Die Spieluhr

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Antaris

Mitglied
"Mich friert", klagte die zierliche Tänzerin gerade so laut, dass ihr Begleiter es hören konnte. Mit eiserner Mine hielt der sie so fest in den Armen, als habe er sich noch nie bewegt. Aufreicht und stumm stand er da im fahlen Morgenlicht, obwohl der Wind immer kälter durch die Ritzen des Dachgebälks pfiff. Eisige Kristallsplitter und sogar einzelne Schneeflocken stieben bis auf die abgenutzten Holzdielen auf den Boden wo sie sich in die staubigen Nichen zwischen den altmodischen Möbeln und and die anderen ausrangierten Gegenstände setzten.

"Mich friert so entsetzlich", wiederholte die Tänzerin, "und es ist, als ob es nie wieder hell werden soll in unserer Welt."

"Heute schneit es eben, und zu diesem Anlass sind wir zugegebenermaßen unpassend gekleidet, aber es läßt sich nicht ändern", antwortete ihr Begleiter, der über ihre Frisur hinweg ins Leere blickte.

"Damals als wir ins Haus kamen war auch tiefster Winter", sprach die Tänzerin. "Wir standen tagelang mitten auf dem Wohnzimmeritisch und tanzten. Die Kinder stritten sich darum, wer das Spielwerk aufziehen durfte und dann leuchteten ihre Augen vor Glück wenn wir tanzten. Auch später haben sie immer wieder das Spielwerk aufgezogen, und wenn sie Hausaufgaben machten, miteinander spielten, oder sich Geschichten erzählen ließen, standen wir auf dem Regal und gaben acht." Aprupt stoppte sie und es schien, als legte sich ein grauer Schatten auf ihr bleiches Gesicht, dabei trieb der Wind draußen nur eine besonders mächtige Schneewolke vor sich her.

"Ich wünschte", ich könnte noch einmal tanzen", sprach sie schließlich, "vielleicht nur eineinziges Mal. Sie bräuchten uns nur vom Dachboden zu holen. Glaubst du denn, die Menschen werden nicht mehr glücklich wenn sie uns beim Tanzen zuschauen?"

"Die Kinder sind längst erwachsen und leben woanders", antwortete er gereizt. "Sie studieren, arbeiten, und sind wichtig. Statt Hausaufgaben machen sie Steuererklärungen, und sie spielen nicht mehr, sie spekulieren höchstens ein wenig. Die Märchen und Geschichten haben sie längst vergessen, und uns auch.. DIe Leute im Haus sind alt geworden. Das Treppensteigen macht ihnen Mühe, und so lange sie nicht heraufkommen lassen sie uns wenigstens in Ruhe."

Nachdenklich schwieg die Tänzerin. "Der Müllwagen mit den eisernen Zähnen, ist das der Tod?" fragte sie schließlich.

"Er mag eines von unzähligen Gesichtern sein, wer weiß. Über den Tod zu sinnieren ist ebenso müßig wie sich Dinge aus der Vergangenheit zurück zu wünschen", nörgelte er. "Eines Tages, wenn die alten Leute gestorben sind wird schon jemand heraufkommen und alles hier räumen. Dagegen können wir nichts ausrichten. Bis dahin gilt es Haltung zu bewahren."

War die Tänzerin nun gekränkt oder entmutigt? Sie sprach kein einziges Wort mehr, auch nicht als die Tür zum Dachboden aufgestoßen wurde und ein Fremder die Treppe herauf kam. Suchend schweiften seine Blicke durch den Raum. "Der Anschlusskasten ist auf der anderen Seite, gegenüber dem Fenster am Schornstein", rief eine Männerstimme von unten.

Missmutig öffnete der Fremde die Blechtüre und begann, im Inneren des Anschlusskastens zu schrauben. Er fluchte leise als er ein Ersatzteil nicht auf Anhieb in seiner Wekzeugkiste fand, griff in seine Jackentasche, und dann fiel sein Blich auf die Tänzerin. Das gerade gefundene Ersatzteil legte er auf den schiefbeinigen Tisch neben dem Schornstein um die Spieluhr in seine Hände zu nehmen. Erschreckend groß, derb und schmutzig waren die Hände, der Riss, der sich quer über das schwarze Plastikgehäuse zog, verschwand fast ganz in ihnen.

Die Tänzerin ließ sich nichts anmerken und rührte sich nicht einmal als der Fremde den Staub von ihrem Klein blies. Wer konnte wissen, dass ihr vergílbtes Kleid einmal strahlend wei? gewesen war? Auch der goldene Saum war längst stumpf geworden, nur der schwarze Abendanzug ihres Bel´gleiters hatte sich etwas besser gehalten. Mit klammen Fingern drehgte der Fremde den Schlüssel einige Male, und als er dén Schlüssel losliße tanzten beide Figurne genau so, wie sie schon unzählige Malezu ihrem einfachen Lied getanzt hatten. Sie tanzten langsamer als die Musik langsamer lief und blieben schließlich stehen mit dem letzten Ton der verklang.

"Kommen Sie zurecht?" klang die Stimme von unten gerade als der Fremde noch einmal den Schlüssel umdrehen wollte.

"Bin gleich fertig", antwortete der Fremde, stellte die Spieluhr zurück und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. "So, jetzt müßte wieder alles funktionieren", rief er wenig später, schloss die Blechtüre und verließ den Dachboden mit der Spieluhr in seinem Werkzeugkasten.
 

gladiator

Mitglied
Hallo Antaris...

