Die Schneckenkönigin

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HelenaSofie

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Die Schneckenkönigin

Endlich war es für die Schnecken so weit. Am Morgen krochen sie aus dem Erdloch heraus. Jede kleine Schnecke trug auf ihrem Rücken schon ein winziges durchsichtiges Häuschen. Kaum waren die kleinen Schnecken an der Erdoberfläche angelangt, machten sie sich, so schnell es Schnecken können, auf die Suche nach Nahrung. Dazu zählte alles, was die Farbe grün hatte. Nahrung brauchten sie so schnell wie möglich, um ihr Häuschen zu festigen, denn es war noch dünn und zart.

In der folgenden Zeit waren sie hauptsächlich mit der Suche nach frischem Grün und saftigen Früchten beschäftigt. Die kleinen Schnecken wuchsen und immer wieder kam ein neuer Streifen an den Häuschenrand dazu. Aus dem winzigen Schneckenhäuschen mit wenigen Windungen wurde ein Schneckenhaus mit vielen Windungen.

Es gab aber eine Schnecke, die war anders als alle anderen. So sehr sie auch futterte und futterte, sie blieb immer die kleinste. Und da war noch etwas. Die anderen Schnecken hatten es bemerkt, ihr selbst war es nicht aufgefallen. Die Häuser der anderen Schnecken waren nach rechts gewunden und lagen auf der rechten Seite des Kriechfußes. Das Haus der kleinen Schnecke war aber links gewunden und lag auf der linken Seite.
"Ich bin verkehrt", dachte die kleine Schnecke traurig. Aber die anderen Schnecken kümmerte das verkehrte Häuschen nicht. Die kleine Schnecke konnte all das, was die anderen Schnecken konnten und manches sogar noch ein bisschen besser. Bald dachte niemand mehr daran, dass sie anders war.

Eines Tages war das geruhsame Schneckenleben zu Ende. Eine aufregende Nachricht war zu ihnen gelangt. Der Schneckenkönig wollte vorbei kommen und sich eine Königin auswählen. Und wer wollte nicht Schneckenkönigin werden? Wonach würde der König seine Königin aussuchen? Nach dem Aussehen, nach ihrer Beweglichkeit oder war Klugheit wichtig?
Dehn- und Streckübungen wurden gemacht, der Kriechfuß von Staub und Steinchen befreit und die Schneckenhäuser poliert. Alle waren beschäftigt. Alle, bis auf die kleine Schnecke. Sie machte keine Vorbereitungen für den hohen Besuch.

Am nächsten Morgen war es so weit. Am Weidezaun an der Buchenhecke hatten sich alle versammelt. Es war noch kühl und die Wiese etwas feucht. Ideales Schneckenwetter. "So viele wollen Königin werden," dachte die kleine Schnecke, die mitgekommen war und sich das Ganze von der Buchenhecke aus ansehen wollte.
Große Aufregung herrschte unter den Schnecken, als sich der Schneckenkönig mit seinen Beratern näherte. Wer würde die Prüfung bestehen? Lange Zeit zum Überlegen blieb nicht mehr. Es ging gleich los und es wurde genau hingesehen.

Wie sah das Haus aus? War es unversehrt und stabil gebaut? Hatte es eine schöne Farbe mit deutlichen Rillen? War der Kriechfuß kräftig und gut beweglich? Die langen Fühler mit den Punktaugen mussten einen Sehtest bestehen und für die kürzeren Fühler gab es Tastübungen. Grünzeug zum Futtern lag bereit, um an Hand der Kaugeräusche die Gesundheit der vielen kleinen Reibezähnchen auf der Zunge festzustellen. Dann kam eine sportliche Aufgabe. Schneckenwettrennen bis zum nächsten Weidezaunpfahl. Einige Schnecken gaben auf. Für sie war die Anstrengung zu groß. Die schwierigste Übung kam zum Schluss. Hochklettern am Weidezaun. Ein paar Schnecken stürzten auf halbem Weg nach oben ab. Sie wollten zu schnell sein oder hatten sich vor lauter Aufregung nicht richtig festgehalten.
Endlich war es geschafft. Die Prüfung war zu Ende, die Berater des Königs wirkten müde und der König war ratlos. "Wie soll ich mich entscheiden?", fragte er sich. "Es gibt kaum Unterschiede und alle sehen fast gleich aus."

