Die Schöne und das Pummelchen

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Nicole betrat den vom Tageslicht durchfluteten Saal, ließ prüfend ihren Blick über die hier ausgestellten Exponate gleiten und nickte zufrieden. So und nicht anders hatte sie sich das Ambiente für dieses Shooting vorgestellt. Sie selbst hatte das Museum für bildende Künste vorgeschlagen. Sie mied nach Möglichkeit diese Null-Acht-Fünfzehn-Studios voller hektischer Betriebsamkeit, wo man sie zwang, vor schreiend bunten Hintergründen zu posieren. Das hatte sie längst nicht mehr nötig. Stil war angesagt.

Sie warf selbstbewusst den Kopf in den Nacken und begann den Raum zu durchschreiten. Nicole lief schon lange nicht mehr – sie schritt. Während das Klacken ihrer High Heels von den Wänden widerhallte, schienen die toten Augen der hier aufgestellten Skulpturen zum Leben zu erwachen und das Super-Model mit ihren Blicken zu verfolgen. Das konnte auch gar nicht anders sein. Seit Jahren war es Nicole gewohnt, dass sich bei ihrem Erscheinen alle Augen nur auf sie richteten.

„Ach, da bist du ja, mein Pummelchen“, sagte sie plötzlich und blieb vor einem Sockel stehen, auf dem eine kleine Plastik ruhte.
Ein Künstler hatte wohl schon vor langer Zeit die Figur eines jungen Mädchens modelliert. Was die Wahl der Proportionen anging, so musste der Bildhauer vermutlich eher üppige Rundungen gemocht haben. Frech hockte das Bronze-Persönchen auf ihrem dicken Hintern und besaß auch noch den Mut, eines ihrer stämmigen Beine so weit an den Körper zu ziehen, dass sie ihr rundes Kinn darauf ablegen konnte.
Nicole streckte die Hand aus und tätschelte lächelnd das runde Pausbackengesicht.
„Hast dich überhaupt nicht verändert“, gluckste sie, während in ihr die Erinnerung an jenen Klassenausflug hoch kam.

Ziemlich lustlos waren die damals Fünfzehnjährigen durch die Ausstellungsräume geschlurft. Die Erläuterungen der Museumstante hatten lediglich zwanzig genervte Gesichter produziert.
Aber dann war einer von Nicoles Mitschülern genau auf diese kleine Plastik zugegangen und hatte lachend gebrüllt: „Schaut mal, Leute. Hier hat die dicke Nicole Modell gestanden.“
Vor allem die Mädchen hatten sich vor Lachen nicht wieder einkriegen wollen.

Nicole war heulend davon gelaufen und hatte sich erst auf einer Parkbank vor dem ehrwürdigen Gebäude wieder gefangen.
„Euch werde ich es zeigen!“, hatte sie mit verheultem, aber auch wutverzerrtem Gesicht ausgerufen und dann einen Entschluss gefasst, der ihr Leben verändern sollte.

„Brauchst mich gar nicht so ungläubig anzustarren“, sagte sie jetzt zu dem vor ihr hockenden ‚Pummelchen‘. „Schau, was aus der dicken Nicole geworden ist. Alles nur eine Frage des Willens. Ja, ich hatte Probleme mit meinem Aussehen. Später sagte mir jemand, es gäbe gar keine Probleme, sondern nur zu lösende Aufgaben. Also habe ich sie gelöst. Erst gehungert, dann ausgewogen ernährt. Erst allein und bis zum Umfallen durch den Stadtpark gejoggt, dann gezieltes körperliches und mentales Training mit diversen Personaltrainern absolviert. Erst naives Posieren vor dem Schlafzimmerspiegel, später etliche Stunden Schauspielunterricht.
Und noch Vieles mehr.
Ich habe es geschafft! Ich bin schön!“
Nicole lachte ein triumphierendes Lachen, warf die dichten langen Haare mit Schwung nach hinten und maß das kleine, dralle Bronzewesen mit einem herablassenden Blick, ehe sie nachschob: „Niemand käme mehr je auf den Gedanken, mich mit dir vergleichen zu wollen.“
„Darum würde ich auch gebeten haben!“, tönte eine unfreundliche Stimme durch den Raum.
Die Figur hatte gesprochen!
Nicole wich entgeistert zurück. Dabei setzte sie einen Fuß falsch auf, knickte um und landete unsanft mit ihrem Katalog-Hintern auf dem Parkett. Der Schmerz wurde von Entsetzen überlagert. Unter dem Make-up ganz bleich geworden, musste sie die Worte vernehmen: “Ja, du bist wunderschön. Doch komme in dreißig Jahren wieder.“ Es folgte ein leises Kichern. „Schönheit, meine liebe Nicole, die vergeht. Kunst jedoch bleibt.“
 
U

USch

Gast
Hallo Ralph,
interessante Geschichte in der Kunstszene angesiedelt, natürlich auch sehr gut geschrieben.
Nicole hat´s ja noch ganz gut hinbekommen mit ihrem Ehrgeiz und ihrer Konsequenz, doch viele pummelige und gehänselte Mädels landen in Bulemie und brauchen therapeutische Hilfe. Ich kenne mehrere solche Fälle.
LG USch
 
Lieber Ralph

Wenn dieses kleine Prosastück gefällig sein will, dann rate ich dir, anspruchsvoller zu schreiben. Durchschnittliche Unterhaltungsliteratur, mehr ist das nicht. Unnütze Füllwörter und eine unüberlegte Satzgestaltung bestärken mich in meinem Urteil.

