Die nackte Wahrheit

Ebl

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Seit Jahren reist du nun schon. Durch die Luft, übers Meer und übers Land, an Orte, die dir unbekannt sind und nirgends kommst du zweimal an. Niemand weiß mehr von dir als deinen Namen und du kennst von keiner Stadt und von keinem Dorf mehr als den Bahnhof, den Hafen oder den Flughafen und ein Zimmer, in dem du es kaum länger als ein paar Stunden ausgehalten hast, rastlos wie ein gerade erst gefangenes wildes Tier, bevor es dich wieder fortgezogen hat – oder fortgejagt?
Du weißt nicht einmal mehr, warum du reist. Bist du auf der Suche oder auf der Flucht? Und wo kommst du her? Hast du eine Familie, die dich vermisst? All diese Fragen lese ich in deinen Augen, wenn du mich ansiehst und du siehst mich oft an. Obwohl du Angst davor hast. Und danach hastest du jedes Mal davon, weg, nur weg… Was erwartest du denn von mir? Hoffst du jedes Mal, bevor du mich ansiehst, endlich einmal etwas anderes zu sehen? Mach dich nicht lächerlich! Die Wahrheit ändert sich nicht, egal wie viel Zeit vergeht. Zeit ändert nichts!
Aber du kannst etwas ändern. Du könntest aufhören, wegzulaufen, denn mach dir nichts vor, das ist es, was du tust. Sie mich an, die Narben, die alten, grausamen Geschichten, die sie erzählen, den Mund, der lang schon nicht mehr lacht, die Augen, die das, was in dieser Welt passiert, nicht mehr sehen wollen… und akzeptiere mich als das, was ich bin, auch wenn es dir Angst macht, dann kannst du etwas daran ändern. Nur du kannst mich ändern, denn ich bin du. Ich bin dein Spiegelbild.
 



 
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