Die Ratten

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Lilja

Mitglied
Die Ratten

Der Löwe schlief sorglos in seinem Käfig. Ein prächtiges Gehege! Mit Samtteppichen und goldenen Stäben. Jeden Morgen kamen Diener und befreiten es von den Schmarotzern, die sich hineingeschlichen hatten. Außerdem brachten sie frisches Fleisch und feilten der mächtigen Katze die Krallen. An diesem Morgen kamen Rattenscharen und umzingelten den Käfig, ihre Armee reichte bis zum Horizont. Mit zornigen Augen näherten sie sich dem schlafenden Ungetüm. Kein Diener kam um sie auf Distanz zu halten, da spürten die Ratten ihre Macht. Zusammen stürzten sie sich auf den Löwen und fraßen ihn. Die stärksten Ratten fraßen sich fett und vertrieben die Übrigen aus dem Käfig. Nun schlafen sie dort, jeden Morgen kommen die Diener mit frischem Fleisch.
 
E

Edgar Wibeau

Gast
Hallo, Lilja!

Ein gelungener kleiner Text im Schatten eines großen Titels, flüssig geschrieben, das Lesen bereitet Freude. Die Aussage, die wir natürlich alle schon spätestens seit George Orwells "Animal Farm" kennen, hast du geschickt in eine Fabel verpackt: Wohlstand macht gierig, abhängig, gleichgültig und träge. Der Übersättigte wird schließlich zum wehrlosen Opfer derer, die er ausgegrenzt hat. Seine Waffen weiß er nicht mehr zu gebrauchen, sie sind nichts als wohlgepflegter Tand.
Die Revolution führt aber nicht zu gerechter Umverteilung. Die Schicht der neuen Herrschenden sichert sich eifersüchtig ihre Pfründe. Auch sie verfällt der Dekadenz.

Gruß

Christian
 



 
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