Die Seele, oh, die Seele...

Rhea_Gift

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Die Seele, oh, die Seele...

I

Die Seele, oh, die Seele...
Dieses Medium, durch das alles hindurchgeht,
hinein und hinaus,
und allem einen Stempel aufdrückt,
den Stempel eines Ich,
einer Ballung von Verbindungen
in einem Käfig aus Knochen und Fleisch,
einer Ballung von Verbindungen,
gehalten an Ort und Zeit,
bis die Zeit sie einst befreit,
befreit aus diesem Käfig,
sie aus ihm entläßt – doch wohin?
In die Freiheit, das Uferlose, die Unendlichkeit.
Die sie verschluckt.
Und in abertausend Teilen wieder ausgespuckt
weiß keiner,
was wovon wo kleben bleibt.

Ist das ALLES??

II

Die Seele, oh, die Seele...
Dieser Teich, tiefer als der tiefste Ozean,
in dem etwas von dem ALLEN
sich spiegelt, sinkt und schwingt,
in Melodien nie gehört.
Schwärzer als die Nacht
verschlingt sie die Welt
in ihrer dunkelsten Stunde.
Heller als der Tag,
heller als das Funkeln der Sonne
auf den Wellen des Meeres
gießt sie sich lachend aus.

Und oh, nichts entgeht ihr,
nicht der feinste winzigste Nadelstich,
empfindsam,
grausam in ihrer Gram
schießt ihre wütende Lava
durch dieses winzige Loch
und verwüstet in einer Sekunde
alles, was ist.

Sie ist ALLES.

Der Käfig Illusion.

Die Stäbe Raster eines verzweifelten Verstandes.

Ein Hauch ihres Odems könnte Knochen zermalmen,
Fleisch verbrennen lassen.
Doch wozu?

Mit diesen knochigen Fingern
ergießt sie sich auf dieses Papier,
mit blanker Hornhaut
lacht sie dem Tag entgegen,
grüßt einen Teil von sich
im Spiegel eines anderen Augenblicks.

Mit salzigem Wasser wäscht sie
ihre krustigen Ufer blank,
schwemmt ihre Dämme hinfort,
ebnet Wege,
die sie mit weiten Schritten erkundet,
fliegt sich selbst voraus,
eilt sich nach,
und bewundert ihre Spur.

In ALLEM ist sie ALLES.


III

Die Seele, oh, die Seele...
Was wäre sie ohne die Süße einer Traube,
was die Süße ohne jauchzende Zunge?
Was wäre sie, hätte sie nie Bitteres geschmeckt?
Was wäre sie ohne ihr jauchzendes oder bitteres
Gesicht im Spiegel?

Was wäre all das ohne ALLES zu sein?
Was wäre ALLES,
könnte es sich nicht in ALLEM
immer und immer wieder
spiegeln, brechen,
aufwallen, auflösen,
und immer, immer wieder
immer neue Kreise zieh´n?

Was sind die Käfige anderes
als Steinwürfe,
unendlich viele Steinwürfe
in das ewig Gleiche,
das ewig Gleiche,
das nie zur Ruhe kommt?

Käfige, Steine – nein,
unendlich viele Sternschnuppen,
Sterne,
unendliches Blinzeln
glitzernder Augen
in unendlicher Weite
dunkelnder Nacht,
in unendlicher Tiefe
dunkelnder Pupillen.

Ein Augenblick in ALLEM,
der ALLES ist.
 



 
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