Die Siedlung unter Strom

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Janosch

Mitglied
Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern,
die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen
und prasselnd auf die regen Straßen schießen:
Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern.

Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.
Ein Kinderwagen klatscht gegen die Scheibe.
Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe,
als Fenster und Laternengläser platzen.

Der Strom: Er frisst nun alles in sich rein,
entartet was entankert werden muss
und reißt es mit sich fort - wie aus einem Guss

zerschmettert er die Siedlung querfeldein,
bis abendlich das Flussbett stille liegt
und aufgedunsne Leiber kost und wiegt.
 
H

Heidrun D.

Gast
Ein sehr schönes & kluges Sonett, Janosch.

Eine Stelle ohrt mir nicht so:

Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.
Ein Kinderwagen [blue]klatscht gegen [/blue]die Scheibe.
V2:
v - v - v - - v - v -

Vielleicht fällt dir dazu noch was ein?

Grüßle
Heidrun
 

Janosch

Mitglied
hallo heidrun,
ja die stelle kam mir beim feilen auch nicht ganz koscher vor, weils gegen gefühlsmäßig falsch betont ist. mir fällt aber nix bessres ein, finde man kanns, wenn mans jetzt laut vorlesen würde, so gelten lassen. aber vielleicht findet sich noch was.
vielen dank für deinen kommentar.
gruß janosch
 

Janosch

Mitglied
Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern,
die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen
und prasselnd auf die regen Straßen schießen:
Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern.

Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.
Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe.
Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe,
als Fenster und Laternengläser platzen.

Der Strom: Er frisst nun alles in sich rein,
entartet was entankert werden muss
und reißt es mit sich fort - wie aus einem Guss

zerschmettert er die Siedlung querfeldein,
bis abendlich das Flussbett stille liegt
und aufgedunsne Leiber kost und wiegt.
 
H

Heidrun D.

Gast
Ja.

Auf so was Einfaches muss man erstmal kommen. ;)

Liebe Grüße
Heidrun
 

Janosch

Mitglied
Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern,
die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen
und prasselnd auf die regen Straßen schießen:
Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern.

Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.
Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe.
Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe,
als Fenster und Laternengläser platzen.

Der Strom: Er frisst nun alles in sich rein,
entartet was entankert werden muss
und reißt es mit sich fort - aus einem Guss

zerschmettert er die Siedlung querfeldein,
bis abendlich das Flussbett stille liegt
und aufgedunsne Leiber kost und wiegt.
 

Janosch

Mitglied
ich geb zu, ich bin auch nicht spontan drauf gekommen. aber dann wars zum glück eifnach da, dabei ists so logisch. :)
gruß janosch
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es erinnert mich an das Gedicht "Weltende" von Jakob van Hoddis (http://lyrik.antikoerperchen.de/jakob-van-hoddis-weltende,textbearbeitung,149.html) http://lyrik.antikoerperchen.de/jakob-van-hoddis-weltende,textbearbeitung,149.html . Die ganze Stimmung ist ähnlich - mit einem wesentlichen Unterschied: Bei Dir ist es tragisch, bei van Hoddis dagegen grotesk.

Du verwendest einen ähnlichen Reihungsstil. Hierdurch wird die Wirkung verstärkt.
 

Janosch

Mitglied
ein herrliches gedicht, danke für den link. intressant auch etwas theoretisches wie z.b. über den reihungsstil zu erfahren. man merkt auf jeden fall die nähe zu heym. dieser mag vielleicht pompöser und sprachgewaltiger daherkommen, dafür ist "weltende" in der tat sehr grotesk und eigen. ich mag dieses emotionslose beschreiben.
gruß janosch
 

Rhea_Gift

Mitglied
Gefällt mir, starke Bilder - entartet was entankert gefällt mir besonders... nur das "stille" am Ende nicht so ganz - vielleicht ruhig oder schweigend statt dessen? Wegen dem u wäre ruhig vielleicht ganz passend... schweigend wäre inhaltlich schöner und der stille näher... hmmmm... ist nur ein Vorschlag, denn stille passt ja irgendwie auch...

LG, Rhea
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich denke, an dieser Stelle ist "stille" stärker.

1. Lautwiederholung in der betonten Silbe,
2. ein seltenes Wort, "ruhig" ist dagegen häufig in diesem Zusammenhang.

Für "ruhig" spricht dagegen das lautmalerische, langsam gemessene.

PS: An Georg Heim erinnert die Grundstimmung stark. Ebenso etwas an Trakl.

Das van-Hoddis-Gedicht hat eine ganze Lyrikwelle mit ausgelöst und beflügelt. Es hat sowohl den Expressionismus, als den Dadaismus beeinflusst.

Dein Gedicht ist eher in der expressionistischen Tradition.
 

Janosch

Mitglied
hallo rhea,
ich bin noch am überlegen. schweigend würde mir spontan noch ganz gut gefallen, da es mit leiber aus der letzten strophe einigermaßen korrespondiert. ich bin mir aber noch nicht so sicher. vielleicht hab ich den bessren überblick, wenn ich das gedicht in geraumer zeit mit etwas mehr abstand betrachten kann.

hallo bernd,
ja, das mit trakl und heym hab ich auch schon gehört in bezug auf das gedicht, ich selber hab sogar grad einen heym gedichtband auf dem klo herumkullern. ;)
ich mag deren sprache - heym noch ein wenig mehr.

gruß an euch
jan
 



 
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