Nicole betrat den [strike]vom Tageslicht[/strike] [blue]tageslicht[/blue]durchfluteten Saal, [strike]ließ[/strike] prüfend [blue]ließ sie[/blue] ihren Blick über die [strike]hier[/strike][blue](wo sonst)[/blue] ausgestellten Exponate gleiten[blue].[/blue] [strike]und[/strike] [blue]Sie[/blue] nickte zufrieden. So und nicht anders hatte sie sich das Ambiente für [strike]dieses[/strike] [blue]das[/blue] Shooting vorgestellt. Sie selbst hatte das Museum für bildende Künste vorgeschlagen. Sie mied nach Möglichkeit diese Null-Acht-Fünfzehn-Studios voller hektischer Betriebsamkeit, wo man sie zwang, vor schreiend bunten Hintergründen zu posieren.[blue](Den Satz nicht mit "Sie" beginnen, und achte mehr auf die Sprachmelodie.)[/blue] Das hatte sie längst nicht mehr nötig. Stil war angesagt.

Sie warf selbstbewusst[blue](schwach in der Satzstellung, und zu was für einer Phrase ist dieser Satz mittlerweile geworden)[/blue] den Kopf in den Nacken und begann den Raum zu durchschreiten. Nicole lief schon lange nicht mehr – sie schritt.[blue](Das ist schon beinahe eine Wertung deinerseits.)[/blue] Während das Klacken ihrer High Heels von den Wänden widerhallte, schienen die toten Augen der [strike]hier[/strike] aufgestellten Skulpturen zum Leben zu erwachen und das Super-Model mit ihren Blicken zu verfolgen. Das konnte auch gar nicht anders sein.[blue]Was, dass ihr selbst Skulpturen nachblicken?[/blue] Seit Jahren war es Nicole gewohnt, dass sich bei ihrem Erscheinen alle Augen nur auf sie richteten.

„Ach, da bist du ja, mein Pummelchen“, sagte sie plötzlich[blue] wer nimmt dieses "plötzlich" wahr, und bitte, ist das ein großartiger Wortschatz?[/blue]

Der Text ist überarbeitungsbedürftig.
Ein guter Stil ist angesagt, wie bei deinem Mädel.

Beste Grüße
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Gernot,

besten Dank für deine Anmerkungen zu meinem „Textlein“.
Du schreibst:
„Wenn dieses kleine Prosastück gefällig sein will, dann rate ich dir, anspruchsvoller zu schreiben. Durchschnittliche Unterhaltungsliteratur, mehr ist das nicht. Unnütze Füllwörter und eine unüberlegte Satzgestaltung bestärken mich in meinem Urteil.“

Beim Lesen dieser Zeilen und bei der Sichtung der weiter unten vorgenommenen Korrekturen spielte sich etwa Folgendes in meinem Kopf ab:

1. „Durchschnittliche Unterhaltungsliteratur“
Hm – na und? Mehr gibt der spärliche Plot ohnehin nicht her. Aber was ist, wenn diese Einschätzung auch auf alles andere, von mir Geschriebene, genauso zutrifft? Die Wahrscheinlichkeit dafür könnte hoch sein.
[blue]Fazit: Allgemeine Verunsicherung.[/blue]

2. „Unnütze Füllwörter“
Recht hat er, der Gernot! Aber diese aufdringlichen Mistviecher schmuggeln sich immer wieder in meine Texte, bleiben von mir unerkannt und stoßen nur aufmerksamen Lesern auf.
[blue]Fazit: Jede Hilfe beim Ausmerzen annehmen und …sich endlich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen.[/blue] [blue]Erster Schritt: Ich besitze seit gestern eine „Füllwortliste“, mit deren Hilfe ich meine Texte künftig etwas genauer durchforsten will.[/blue]

3. „unüberlegte Satzgestaltung“
Das ist doch wohl die Höhe! Meine Satzgestaltung soll zu wünschen übrig lassen? Wo ich doch immer davon überzeugt war, dass dies eine meiner Stärken sei. Sollte ich da irren?
Doch wenn ich ehrlich bin, hat der Gernot auch hier Recht - zumindest mit dem Adjektiv „unüberlegt“. Da hat sich etwas eingeschliffen, was sich zu verselbständigen droht.
[blue]Fazit: Ich werde künftig meine Sätze besser abklopfen müssen. (Eine Hundearbeit. Wie soll ich da jemals einen Roman abschließen können?)[/blue]

Nochmals besten Dank. Ich glaube, deine Anmerkungen waren bitter nötig. Vielleicht lassen mir die Weihnachtsfeiertage etwas Zeit, um mich über das „Pummelchen“ her zu machen. Als Übung sozusagen.

Mit den besten Wünschen für ein frohes Weihnachtsfest
grüßt Ralph
 
"Gut schreiben" können viele Menschen, lieber Ralph, das weißt du wahrscheinlich genau so gut wie ich. Aber wollen wir zu ihnen gehören, möchten wir uns damit begnügen? Nein, weder du noch ich, bestimmt nicht. Aber alles andere, was darüber hinaus geht, irgendwann einmal den Unterschied ausmacht, das ist eine Arbeit, die mit dem Ausdruck "Hundearbeit" gehörig untertrieben ist.
Und ich denke, das ist dir bewusst.
Das macht mich froh.

Liebe Grüße
Gernot
 

SanneZwei

Mitglied
Oh! Profi am Werk!

Auffällig guter Sprachrhythmus.
Mit angenehmer Leichtigkeit erzählt.

Die Geschichte könnte auch der Anfang eines Romanes sein.

Jedenfalls hätte ich gerne weitergelesen ...

Viele Grüße
Susanne
 



 
Oben Unten