Diese Haut

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DIESE HAUT...


Sie wusste, sie hatte sie irgendwo zurückgelassen.

Sie hatte sie abgelegt, um noch einmal dorthin zurückzugehen,
wo das Leiden begann.

Mit Erfolg ging sie zurück,
lernte die uralten Botschaften zu enträtseln und zu entmachten.

Aber die Haut, die sie damals fortlegte um ganz offen für ihr
Vorhaben zu sein, die fehlt ihr heute.

Nun gut, es war eine Flickenhaut,
die manchmal zu groß und manchmal zu eng war.
Die auch die Farbe wechselte, je nach Tages-und Jahreszeit.

Verlassen konnte sie sich nicht auf diese Haut, aber sie war immerhin ein Schutz, eine Hülle.
Damals hatte sie angenommen, es würde ihr eine neue Haut wachsen,
wenn alles erledigt wäre.

Deswegen hatte sie auch nicht darauf geachtet an welchem Ort sie die alte Haut zurückließ.

Aber aus einem unerklärlichen Grund war ihr keine neue Haut gewachsen,
außer vielleicht eine Übergangshaut, die hier und heute ihre Spannkraft verlor und zu schuppen begann.

Verlassen konnte sie sich in diesem Leben auf scheinbar gar nichts.

Immer wieder stand sie mit leeren Händen an einem neuen Anfang,
obwohl sie zuvor so viel gesammelt hatte.

Ohne ihre alte Haut und ohne Übergangshaut fror es sie.

Jeder noch so kleine Windhauch fand Einlass in ihr Haus.

Da war auch mit Kleidung nichts zu machen.

Auch verträumte Decken nützten nichts mehr.
Wovon auch träumen ohne Haut, ohne Schutz, ohne Kontur.
Die traumbringenden Decken waren löchrig und verschlissen.

Alles, was sie sich auszumalen versuchte, entwich durch die Löcher.

Es hatte keinen Sinn dies Spiel fortzusetzen. Es war ein Verliererspiel.

Sie fühlte sich wie ein Verlierer und begann abzuwarten,
nachdem sie versucht hatte, in alle Richtungen auszuweichen.

Eine große Hektik hatte sie ergriffen. Auf einmal meinte sie, alles, was aus ihrer eigenen Hand in den letzten Jahren entstanden war, wegwerfen zu müssen, um
noch einmal ganz von vorne anzufangen.

Alles musste verändert werden und am Besten sofort.

Sie versuchte sich einen neuen Sinn zu geben, wollte jemand ganz anderes sein.

Lief hektisch hin und her,
war von Angst ergriffen,
war von Mut ergriffen.
Ständiger Wechsel.
Wollte alles neu gestalten, in eine fremde Haut schlüpfen...,
die sie nicht fand.

Die Versprechungen auf ein glorreiches Leben, die sie sich gegeben hatte
und die Träume aus Regenbogenfarben, die sie sich gesponnen hatte,
waren von Motten zerfressen.

Jetzt galt es, erneut sich selbst zu begegnen, allein, hier und heute.
Nicht mehr zurückblicken und erinnern, sondern die Leere,
das große Loch zwischen ihren Augen wahrzunehmen und es zu füllen
mit dem, was sie war, werden würde.
Dann würde sie auch ihre Haut wiederfinden, das spürte sie.



© by Carola Hamm-Giese
 

rosste

Mitglied
Hallo Silberwölfin,
Du gibst eine gute Beschreibung von einem (einer), der (die) wächst, das Alte abwirft, und sich jetzt etwas verletzbar, nackt und hilflos vorkommt.
Ich kenne diesen Zustand. Er ist zum Verzweifeln.
Alte Hüllen wegwerfen ist das beste, was man machen kann.
Viele schaffen das ihr Leben lang nicht und spielen bis zu ihrem Tod eine Rolle. Sie sind nicht sie selbst gewesen.

...die Haut,... die fehlt ihr heute. - Gegenwart finde ich hier besser.
...verlassen konnte sie sich nicht... - anstelle von "man"
...sie konnte sich... - anstelle von "man"
... immerwieder stand sie... - anstelle von "man"
...obwohl sie...usw. finde ich besser.
Ein paar Kommas fehlen ...vor "um", nach "alles" und vor "entwich", nach "versucht hatte", nach "meinte sie", nach "alles", nach "müssen", nach "gegeben hatte" und nach "galt es"
Gruss, Stephan
 
Hallo Stephan,

vielen Dank für dein Feedback.
Du hast Recht, ich habe deine Vorschläge übernommen, denn es liest sich so wirklich besser. Danke auch für die Kommasetzung, das ist auf jeden Fall meine Schwäche ;-) .

Liebe Grüße
Silberwölfin
 



 
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