Die letzte Ruhe

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plotzn

Mitglied
Die letzte Ruhe

Die Bank im Park ist kalt und feucht
und aus der Wiese dampft der Nebel
die Vögel wetzen ihre Schnäbel
von nichts und niemand aufgescheucht.

Die Dämmerung besiegt die Nacht
es kann jetzt nicht mehr lange dauern
bis Hektik hinter Häusermauern
wie jeden Morgen neu erwacht.

Die alte Dame sitzt im Kleid
auf ihrer Bank und starrt ins Leere
als ob da irgendetwas wäre
aus längst vergangner alter Zeit.

Versunken streicht sie durch ihr Haar
das früher bis zur Schulter reichte
jedoch im Lauf der Zeit erbleichte
und danach kurz geblieben war.

Sie hat im Leben viel erlebt
wie hinter ihr die alten Bäume
und ihr ist klar, dass sie manch Träume
am Ende unerfüllt begräbt.

In Bildern der Erinnerung
verweilt sie kurz bei ein paar Fetzen
aus liebevoll gehauchten Sätzen -
zu dieser Zeit war sie noch jung.

Sie sieht die Brüder vor sich stehn
die damals beide um sie warben
und schon vor vielen Jahren starben.
Jetzt wird es Zeit für sie, zu gehn.

Ihr Kleid ist hinten leicht durchnässt
doch morgen wird sie wieder kommen
das hat sie sich fest vorgenommen -
solang ihr Körper sie noch lässt.

Sie schlurft zurück ins Heim und keucht.
Vorbei die ungestörten Stunden
die ersten Jogger drehen Runden.
Die Bank im Park ist kalt und feucht.
 
G

gitano

Gast
Hallo plotzn!
in beeindruckend unaufgeregter Sprache entfaltet sich die Poesie des Textes, der Figur, der Situation.
Metrisch flüssig und auch schlicht im Klang. Sehr schön!
Ich stolpere ein wenig über:
aus längst vergangner alter Zeit.
Doppelung

und ihr ist klar, dass sie manch Träume
Formulierung (Elision)
aber das ist insgesamt eher "Erbsen zählen"-ich blieb wohl hängen weil sich diese Formulierungen von der Schlichtheit abhoben und das subtile Gefühl einer "Konstruktion" hatte.

besonders gefällt mir:
In Bildern der Erinnerung
verweilt sie kurz bei ein paar Fetzen
aus liebevoll gehauchten Sätzen -
zu dieser Zeit war sie noch jung.
und der Doppelbezug in:
Sie sieht die Brüder vor sich stehn
die damals beide um sie warben
und schon vor vielen Jahren starben.
Jetzt wird es Zeit für sie, zu gehn.
und sehr schön auch das völlig undramatische Ende...eben der Lauf der Dinge.

Ambivalent bin ich zu Textlänge-ich persönlich neige zu Verdichten von Aussagen-daß ist hier aber kein Kriterium für Qualität sondern ein Überlegen.

Berührt mich sehr und habe ich mehrmals gelesen
bleibt bestimmt in Erinnerung
gitano
 

MarenS

Mitglied
Nur wenige Minuten bevor ich dies las, erzählte mir meine Nachbarin und Freundin, eine Dame im fortgeschrittenen Alter, dass sie gestern einen Besuch in einem Pflegeheim machte...sie war aufgewühlt und schockiert und ihre Angst vor solchen Etablissements und dem "altwerden" ist nun gigantisch.
Dein Gedicht traf mich umso mehr...und doch hat es etwas tröstliches in der Ruhe der alten Dame.

Schön hingeführt, nicht laut, sondern sanft und leise sind die Töne.

Es grüßt die Maren
 

plotzn

Mitglied
Die letzte Ruhe

Die Bank im Park ist kalt und feucht
und aus der Wiese dampft der Nebel
die Vögel wetzen ihre Schnäbel
von nichts und niemand aufgescheucht.

Die Dämmerung besiegt die Nacht
es kann jetzt nicht mehr lange dauern
bis Hektik hinter Häusermauern
wie jeden Morgen neu erwacht.

Die alte Dame sitzt im Kleid
auf ihrer Bank und starrt ins Leere
als ob da irgendetwas wäre
aus einer längst vergangnen Zeit.

Versunken streicht sie durch ihr Haar
das früher bis zur Schulter reichte
jedoch im Lauf der Zeit erbleichte
und danach kurz geblieben war.

In Bildern der Erinnerung
verweilt sie kurz bei ein paar Fetzen
aus liebevoll gehauchten Sätzen -
zu dieser Zeit war sie noch jung.

Sie sieht die Brüder vor sich stehn
die damals beide um sie warben
und schon vor vielen Jahren starben.
Jetzt wird es Zeit für sie, zu gehn.

Ihr Kleid ist hinten leicht durchnässt
doch morgen wird sie wieder kommen
das hat sie sich fest vorgenommen -
solang ihr Körper sie noch lässt.

Sie schlurft zurück ins Heim und keucht.
Vorbei die ungestörten Stunden
die ersten Jogger drehen Runden.
Die Bank im Park ist kalt und feucht.
 

plotzn

Mitglied
Hallo gitano,

viele Dank für die ausführliche Auseinandersetzung mit meinem Gedicht. Da ich nur sehr selten ernsthafte Gedichte schreibe, hilft mir das sehr, dabei weiterzukommen.

