gut, ich erklär´s euch beiden. Aber hört gut zu, ich habe keine Lust, es zweimal zu erklären!«
Bevor der Schachcomputer jedoch zu einer Erklärung ansetzen konnte, ertönte der Extraball-Jingel erneut, gerade als die letzten Echos des eindringlichen Geräusches die Gehörgänge der Anwesenden der friedlichen Stille überantwortet hatten.
Die Tür am anderen Ende des Raumes öffnete sich ein weiteres mal. Diesmal bleib der Schachcomputer jedoch stumm und spielte eine Partie gegen sich selbst. Innerhalb von zwei Sekunden waren sämtliche Figuren, bis auf die beiden Könige und einen schwarzen Bauern verschwunden. »Schach Matt!«
Der Tisch murmelte noch 21 mal »Schach Matt«, bevor der Neuankömmling in den Lichtkegel trat. Als der Schachcomputer den Neuankömmling betrachtete löschte er unvermittelt sein Hoffnungsprogramm. Er sah ebenfalls genauso aus, wie die beiden, die kurz vor ihm eingetroffen waren.
Nummer 1 Blicke wechselten verwirrt von Nummer 2 und dem Neuankömmling – auf seinem Overall stand eine 5 – hin und her. Nummer 2 erging es ebenso. Er musterte Nummer 1 und Nummer 5.
Und Nummer 5 sagte: »Ihr seht ja gleich aus!«
»Ihr auch!«, sagten Nummer 1 und 2 im Chor.
»Ihr seht alle gleich aus!«, fuhr der Tisch dazwischen, der erkannte, das sich eine lange unnötige Diskussion anbahnte.
so, das war der erste teil. der zweite existiert leider nur im layout.
aber wenn es euch gefallen hat, und ihr wissen wollt warum schokoriegelautomaten überhaupt eine inteligenz brauchen, oder was der hauptcomputer von all dem hält, dann müßt ihr mir ein wenig in den hintern treten, damit ich mich mal dransetze!
rupert