Die Treppenfrau

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nisavi

Mitglied
Ich steige ins Tal hinab.

Eine alte Frau kommt mir entgegen.

Das Laufen fällt ihr schwer. Unendlich schwer. Sie geht gebückt, erklimmt einige der staubigen Stufen auf allen vieren.

Die Greisin ist in einen leuchtend grünen Schleier und ein kobaltblaues Gewand gehüllt.
Wenn sie sich bewegt, sieht man silbernen Schmuck unter ihrer Kleidung blinken.

Ich halte ein. Trete zur Seite. Will abwarten. Höflich sein. Sie vorbeilassen.

Als die Alte endlich auf meiner Höhe angelangt ist, richtet sie sich zu meiner Überraschung auf. Sie tritt an mich heran. Ganz nah. Ich kann ihren Atem spüren.

Dann nimmt sie sanft die Innenseite meiner Hand und legt für einen Lebensmoment ihre kühle, papierene Handfläche dagegen.

Sie schaut mich an. Ernst und durchdringend.

Wenn sie sprechen würde, ich könnte sie nicht verstehen.

Aber in ihren Augen sehe ich Freude. Und Trauer. Sie hat geliebt. Gehofft. Geträumt. Gehasst. Verloren. Gewonnen.

Wie ich.

Zart grüßt sie mein Kind, so, wie sie mich soeben gegrüßt hat. So muss sie auch die eigenen Töchter berührt haben. Vor vielen Jahren.

Im Tal.

Schließlich wendet sich ab und setzt ihren beschwerlichen Weg fort. Ich sehe ihr nach.

Nach wenigen Schritten dreht sie sich noch einmal um, so, als habe sie etwas vergessen.

Den Mann. Und die Söhne.

Sie grüßt sie zum Abschied mit erhobener Hand und verschwindet aus meinem Blickfeld.

Sie läuft die Stufen meiner Erinnerung hinauf.

Die Treppenfrau.
 

nisavi

Mitglied
Ich steige ins Tal hinab.

Eine alte Frau kommt mir entgegen.

Das Laufen fällt ihr schwer. Unendlich schwer. Sie geht gebückt, erklimmt einige der staubigen Stufen auf allen vieren.

Die Greisin ist in einen leuchtend grünen Schleier und ein kobaltblaues Gewand gehüllt.
Wenn sie sich bewegt, sieht man silbernen Schmuck unter ihrer Kleidung blinken.

Ich halte ein. Trete zur Seite. Will abwarten. Höflich sein. Sie vorbeilassen.

Als die Alte endlich auf meiner Höhe angelangt ist, richtet sie sich zu meiner Überraschung auf. Sie tritt an mich heran. Ganz nah. Ich kann ihren Atem spüren.

Dann nimmt sie sanft die Innenseite meiner Hand und legt für einen Lebensmoment ihre kühle, papierene Handfläche dagegen.

Sie schaut mich an. Ernst und durchdringend.

Wenn sie sprechen würde, ich könnte sie nicht verstehen.

Aber in ihren Augen sehe ich Freude. Und Trauer. Sie hat geliebt. Gehofft. Geträumt. Gehasst. Verloren. Gewonnen.

Wie ich.

Zart grüßt sie mein Kind, so, wie sie mich soeben gegrüßt hat. So muss sie auch die eigenen Töchter berührt haben. Vor vielen Jahren.

Im Tal.

Schließlich wendet sich ab und setzt ihren beschwerlichen Weg fort. Ich sehe ihr nach.

Nach wenigen Schritten dreht sie sich noch einmal um, so, als habe sie etwas vergessen.

Den Mann. Und die Söhne.

Sie grüßt zum Abschied mit erhobener Hand und verschwindet aus meinem Blickfeld.

Sie läuft die Stufen meiner Erinnerung hinauf.

Die Treppenfrau.
 
B

bluefin

Gast
für sich genommen sind das sehr schöne bilder. man betrachtet sie, und bevor man sie wieder weglegt, denkt man darüber nach, was einen daran, so präsentiert, denn stört.

nach einer tasse kaffee schreibt man: "liebe @nisavi, wahrscheinlich ist jedem von uns schon einmal eine alte frau begegnet, die solche gefühle ausgelöst hat - in einem bergdorf, in sizilien, in indien oder irgendwo. dass sich zwei (drei) generationen auf einer mühsam zu steigenden treppe begegnen, ist ein schöner gedanke. leider gehen die die personen aus sicht des walfisches den falschen weg: mit der jungen geht's abwärts in den graben, und die alte dame steigt auf; letztere kriecht auf allen vieren und hat doch schöne, bunte kleider an; an ihrem fauligen atem ist nichts abstoßendes; obwohl sie sich so nachdrücklich abgeschunden hat, ist ihre zuvor in den dreck gestemmte handfläche papierern kühl.

erinnerungen liegen nicht oben im licht, sondern unten im tal der könige, und wer sie nochmal sehen will, muss graben.

die ansage, dass man das idiom der landessprache nicht beherrscht, ist in einem stummfilm wie diesem entbehrlich, ebenso wie viele andere, meiner ansicht nach überflüssigen untertitel: du darfst den kinogängern schon einiges zutrauen, @nisavi.

nur eins ist wirklich unentbehrlich: ein "sie" nach "schließlich wendet".

tipp: den film rückwärts abspulen und nicht so viele gebrauchsanweisungen in die squenzen hineinschreiben - dann wird's so was hübsches, das man sich's ins regal stellen oder an die wand hängen mag.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

nisavi

Mitglied
lieber bluefin. danke für deine antwort. du gibst viele wertvolle anstöße. ich kann (fast) alles nachvollziehen, aber es ist schwer, den stummfilm rückwärts laufen zu lassen.

statt weiterer ausführungen eine sequenz:





Die Treppenfrau geht die Stufen meiner Erinnerung herauf.