Die von dir angesprochene Doppelung ließ sich leicht beheben. Für die Elision habe ich bisher noch keine gute Lösung gefunden. Da diese Strophe für die Aussage des Gedichtes aber auch nicht erforderlich ist, bin ich deiner Empfehlung nach "Verdichtung" gefolgt und habe sie komplett rausgeschmissen.

Liebe Grüße, Stefan
 

plotzn

Mitglied
Besten Dank, Mar... ;-) ähm Maren.

Es ist zwar schon einge Jahre her, dass ich meine Oma im Altenheim besucht habe, aber ich kann mich noch gut daran erinnern, dass es meistens deprimierend war.

Die Inspiration zu dem Gedicht kam aber nicht daher, sondern aus einer frühmorgentlichen Runde durch einen Mainzer Park. Aus der Stimmung der erwachenden Stadt und der Beobachtung einer älteren Dame, die auf einer Parkbank saß, habe ich mir die Geschichte "zusammengereimt".

Liebe Grüße, Stefan
 

Thylda

Mitglied
Lieber Plotzn

Ich sehe gerade, daß Du meine Lieblingsstrophe entfernt hast.
Wie wäre es denn mit:

Sie hat im Leben viel erlebt
wie hinter ihr die alten Bäume
und weiß, dass sie ein paar der Träume
letztendlich unerfüllt begräbt.

Liebe Grüße
Thylda
 

MarenS

Mitglied
Nenenenene, nix einfachn rausschmeißn!

Die Strophe fehlt mir nun, denn sie gehörte irgendwie perfekt dazu.
Kürzen ist ja fein aber nicht immer und um jeden Preis.

Es grüßt die Maren
 

plotzn

Mitglied
Liebe Thylda,

danke für Deinen Vorschlag, den ich leicht modifiziert übernommen habe. Deine Lieblingsstrophe ist jetzt wieder eingebaut ;-)

Liebe Grüße, Stefan
 

plotzn

Mitglied
Die letzte Ruhe

Die Bank im Park ist kalt und feucht
und aus der Wiese dampft der Nebel,
die Vögel wetzen ihre Schnäbel
von nichts und niemand aufgescheucht.

Die Dämmerung besiegt die Nacht,
es kann jetzt nicht mehr lange dauern,
bis Hektik hinter Häusermauern
wie jeden Morgen neu erwacht.

Die alte Dame sitzt im Kleid
auf ihrer Bank und starrt ins Leere,
als ob da irgendetwas wäre
aus einer längst vergangnen Zeit.

Versunken streicht sie durch ihr Haar,
das früher bis zur Schulter reichte,
jedoch im Lauf der Zeit erbleichte
und danach kurz geblieben war.

Sie hat im Leben viel erlebt,
wie hinter ihr die alten Bäume
und ahnt nun, dass sie ihre Träume
am Ende unerfüllt begräbt.

In Bildern der Erinnerung
verweilt sie kurz bei ein paar Fetzen
aus liebevoll gehauchten Sätzen -
zu dieser Zeit war sie noch jung.

Sie sieht die Brüder vor sich stehn,
die damals beide um sie warben
und schon vor vielen Jahren starben.
Jetzt wird es Zeit für sie, zu gehn.

Ihr Kleid ist hinten leicht durchnässt,
doch morgen wird sie wieder kommen,
das hat sie sich fest vorgenommen -
solang ihr Körper sie noch lässt.

Sie schlurft zurück ins Heim und keucht.
Vorbei die ungestörten Stunden,
die ersten Jogger drehen Runden.
Die Bank im Park ist kalt und feucht.
 

plotzn

Mitglied
Ist ja schon gut, Maren ;-) Auf besonderen Wunsch von Thylda und dir ist die Strophe jetzt wieder drin.

Liebe Grüße, Stefan
 
P

Pelikan

Gast
Lieber Stefan, ich glaube dieses Gedicht zu kennen,
doch ich kann mich natürlich auch irren - so gut ist mein
Gedächtnis nämlich nicht ;) Auf jeden Fall sehe ich, dass
Du auch ernste Themen sehr gut in Reime packen kannst
und nicht nur Komisches. Eine Kleinigkeit gefällt mir noch nicht so sehr und zwar:

Ihr Kleid ist hinten leicht durchnässt,
Obige Zeile zieht das Gedicht, meiner Meinung nach ein wenig ins Luschtige ;) weil diese Zeile klingt so ein wenig wie
"sie hat eingepullert" - ich denkt da gleich an hinten/unten.
Und da man bei älteren Leutchen eh sowas fast schon erwartet,
zerstört es ein wenig das schöne Werk.

Wie wäre es mit:

Des Kleides Rücken ist durchnässt

so oder so ähnlich???


mit herzlichen Grüßen, Irene ;)
 

plotzn

Mitglied
Auf was für Gedanken, du kommst, liebe Irene ;-)
So war das natürlich nicht gemeint mit dem "leicht duchnässt".
Das grenzt ja quasi an eine inkontinente Unterstellung ;-)

Ich hatte gehofft, dass durch die Anfangs-/Schlusszeile der Leser den Zusammenhang zu den Tautropfen hat.

"Des Kleides Rücken" passt mir nicht so ganz in die ansonsten einfache Sprache des Gedichts.

Liebe Grüße, Stefan

P.S.: Dein Gedächtnis ist ausgezeichnet ;-) Das Gedicht steht auch schon in einem anderen Schreibforum.
 



 
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