Er brauchte ein ruhiges Plätzchen zum Überlegen. Als er sich der Buchenhecke näherte, entdeckte er die kleine Schnecke. "Warum hast du an der Wahl zur Schneckenkönigin nicht teilgenommen?", fragte er überrascht.
"Das geht nicht. Ich bin doch verkehrt."
"Was heißt das, du bist verkehrt?", fragte der Schneckenkönig verständnislos.
"Mein Häuschen sitzt auf der falschen Seite und die Windungen sind verkehrt herum", antwortete die Schnecke leise.

Der König betrachtete die kleine Schnecke genau. Eine Weile war es still, dann sagte er: "Weißt du denn nicht, was das bedeutet? Das ist etwas ganz Besonderes. Es gibt nur ganz selten eine Schnecke mit einem solchen Haus. Und weil das so ist, nennt man sie Schneckenkönigin."
Die kleine Schnecke konnte kaum glauben, was sie hörte. Sie war nicht verkehrt, sondern sogar etwas Besonderes!
"Willst du auch meine Königin sein?", fragte der Schneckenkönig. Die kleine Schnecke schaute ihn an und auf einmal wurde ihr ganz warm um ihr kleines Schneckenherz. "Ja", antwortete sie und dabei wackelte ihre Stimme noch ein bisschen vor Aufregung.
 

HelenaSofie

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Die Schneckenkönigin

Endlich war es für die Schnecken so weit. Am Morgen krochen sie aus dem Erdloch heraus. Jede kleine Schnecke trug auf ihrem Rücken schon ein winziges durchsichtiges Häuschen. Kaum waren die kleinen Schnecken an der Erdoberfläche angelangt, machten sie sich, so schnell es Schnecken können, auf die Suche nach Nahrung. Dazu zählte alles, was die Farbe grün hatte. Nahrung brauchten sie so schnell wie möglich, um ihr Häuschen zu festigen, denn es war noch dünn und zart.

In der folgenden Zeit waren sie hauptsächlich mit der Suche nach frischem Grün und saftigen Früchten beschäftigt. Die kleinen Schnecken wuchsen und immer wieder kam ein neuer Streifen an den Häuschenrand dazu. Aus dem winzigen Schneckenhäuschen mit wenigen Windungen wurde ein Schneckenhaus mit vielen Windungen.

Es gab aber eine Schnecke, die war anders als alle anderen. So sehr sie auch futterte und futterte, sie blieb immer die kleinste. Und da war noch etwas. Die anderen Schnecken hatten es bemerkt, ihr selbst war es nicht aufgefallen. Die Häuser der anderen Schnecken waren nach rechts gewunden und lagen auf der rechten Seite des Kriechfußes. Das Haus der kleinen Schnecke war aber links gewunden und lag auf der linken Seite.
"Ich bin verkehrt", dachte die kleine Schnecke traurig. Aber die anderen Schnecken kümmerte das verkehrte Häuschen nicht. Die kleine Schnecke konnte all das, was die anderen Schnecken konnten und manches sogar noch ein bisschen besser. Bald dachte niemand mehr daran, dass sie anders war.

Eines Tages war das geruhsame Schneckenleben zu Ende. Eine aufregende Nachricht war zu ihnen gelangt. Der Schneckenkönig wollte vorbei kommen und sich eine Königin auswählen. Und wer wollte nicht Schneckenkönigin werden? Wonach würde der König seine Königin aussuchen? Nach dem Aussehen, nach ihrer Beweglichkeit oder war Klugheit wichtig?
Dehn- und Streckübungen wurden gemacht, der Kriechfuß von Staub und Steinchen befreit und die Schneckenhäuser poliert. Alle waren beschäftigt. Alle, bis auf die kleine Schnecke. Sie machte keine Vorbereitungen für den hohen Besuch.