Das Laufen fällt ihr schwer. Unendlich schwer. Sie geht gebückt, erklimmt einige der staubigen Stufen auf allen vieren.
Die Greisin ist in einen leuchtend grünen Schleier und ein kobaltblaues Gewand gehüllt. Wenn sie sich bewegt, sieht man silbernen Schmuck unter ihrer Kleidung blinken.

Sie grüßt mit erhobener Hand. Den Mann. Und die Söhne.

Plötzlich dreht sich noch einmal um, so, als habe sie etwas vergessen.
Unter uns liegt ihr Tal. Sanft grüßt sie mein Kind.

In den Augen der Frau sehe ich Freude. Und Trauer. Sie hat geliebt. Gehofft. Geträumt. Gehasst. Verloren. Gewonnen.

Sie schaut mich an. Ernst und durchdringend.
Sanft nimmt sie die Innenseite meiner Hand und legt für einen pulsierenden Moment die eigene kühle, pergamentene Handfläche dagegen.

Sie richtet sich zu meiner Überraschung auf. Tritt an mich heran. Ganz nah, sodass ich ihren Atem spüre.

Ich halte ein. Trete zur Seite. Will abwarten. Höflich sein. Sie vorbeilassen.
 
B

bluefin

Gast
eigentlich, liebe @nisavi, mag ich gar nicht in den manuskripten dritter herumredigieren (außer, ich krieg geld dafür): es ist, als ob man jemandem an die unterwäsche geht. aber in einem forum, in dem man mehr und mehr abhärtet, kann man's ja ab und zu tun, so wie hier:
[strike]Ich steige ins Tal hinab. [/strike][blue]Wir steigen die steile Felsentreppe hinauf[/blue].

Eine alte Frau kommt [strike]mir[/strike] [blue]uns[/blue] entgegen. Das [strike]Laufen[/strike] [blue]Gehen[/blue] fällt ihr [strike]schwer.[/strike] [blue]u[/blue]nendlich schwer. [strike]Sie geht [/strike][blue]G[/blue]ebückt, [strike]erklimmt einige der [/strike][blue]kommt sie die [/blue]staubigen Stufen [blue]herab [/blue][strike]auf allen vieren.[/strike], [blue]hält immer wieder inne.[/blue]

Die Greisin ist in einen leuchtend grünen Schleier und ein kobaltblaues Gewand gehüllt.
Wenn sie sich bewegt, sieht man silbernen Schmuck unter ihrer Kleidung blinken.

Ich halte ein. Trete zur Seite. Will abwarten. Höflich sein. Sie vorbeilassen.

Als die Alte endlich [strike]auf meiner Höhe [/strike]angelangt ist, richtet sie sich zu meiner Überraschung auf. Sie tritt [blue]ganz nah [/blue]an mich heran.[strike] Ganz nah.[/strike] Ich kann ihren [blue]alten[/blue] Atem spüren.

[strike]Dann[/strike] [blue]Wortlos[/blue] [strike]nimmt sie sanft die Innenseite meiner Hand und[/strike] legt [blue]sie[/blue] für einen Lebensmoment ihre kühle, papierene Handfläche [strike]da[/strike]gegen [blue]meine heiße, feuchte[/blue].

Sie schaut mich an. Ernst und durchdringend.

[strike]Wenn sie sprechen würde, ich könnte sie nicht verstehen.[/strike]

[strike]Aber [/strike][blue]I[/blue]n ihren Augen sehe ich Freude [blue]u[/blue]nd Trauer. Sie hat geliebt, [blue]g[/blue]ehofft, [blue]g[/blue]eträumt, [blue]g[/blue]ehasst, [blue]v[/blue]erloren. Gewonnen.

Wie ich.

Zart grüßt sie mein Kind[strike], so, wie sie mich soeben gegrüßt hat[/strike]. So muss sie auch die eigenen Töchter berührt haben. Vor vielen Jahren.

[strike]Im Tal. [/strike]

Schließlich wendet [blue]sie[/blue] sich ab und setzt ihren beschwerlichen Weg fort. [strike]Ich[/strike] Wir sehe[blue]n[/blue] ihr nach.

Nach wenigen Schritten dreht sie sich noch einmal um, [strike]so,[/strike] als habe sie etwas vergessen.

[strike]Den[/strike] [blue]Der[/blue] Mann [blue]u[/blue]nd die Söhne[blue]?[/blue]

Sie [strike]grüßt zum Abschied mit erhobener [/strike] hebt die Hand und verschwindet aus [strike]meinem[/strike] [blue]unserem[/blue] Blickfeld, [strike]Sie läuft [/strike]die Stufen meiner Erinnerung[blue]en[/blue] [strike]hinauf[/strike] hinabsteigend.

[strike]Die Treppenfrau.[/strike]
es sind nur unverbindliche vorschläge - sie ändern an deinem text (außer der laufrichtung) nichts wesentlich, sondern befreien den leser von ein paar unnötigen zwängen.

vielleicht kannst du ja etwas damit anfangen.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 



 
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