Die knallgelbe Badehose

3,00 Stern(e) 4 Bewertungen

Estella

Mitglied
Die knallgelbe Badehose

Da ist es also, das Paket, auf das ich schon seit Tagen sehnsüchtig warte. Von Außen betrachtet ein ganz normales Paket. Eingeschlagen in braunes Packpapier und mehrfach mit dicken Schnüren umwickelt, läßt es nicht ahnen, was in ihm steckt.
Vorsichtig trage ich das Paket in die Wohnstube und stelle es auf dem Tisch ab. Erstaunlich leicht fühlt es sich an und beim Bewegen rührt sich nichts in seinem Inneren.
Nur einen Augenblick lang genieße ich die Spannung, bevor ich mit einem scharfen Messer die feste Kordel durchtrenne. Auch nachdem das Papier entfernt ist, sieht mein Paket noch immer ganz gewöhnlich aus. Doch schon greife ich hinein, fühle seidige Lagen von schützendem Zellstoff, fasse beherzt mit beiden Händen zu und ziehe einen kugelrunden Gegenstand heraus. Es ist ein Helm, den ich jetzt vor meinen Augen hin und her bewege. Er fühlt sich glatt an und glänzt in einem azurfarbenen Blau. Etliche Knöpfe verteilen sich in allen Richtungen über die funkelnde Oberfläche. An einer Seite läßt sich ein silbernes Kabel herausziehen, mit einem Anschluß für die Steckdose. Oh Wunder!
Ein bunt bebildertes Heft begleitet den Helm. Es dient nicht alleine als Gebrauchsanweisung, wie ich sogleich an meinem raschen Pulsschlag bemerke. Weite Strände unter blauem wolkenlosen Himmel, hohe Berge und verschneite Täler, bunt garnierte Drinks an eleganten Hotelbars serviert, versprechen die Erfüllung ungeahnter Ferienträume, in Gesellschaft langbeiniger und gut bebuster Blondinen. Welcher Mann könnte da widerstehen!
Als routinierter Techniker begreife ich sehr schnell an welchen Knöpfen ich drehen mußte, um an das Urlaubsziel meiner Träume, in welche Richtung auch immer, zu gelangen.
Wie in dem Begleitschreiben empfohlen, kleide ich mich dem Urlaubsziel angemessen und da mein Ziel der Strand und die Sonne ist, stehe ich schon bald in einer knallgelben Badehose vor dem Ankleidespiegel in meinem Schlafzimmer. Vorsorglich schmiere ich etwas Sonnenmilch auf meine behaarte Brust. Mit eingezogenem Bauch und der festen Überzeugung, dass ich auch mit fünfundfünfzig Jahren ein toller Mann bin, laufe ich geschwind auf nackten Füßen zurück ins Wohnzimmer, um mich auf meine erste Reise zu begeben.
Lang ausgestreckt und erwartungsfroh liege ich in meinem Fernsehsessel, den Helm gut verschlossen über meinem Kopf und Gesicht. Mein Ziel ist die Karibik. Das Programm startet geräuschlos, geht über in eine sanfte Musik um dem Hallen meiner Tritte auf den Stufen, die Treppe hinunter, zu weichen. Mit einem Koffer in der Hand steige in ein Taxi , das mich schnell zum Flughafen bringt. Rings um mich herum bemerke ich lebhaftes Treiben und eine langbeinige Schönheit, die nicht von meiner Seite weicht. Im Flugzeug setzt sie sich neben mich und lächelt. Beherzt greife ich nach ihrer Hand.
„Ich heiße Erwin“, wage ich den Vorstoß und beuge mich etwas näher zu ihr hinüber.
„Macht nichts“, sagt sie und das kommt mir irgendwie bekannt vor.
Schließlich verrät sie mir doch noch, dass sie Gisell heißt, so dass ich mich entspannt zurücklehne und anfange, die Reise zu genießen.
Dort wo ich das Meer und endlos lange weiße Strände erwarte, tauchen unter dem Flieger bläulich schimmernde Gletscher auf. Ich tippe die Schöne neben mir an und deute mit dem Finger auf die weiße Pracht zu unseren Füßen. Gisell bewegt ihren zarten Hals in die Richtung meines ausgestreckten Zeigefingers und nickt.
„Wundervoll!“
Der zarte blumige Duft den sie verströmt, benebelt meine Sinne. Schon sehe ich Gisell in meinen Armen am Meeresrand in der Sonne liegen, als der Flieger zur Landung ansetzt.
Eine frostig kalte Welle schlägt mir entgegen. Rings um mich herum nur Eis und Schnee.
Mit Entsetzen bemerke ich die knallgelbe Badehose an meinem Leib und meine nackten Füße, mit denen ich über den gefrorenen Boden schlitter. Die Kälte packt mich mit gierigen Krallen.
Als die ersten Eskimos auf mich zukommen weiß ich, das kann nicht die Karibik sein.
Meine schöne Begleiterin steht eingehüllt in einen weißen Nerz. Sie lächelt geheimnisvoll. Ich habe keine Wahl, mein Mädchen, ich muß zurück so schnell es geht.
Mit zitternden und vor Kälte steif gefrorenen Händen ziehe ich die Reißleine über meinem Kopf und Sekunden später liege ich wieder auf dem Fernsehsessel. Mit klammen Fingern nehme ich den Helm ab. Eine Gänsehaut bedeckt meinen nackten Körper. Vor Kälte schlotternd stelle ich mich unter die heiße Dusche und beschließe, einen Beschwerdebrief zu schreiben.
 
B

bonanza

Gast
deine schreibe ist leicht zu genießen. die story dabei ist
nicht schlecht. lockerflockig mit unterhaltungswert.
solide ware.

bon.
 



 
Oben Unten