Die Stille ist ein Raum

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bookwriter

Mitglied
Vorweg: Der Text ist eine Betrachtung, d.h. ihm liegt ein journalistischer Gedanke zu Grunde. Da es aber ein relativ szenischer Text ist, habe ich mir gedacht, dass er hier besser aufgehoben ist. Vielleicht irre ich mich, sagt es mir.



Die Stille ist ein Raum

Der schlichte Teppich schluckt jedes Geräusch. Darauf runde Kissen auf dem Boden und einige Stühle. Alles ist im selben Farbton gehalten. Die Luft hängt in dem kleinen Raum unbeweglich zwischen den Wänden. Angenehme Wärme. Das Licht durchdringt nur schwach die schweren Vorhänge an den Fenstern, fällt gedimmt von Deckenstrahlern. Unwirkliches Licht bricht durch den gewebten Wandteppich. Es überwindet die symbolhafte Finsternis des Gewebes. Kein Laut, nur leise Atemgeräusche von den Anwesenden. Stille.
[ 5]Raum der Stille.
[ 5]Hier im Brandenburger Tor finden sich Menschen, egal welcher Abstammung, egal welcher Religion, Hautfarbe oder der körperlichen Verfassung. Ein Zusammenkommen der Unterschiede. Man redet nicht, diskutiert nicht, streitet nicht - man ist still. Sie verbindet jeden auf der Welt: die Stille. Das Wegkommen vom Lärm der Welt, einkehren in eine Harmonie. Harmonie über sich selbst - Harmonie zwischen den Menschen. Der Raum der Stille ist ein Ort des privaten und des zwischenmenschlichen Friedens.
[ 5]Eine Frau atmet hörbar. Ihre Kleider sind abgetragen, die Gesundheitssandaletten zeugen von langen Wegen. Ruhig sitzend hat sie ihre Augen geschlossen, hält ein Blatt auf ihrem Schoß. Die Broschüre des Raumes der Stille. Darauf stehen Worte - hebräisch. Neben ihr sitzt ein Mann. Sein dunkles Sakko und die schwarzen Lederschuhe sprechen von Geld. Ein deutsches Namensschild hängt an seiner Brusttasche.
[ 5]Ihre Blicke treffen sich. Keine Worte fallen. Keine mimische Regung. Hier ist jeder für sich allein.
[ 5]Man fühlt sich wohl, geborgen. Doch sogar hier vernimmt man den Ruf der Außenwelt. Die Zeit drängt. Nicht hier drin - im Raum der Stille schlägt keine Zeit, aber man hört sie an der Tür klopfen. Die Welt zerrt einen zurück.
[ 5]Und so folgt man dem Ruf, geht entlang des Weges hinaus aus dem Raum der Stille. Beim Passieren der Tür schwillt die Lautstärke an. Das Brummen der Fahrzeuge, kreischende Reifen, schrilles Murmeln der Menge. Die ersten Schritte weg vom Raum der Stille im Brandenburger Tor fallen schwer. Die Hauptschlagader der Stadt pulsiert. Unangenehm drängt die Lautstärke zurück. Und man weiß: die Stille ist ein Raum.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
da

is man nu balina un lernt durch t intanet die eijene schdatt kenn. interesanter text. nur: "Darauf stehen unverständliche Worte, hebräisch." ich denke, wenn die frau diese blätter in der hand hat, wird sie die sprache auch verstehen. dass du sie nicht verstehst, ist nicht allgemein gültig. hier braucht es die einfügung "mir unverständliche".
ganz lieb grüßt
 

Rumpelsstilzchen

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hast ein Still-Leben in Szene gesetzt.
Hab's gerne betrachtet.
Nur erzählt hat's nix.
War ganz still.

Noch keine Geschichte, aber kurze Prosa.
Wächst vielleicht noch...

Hat die Stille gebrochen und ist aus dem Ohr gebrochen
 

bookwriter

Mitglied
Danke

Danke für eure Antworten.

Das haben Betrachtungen so an sich, dass sie etwas statisch sind und deshalb die Handlung schnell verloren geht.

Was das "Darauf stehen unverständliche Worte, hebräisch." angeht, so werde ich das ändern. Der Einwand ist berechtigt.

Kleine Geschichte zum Text: Ich sollte bis Redaktionsschluss noch ne kleine Story ausfindig machen (war nur eine Art Schreibwerkstatt) und da ich kurz davor im Raum der Stille war, entschloss ich mich den Text an dem Thema aufzuziehen. Schlussendlich, nach einer langen Nacht anstrengendem Redigierends, war der Artikel "druckreif". Im Nachhinein meinte meine Chefredakteurin, dass es einer der besten Artikel war. *freu* (Sie ist halt auch nur ne Journalistin und beurteilt aus journalistischer Sicht einen solchen Text, wobei mir die Meinung aus dem Fachbereich Prosa doch etwas wichtiger ist als ihre.)
 

Rumpelsstilzchen

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hab's wohl zu stilzisch formuliert.
Noch mal platt:
Der Text ist nicht schlecht.
Aber eine Kurzgeschichte ist er auch nicht.
Eben ein Stilleben. Das in die Kurzprosa gehört.
Gäbe aber guten Stoff für eine Kurzgeschichte, wenn Du sie denn schriebest.

Hat sein Plätteisen gegriffen und ist mit Dampf davon gepfiffen
 

bookwriter

Mitglied
Hm....

Hm... Ich habe jetzt ersteinmal an einer anderen Kurzgeschichte geschrieben und denke, dass ich es vorerst bei der Betrachtung lasse. Wenn irgendwann "Gras drüber gewachsen" ist, dann nehm ich mit den Text nochmal hervor und schau, was sich draus machen lässt. Und dann freu ich mich natürlich wieder auf eure Meinung zu meinem Geschreibsel.

Liebe Grüße
Jonny
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
"Wenn irgendwann "Gras drüber gewachsen" ist, dann nehm ich mit den Text nochmal hervor und schau, was sich draus machen lässt."

Hallo bookwriter,

Aber warum denn 'dann'? JETZT wird dein Text gelesen; wenn du ihn irgendwann überarbeiten willst, kannst du ihn auch jetzt herausnehmen und nach deiner Überarbeitung neu posten.

Grüße von Zeder
 

bookwriter

Mitglied
Dein Einwand ist ja berechtigt. Ich würde auch gern jetzt schreiben, aber ich hab echt keine Zeit: Morgen ein Date (endlich wieder *g*), am Samstag zur Vorlesung an die Uni und nächste Woche schreibe ich drei Klausuren. Da ist echt keine Zeit für meine Lieblingsbeschäftigung. Leider...

Sobald ich wieder Zeit habe, setze ich mich sofort ran - versprochen!

Liebe Grüße
Jonny
 



 
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