Die Verkäuferin

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kuehen

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Am Tag als sie im Fernsehen sagten, dass Olaf Palme erschossen wurde, redeten sie das erste Mal darüber, in eine neue Stadt zu gehen. Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun und doch erinnerte sie sich so daran, als ob das der Fall wäre. Der Mann im Fernsehen hatte gesagt, dass Olaf Palme tot wäre und sie fragte ihren Mann, wer Olaf Palme denn sei, doch bevor der antworten konnte, sagte der Fernseher, wer er war und ihr Mann sagte noch einmal, warum sie in eine neue Stadt müssten.
Nun stand sie hier am Fenster, in ihrer neuen Wohnung, in der neuen Stadt. Sah hinunter auf den Hinterhof, der, wie sie und ihr Mann scherzten, ihnen ganz allein gehörte. Sie waren die Einzigen, die ihn nutzen. Niemand sonst hängte dort Wäsche auf, Niemand sonst stellte Fahrräder dort ab. Der Hinterhof war über eine breite Durchfahrt von der Straße aus für jeden erreichbar und doch kam nie jemand hinein. Es gab einen kleinen Spielplatz, doch selbst wenn es hier Kinder gab, ignorierten sie ihn. Vielleicht war er ihnen zu leicht einsehbar und sie gingen lieber dahin, wo sie ungestört rauchen konnten. Sie sah, wie eine Familie auf den Hof kam. Sie und er in Begleitung eines kleinen Jungen. Alle drei waren warm in grau verpackt. Sie standen da, der Junge an der Hand der Mutter und sahen sich um. Sahen den Spielplatz, sahen die Wäscheleine, sahen ihr Fahrrad. Ihr Mann war mit seinem zur Arbeit gefahren. Dann gingen die drei durch die Durchfahrt zurück auf die Straße und sie überkam am Fenster stehend das Gefühl, dass sie die Fremde mit in die neue Stadt gebracht hätten. Sie hatten sich durch den Umzug selber infiziert und dann den Hinterhof angesteckt. Plötzlich bekam sie Angst. Angst sich umzudrehen, ihre leere Wohnung zu sehen, Angst, denn Fernseher einzuschalten. Sie würde hier stehen bleiben, ihre Arme vor der Brust verschränkt und darauf warten, dass ihr Mann käme und die grauenvolle Stille aus der Wohnung vertrieb. Zehn Minuten später ging sie hinüber in die Küche. Ließ sich an der Spüle ein Glas Wasser vollaufen, trank es, bevor sie sich an den Tisch setzte, zur Hälfte leer und stellte es dann es vor sich hin. So saß sie immer noch, als ihr Mann nach Hause kam.
 

herb

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Ursprünglich veröffentlicht von kuehen
Der Mann im Fernsehen hatte gesagt, dass Olaf Palme tot wäre und sie fragte ihren Mann, wer Olaf Palme denn sei, doch bevor der antworten konnte, sagten die im Fernsehen, wer er war und ihr Mann sagte noch einmal, warum sie in eine neue Stadt müssten.
Der Mann im Fernsehen hatte gesagt, dass Olaf Palme tot wäre. Und sie fragte ihren Mann, wer Olaf Palme denn sei. Bevor er antworten konnte, sagte der Mann im Fernsehen (bitte nicht: sagten die im Fernsehen), wer Olaf Palme war.
Ihr Mann sagte noch einmal, warum sie in eine neue Stadt müssten.


Hey, kuehen,

so fände ich es noch besser.
Das Triste, das "seelenlose" Dasein, diese Atmosphäre, die du sehr gut darstellst, bliebe erhalten. Aber es liest sich leichter.
Beim Rest fand ich nur kleine Rechtschreibefehler:

alleine - statt allein
kämme - statt käme
nach hause - statt nach Hause

smile, das schmälert nicht meine Bewertung.

herzlich
herb
 

kuehen

Mitglied
hallo herb. Den ersten Absatz habe ich ein wenig geändert, weil "die im fernsehen" wirklich schlecht war, den Rest Deiner Vorschläge zum ersten Absatz laß ich erst einmal sein. Wäre schön, wenn ich da noch andere Meinungen lesen könnte. Den Rest der Fehler habe ich mit rotem Kopf behoben.
Marcus
 
Hallo kuehen!

An sich gefällt mir dein Text. Er hat Atmosphäre. Etwas bewusst Verlorenenes, Entseeltes. Aber er ist zu flüchtig geschrieben. Es wäre zu überlegen, ihn zu überarbeiten. Manche Formulierungen wirken etwas hölzern, auch wenn die "Unbildhaftigkeit" intendiert sein mag. Am Anfang gibt es Schwierigkeiten zum Beispiel mit dem „sie“ (1-3), das dreimal verschiedene Personen meint, ohne dass der Leser dies sofort verstehen könnte. Hier ein paar Hinweise in Klammern.