Am nächsten Morgen war es so weit. Am Weidezaun an der Buchenhecke hatten sich alle versammelt. Es war noch kühl und die Wiese etwas feucht. Ideales Schneckenwetter. "So viele wollen Königin werden," dachte die kleine Schnecke, die mitgekommen war und sich das Ganze von der Buchenhecke aus ansehen wollte.
Große Aufregung herrschte unter den Schnecken, als sich der Schneckenkönig mit seinen Beratern näherte. Wer würde die Prüfung bestehen? Lange Zeit zum Überlegen blieb nicht mehr. Es ging gleich los und es wurde genau hingesehen.

Wie sah das Haus aus? War es unversehrt und stabil gebaut? Hatte es eine schöne Farbe mit deutlichen Rillen? War der Kriechfuß kräftig und gut beweglich? Die langen Fühler mit den Punktaugen mussten einen Sehtest bestehen und für die kürzeren Fühler gab es Tastübungen. Grünzeug zum Futtern lag bereit, um an Hand der Kaugeräusche die Gesundheit der vielen kleinen Reibezähnchen auf der Zunge festzustellen. Dann kam eine sportliche Aufgabe. Schneckenwettrennen bis zum nächsten Weidezaunpfahl. Einige Schnecken gaben auf. Für sie war die Anstrengung zu groß. Die schwierigste Übung kam zum Schluss. Hochklettern am Weidezaun. Ein paar Schnecken stürzten auf halbem Weg nach oben ab. Sie wollten zu schnell sein oder hatten sich vor lauter Aufregung nicht richtig festgehalten.
Endlich war es geschafft. Die Prüfung war zu Ende, die Berater des Königs wirkten müde und der König war ratlos. "Wie soll ich mich entscheiden?", fragte er sich. "Es gibt kaum Unterschiede und alle sehen fast gleich aus."

Er brauchte ein ruhiges Plätzchen zum Überlegen. Als er sich der Buchenhecke näherte, entdeckte er die kleine Schnecke. "Warum hast du an der Wahl zur Schneckenkönigin nicht teilgenommen?", fragte er überrascht.
"Das geht nicht. Ich bin doch verkehrt."
"Was heißt das, du bist verkehrt?", fragte der Schneckenkönig verständnislos.
"Mein Häuschen sitzt auf der falschen Seite und die Windungen sind verkehrt herum", antwortete die Schnecke leise.

Der König betrachtete die kleine Schnecke genau. Eine Weile war es still, dann sagte er: "Weißt du denn nicht, was das bedeutet? Das ist etwas ganz Besonderes. Es gibt nur ganz selten eine Schnecke mit einem solchen Haus. Und weil das so ist, nennt man sie Schneckenkönigin."
Die kleine Schnecke konnte kaum glauben, was sie hörte. Sie war nicht verkehrt, sondern sogar etwas Besonderes!
"Willst du auch meine Königin sein?", fragte der Schneckenkönig.

Was hat die kleine Schnecke wohl geantwortet?
 

HelenaSofie

Mitglied
Liebe Tante Oma,

wie schön, nach langer Zeit wieder etwas von Dir zu hören! Ich freue mich, dass Dir die Geschichte gefällt und sage Dir danke für die Bewertung.
Herzliche Grüße nach Österreich (?)

HelenaSofie
 

Josi

Mitglied
Liebe Helena Sofie,

eine "unvollkommene" Schnecke
wird zur Königin!
Eine schöne Geschichte die Du
da geschrieben hast!

Liebe Grüße
von Josi
 

HelenaSofie

Mitglied
Hallo Josi,

ja, das "Anderssein", das nicht der Norm Entsprechen, war der Faden für die Geschichte.
Es gibt wirklich Schneckenkönige. Man bezeichnet die Schnecken so, wenn sie ein linksgängiges Haus haben. Das ist ganz, ganz selten.
Danke für deinen Kommentar und die Bewertung.

Liebe Grüße
HelenaSofie
 



 
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