Eine schöne, melancholische Geschichte. Das nächste Mal solltest Du ein Rechtschreibprogramm über den Text laufen lassen :D.

Ich habe sprachlich nichts anzumerken.

Vielleicht hätte ich es von Aufbau her erst sehr viel später deutlich gemacht, daß es sich um eine Spieluhr handelt. Vielleicht sogar erst in dem Moment, in dem der Techniker das Spielzeug aufnimmt. Das hätte den Aha-Effekt verstärkt.

Ist aber nur so ein Gedanke.

Gruß
Gladiator
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Antaris,

ich gebe zu: Die Geschichte hat mich inhaltlich nicht gerade vom Hocker gerissen. Irgendwie war ich vom Schluß enttäuscht. Ich wüßte aber auch nicht, wie man eine zündendere Pointe hätte finden können. Aber eines fiel mir sehr angenehm auf. Du schreibst für meine Begriffe verdammt gut. Handwerklich gibt es wohl kaum was zu meckern. Und Rechtschreibfehler? Ich halte sie für vermeidbare Flüchtigkeitsfehler. Auf jeden Fall bin ich mal gespannt, was noch von dir kommt.

Gruß Ralph
 

Antaris

Mitglied
Hallo Jungs,

zunächst herzlichen Dank für die konstruktive Kritik. Ich habe diese Geschichte gerade deswegen ausgewählt weil sie nicht gerade meine stärkste Geschichte ist. Da ist zwar dieses flaue Gefühl, das irgendwas an der Geschichte verbesserungsbedürftig ist, und ich wollte gerne wissen, wie andere die Geschichte sehen.

Zu meinen technischen Problemen: An diesem Rechner läßt sich weder das Rechtschreibekorrekturprogramm noch die Kopierfunktion aktivieren. Ich muss also jeden Text den ich ins Netz stelle abtippen, daran führt kein Weg vorbei. Irgendwann wenn bei mir mal der Reichtum ausbricht kaufe ich mir einen anderen Rechner, das ist versprochen.

Gruß

Antaris
 
L

leonie

Gast
hallo antaris

na wenn das einer deiner schwächeren geschichten ist, bin ich sehr auf die besseren gespannt. Ich selbst habe es genossen sie zu lesen. etwas traurig am anfang, und dann der wunsch noch einmal tanzen zu können, der in erfüllung geht. tat mir gut, nachdem ihr Tanzpartner eigentlich schon mit allem abgeschlossen hatte. ich liebe geschichten die gut ausgehen.
ganz liebe grüße leonie
 

Antaris

Mitglied
Hallo Leonie,

schön, dass Dir meine Geschichte gefällt. Seltsamerweise ist sie mir auf der Beerdigung meines Opas eingefallen vor etwa einem halben Jahr eingefallen, und seither habe ich das Gefühlt, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Vielleicht liegt es daren, dass die Charaktäre relativ schwach sind.

Viele Grüße

Antaris
 
L

leonie

Gast
hallo antaris

Vielleicht sollte die tänzerin ihre meinung besser vertreten. ihr partner ist ja sehr pessimistisch und hat einfach aufgegeben, aber sie selbst hat noch träume und wünsche, die sie besser verteidigen könnte. ein streitgespräch zwischen den beiden würde der geschichte vielleicht ganz gut tun.
ganz liebe grüße leonie
 

Antaris

Mitglied
Hallo Leonie,

Du hast recht, das ist ein Weg, und Dein Vorschlag deckt sich ungefähr mit dem vom Gladiator. Wenn ich die Tatsache, dass es ich um Plastikpuppen handelt dem Leser subtiler nahe bringen kann, kann die Tänzerin auch stärker agieren.

Streichele Deine kleinen Katzen

Gruß

Antaris
 
L

leonie

Gast
hallo antaris

werde ich mit vergnügen machen und viel spass beim überarbeiten, bin gespannt auf deine lösung.
ganz liebe grüße leonie
 

Antaris

Mitglied
Hallo Leonie,

den Gefallen will ich Dir gerne tun, aber fasse Dich bitte in Geduld. Außerdem schreibe ich sehr langsam, wenn es gut läuft, schaffe ich eine Seite pro Tag, und manchmal dauert es Wochen, bis ich mich entschließe, etwas aufzuschreiben. Zur Zeit komme ich ohnehin kaum zum Schreiben, auch meine jüngsten Geschöpfe (Anna, Carsten und Marco, siehe auch unter Erotik) gammeln schon zu lange untätig auf meiner Festplatte herum.

Dafür habe ich hoffentlich bald ein paar Mark übrig, um mir einen vernünftig konfigurierten Rechner anzuschaffen.

Gruß auch an Deine Katzen

Antaris
 
L

leonie

Gast
schnurrende grüße zurück antaris

lass dir ruhig zeit, auch brauche für meine texte immer länger, aber schließlich schaffe ich es doch. mit dem pc, das kann ich dir gut nachfühlen, warte auch darauf das ich mir bald einen besseren anschaffen kann, aber ein wenig muss ich noch sparen, sofern nicht noch kaputte hosen, schuhe und was weiß ich noch meiner kinder dazwischen kommen.
ganz liebe grüße leonie
 



 
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