Die verbale Handbewegung.

pleistoneun

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Als Getränkemakler, dachte er, hätte er eine ganz typische Handbewegung, falls sich Robert Lembke mal bei ihm melden sollte. Die typische Handbewegung war die hochgezogene Nase, die er machte, wenn er regelmäßig auf der Suche nach dem Flaschenöffner war, mit dem er doch seine Getränkeflaschen öffnen musste. Nebenberuflich war er als Reiseführer für Seelenwanderungen tätig. Man konnte ihn auch umblättern und stundenlang offen auf der Ablage im Auto liegenlassen, während die Menschen Besichtigungen machten. Er war ein offenes Buch sozusagen, aus dem zu lesen war, dass sein ganzen Leben darin bestand, Menschen auf Fährten zu locken; mal als Makler, mal als Seelensherpa.

Als Makler beherrschte er die blumigste Sprache, die seine Kunden in eine andere Welt entführten. Seine Ausführungen entzückten die Menschen und die aufgerissenen Augen der Zuhörer zeigten, dass man sich der Magie seiner Worte nicht entziehen konnte und seine Sprache von edlem Charakter war.
Als Seelenwanderführer kannte er die entlegendsten Gebiete dieses Universums. Täglich lockte er hunderte wanderfreudige Männer und Frauen in abgrundtiefe, schwarze Schluchten und feuerspeiende Gegenden. Dort erzählte er ihnen dann von seinem Beruf als Getränkemakler mit seiner typischen Handbewegung, die eigentlich eine typische Nasenbewegung war, und er damit bei Robert Lembke - falls sich dieser doch noch mal bei ihm melden sollte - gar nichts verloren hätte.

Er führte immer alle hierher, in das Tal des Grauens, des letzten Abschieds, der Pforte in eine andere Existenz. Doch der Missmut der Anhänger hielt sich gering, da seine Sprache nicht nur bewegend und betörend wirkte, sondern auch nervtötend und lähmend. Diese Kombination war ohne Ausnahme tödlich, für jedermann, ausgeliefert den gewaltigsten Redeschwallen, die die Welt je hervorgebracht hat. Er wollte nichts Böses, im Gegenteil, seine Berufung verstand er darin, die Menschen mit einfühlsamen Geschichten über Getränke jeglicher Herkunft und Art den Alltag vergessen zu lassen. Sehr viel später erst, er hatte schon lange seine Berufe gewechselt - er war jetzt Leuchtturm-Agnostiker und World-Trade-Center-Imitations-Bauer (neu Ruinen-Landwirt) - sehr viel später also wurde ihm erst bewusst, dass seine Geschichten blutende Ohren verursachten und letztendlich zum Tod durch Geschichtenerzählen führte. Er merkte es, als er einem Freund begegnete, der ihm von früher erzählen wollte ...
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Fast-schon-Eiszeitlicher,

ziemlich skurrile Ironie in deiner Geschichte - aber hübsch zu lesen. Und geschmunzelt habe ich auch hin und wieder.

Gruß Ralph
 



 
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