Die Zeitmaschine

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coxew

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Wie der Titel schon andeutet, folgt nun eine utopische Geschichte

Die Zeitmaschine

Nie würde Mama ihnen erlauben, in die Vergangenheit zu reisen oder in die Zukunft. Deshalb haben die Zwillinge Anne und Julia die Zeitmaschine heimlich gebaut. Heute Abend, wenn Mama und Papa ins Theater gehen, wollen Anne und Julia sie testen.
„Um acht macht ihr das Licht aus“, ruft Mama ins Kinderzimmer bevor sie mit Papa aus dem Haus geht.
„Jaha“, antworten Anne und Julia gleichzeitig. Dann sind sie allein.
„Erst mal reisen wir ein paar Jahre zurück in die Vergangenheit. Wir können zusehen, wie sich Mama und Papa kennen gelernt haben“, schlägt Anne vor. Julia findet das eine prima Idee.

Die Zeitmaschine steht in einer kleinen Abstellkammer neben dem Heizungskeller. Wären nicht die vielen Drähte und Antennen und Blinklichter, sähe die Apparatur glatt aus wie eine hypermoderne Seifenkiste. Die Zwillinge schnallen sich auf den Sitzen an. Julia startet den Bordcomputer. „Mama, Papa, Rummel, neunzehnhundertsiebenundneunzig“, sagt sie laut und deutlich. Augenblicklich beginnt sich alles um sie herum wahnsinnig schnell zu drehen. Farben und Formen verschwimmen. Es ist als stürzten sie rückwärts in schwarze Tiefe. Nur wenige Augenblicke sausen sie so durch Raum und Zeit. Dann gibt es einen Ruck und Anne und Julia finden sich neben einem Rummelplatz wieder.

„Dort ist Papa“, ruft Julia. Neugierig schaut sie sich um. Keiner scheint sie zu bemerken. Anne wedelt einem Jungen mit ihrer Hand vor den Augen herum. Aber er sieht durch sie hindurch.
„Ich hab Mama entdeckt“, sagt Julia plötzlich, „sie steht in der Nähe von Papa, dort bei der Achterbahn. Komm, gehen wir hin.“
„Bist du verrückt? Sie lernen sich doch gerade kennen. Wenn wir jetzt dazwischenfunken, geht’s möglicherweise schief und dann werden wir nie geboren.“
„Wieso, es weiß doch niemand, dass wir hier sind.“
„Ja, schon. Aber wir können Dinge bewegen. Wenn wir zum Beispiel den Stein dort wegnehmen, dann stolpert Papa nicht darüber. Und er fällt Mama nicht vor die Füße und sie lernen sich niemals kennen.“
„Du hast recht. Aber beobachten können wir sie“, meint Julia.
Recht merkwürdig benehmen sich Mama und Papa, eigentlich eher wie Teenager. Sie kichern bei jeder Gelegenheit und Papa tut, als könne Mama nicht allein gehen. Ständig will er sie in den Arm nehmen.

Anne und Julia fahren auch schwarz Achterbahn, kosten von der Zuckerwatte und mischen in der Geisterbahn mit.
„Jetzt müssen wir aber zurück, sonst merken Mama und Papa, dass wir nicht zuhause sind“, sagt Julia. Doch die Stelle, an der sie gelandet waren, ist leer. Die Zeitmaschine ist weg.
„Verdammt, wie kommen wir denn jetzt in unser Jahr zurück?“ Hinter jeden Strauch schauen sie, sie laufen um den ganzen Rummel. Doch die Zeitmaschine ist und bleibt verschwunden. Ratlos setzen sich Anne und Julia auf einen Baumstumpf.
„Jetzt kommt alles raus und die Reise in die Zukunft können wir auch vergessen.“ Julia verscheucht missmutig eine Fliege, die sich auf ihrer Hand niedergelassen hat.
„Wieso, weiß doch keiner ...“ Mitten im Satz bricht Anne ab. Wie gebannt starrt sie auf ein orangefarbenes Müllauto am Ende der Straße.
„Was ist?“ Anne folgt Julias Blick. „Meinst du ...“
„Ja ...“, sagt Julia und rennt davon. Anne hinterher. Tatsächlich schaut die Kante des Armaturenbrettes über den Rand des Müllautos. Anne und Julia klettern am Müllauto hoch und heben vorsichtig ihre Zeitmaschine herunter. Zwei Antennen sind abgebrochen, ein paar Drähte lose. Sonst scheint nichts schlimmes passiert zu sein. Schnell haben Anne und Julia den Schaden repariert.

„Nach hause, jetzt“, sagt Anne und dasselbe schwindelerregende Drehen beginnt. Irgendeinen kleinen Schaden hat die Zeitmaschine dennoch davon getragen. Denn sie landen nicht wie geplant im Keller, sondern krachen wenige Meter vom Wohnblock entfernt in einen wackligen Bretterzaun. Mit ein paar Kratzern kommen Anne und Julia davon.
„Los, vielleicht schaffen wir’s noch“, sagt Julia. Doch gerade als sie die Haustür erreichen, kommen auch Mama und Papa nachhause.

„Was macht ihr denn hier?“ fragt Mama.
„Und wie das riecht, nach Bratwurst und Zuckerwatte. Woran erinnert mich das nur?“ Papa schnüffelt. Anne und Julia suchen verzweifelt nach einer Ausrede.
„Wir ... wir waren noch mal kurz auf dem Hof und da ist uns der Schlüssel in den Gully gefallen. Ist sofort weggeschwommen. Die ganze Zeit haben wir hier an der Tür gestanden“, flunkert Julia.
„Ihr solltet doch drinnen bleiben. Das bringt euch beiden Stubenarrest“, sagt Mama unerbittlich.
„Na, wenn’s denn sein muss“, erwidert Anne scheinbar beleidigt.

Als Anne und Julia in ihren Betten liegen, kichern sie. „Stell dir vor, wir führen unseren Herrschaften vor, wie sie sich vor acht Jahren auf dem Rummel benommen haben“, meint Anne. Julia lacht leise.
„Am Mittwoch wollen sie ins Kino. Dann fliegen wir in die Zukunft. Ob ich wirklich Tierpflegerin werde? Eins steht jedenfalls fest: Unsere Zeitmaschine funktioniert prima.“
„Naja, bis auf den kleinen Ortungsfehler“, gibt Anne zu.
 

coxew

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ja, das ist gut möglich. denn die geschichte ist für schulanfänger gedacht.

liebe grüße,
karin
 

coxew

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eine möglichkeit wäre, das thema zeitmaschine anders zu verpacken. denn interessant ist es ja immer und die vorstellungen von solchen vehikeln ändern sich auch mit der zeit.

lg,
karin
 

Josef

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Hallo coxew!
Schöne Geschichte, die mit einfachen Sätzen einen sehr phantastisches Ereignis (Zeitreise) erzählt, als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Schon Achtjährige lesen das gerne.
So macht das Stöbern in der Leselupe Spaß!
Viele Grüße
 

coxew

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hallo josef,

die geschichte ist auch für schulanfänger gedacht. obwohl, ich hatte befürchtet, dass erstleser mit diesem text eventuell überfordert sind.

viele grüße,
karin
 



 
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