Am Tag, (Komma) als sie (1) im Fernsehen sagten, dass Olaf Palme erschossen wurde (worden sei), redeten sie (2) (Bezug unklar, da „sie“ (1) schon am Anfang des Satzes allgemein gebraucht wird, wer ist jetzt mit „sie“ gemeint?) das erste Mal darüber, in eine neue Stadt zu gehen.

Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun und doch erinnerte sie (3) (Hier also Singular. Erst im Nachhinein erschließt sich also, wenn es denn richtig ist, dass mit dem ersten sie eine Allgemeinheit gemeint ist, mit dem zweiten das Ehepaar, mit dem dritten die Ehefrau. ) sich so daran, als ob das der Fall wäre. Der Mann im Fernsehen hatte gesagt, dass Olaf Palme tot wäre, (Komma) und sie fragte ihren Mann, wer Olaf Palme denn sei, (Die Frau weiß also nicht wer Olaf Palme ist, dabei scheint sie doch häufiger Fernsehen zu gucken, ansonsten ist es schon schwierig Palme NICHT zu kennen. Aha, der Titel heißt „Verkäuferin“, sind also Verkäuferinnen so ungebildet?) doch bevor der (Olaf Palme? Besser: ihr Mann oder ähnlich) antworten konnte, sagte der Fernseher (diese Verkürzung finde ich ungeschickt, „wurde im Fernsehen erklärt“ ect.), wer er war und ihr Mann sagte noch einmal, warum sie in eine neue Stadt müssten.


Nun stand sie hier am Fenster, in ihrer neuen Wohnung, in der neuen Stadt. Sah hinunter auf den Hinterhof, der, wie sie und ihr Mann scherzten, ihnen ganz allein gehörte (Schöner Satzbau). Sie waren die Einzigen, die ihn nutzen. Niemand sonst hängte dort Wäsche auf, (Punkt?) Niemand sonst stellte Fahrräder dort ab. Der Hinterhof war über eine breite Durchfahrt von der Straße aus für jeden erreichbar und doch kam nie jemand hinein. Es gab einen kleinen Spielplatz, doch (etwas leiernd, diese Doch-Wiederholung, siehe vorherigen Satz) selbst wenn es hier Kinder gab, ignorierten (Das Wort finde ich unzutreffend in diesem Zusammenhang mit Kinderspielplatz.) sie ihn.

Vielleicht war er ihnen zu leicht einsehbar und sie gingen lieber dahin, wo sie ungestört rauchen konnten. Sie sah, wie eine Familie auf den Hof kam. Sie und er in Begleitung (In Begleitung klingt ziemlich förmlich dafür, dass man mit einem Kid in ’nen Hinerhof schaut.) eines kleinen Jungen. Alle drei waren warm in grau (in Grau) verpackt. Sie standen da, der Junge an der Hand der Mutter, (Komma) und sahen sich um. Sahen den Spielplatz, sahen die Wäscheleine, sahen ihr Fahrrad. Ihr Mann war mit seinem (Das Pronomen steht etwas merkwürdig da allein, mit seinem Rad) zur Arbeit gefahren. Dann gingen die drei durch die Durchfahrt zurück auf die Straße und sie überkam am Fenster stehend das Gefühl (vielleicht so: …und am Fenster stehend überkam sie in diesem Moment das Gefühl), dass sie die Fremde mit in die neue Stadt gebracht hätten. Sie hatten sich durch den Umzug selber infiziert und dann den Hinterhof angesteckt.

Plötzlich bekam sie Angst. Angst sich umzudrehen, ihre leere Wohnung zu sehen, Angst, denn (den) Fernseher einzuschalten. Sie würde hier stehen bleiben, ihre Arme vor der Brust verschränkt und darauf warten, dass ihr Mann käme und die grauenvolle Stille aus der Wohnung vertrieb. Zehn Minuten ( Warum in einem sonst so offen und unverbindlich gehaltenen Text hier plötzlich so eine exakte Zeitangabe?) später ging sie hinüber in die Küche. Ließ sich an der Spüle ein Glas Wasser vollaufen (Voll (l)aufen – da denke an etwas anderes: füllte an der Spüle ein Wasserglas…), trank es (aha, sie trinkt es), bevor sie sich an den Tisch setzte, zur Hälfte leer (ach, nur zur Hälfte… Die Handlung kann nicht durch einen Einschub unterbrochen werden, da sonst zunächst ein anderer Sinn entsteht. Etwa so: Helmut platzte, als er Waltraud sah, vor Freude.) und stellte es dann es (einmal „es“ reicht) vor sich hin. So saß sie immer noch, als ihr Mann nach Hause kam.
(Schönes, offenes Ende. Echtes Potenzial. Lakonischer Ton.)

Liebe Grüße
Monfou
 

kuehen

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Hallo Monfou Nouveau
man, da hast Du dir aber wirklich Zeit genommen, um meinen Text durch die Mangel zu drehen :).
Einige deiner Vorschläge werde ich mir durch den Kopf gehen lassen und wenn ich den Text noch einmal hervorkrame, werde ich sicher einige davon berücksichtigen.
Also danke bis hier.
marcus
 



 
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