Drathseilakt

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flegeton

Mitglied
Ein erster Schritt, der Fuß auf harten
Gebälken hält dich noch stabil.
Du legtest eben deine Karten,
Erwartest deshalb nicht zu viel.

Die Hände weg von Holz und Seilen,
Nun mach doch auch den zweiten Schritt.
Du darfst dort oben nicht verweilen,
Hast Angst und hast ganz Recht damit.

An weichen Sohlen dünne Stränge
Sind schmal zu einem Seil gedreht.
Und zitternd blickst du in die Ränge
Weil all das der Magie entgeht.

Es riecht im Zelt nach Heu und Pferden,
Die Luft der letzen Nacht ist kühl.
Du spürst: Dein ganzes Glück auf Erden,
Ist dieser Anblick, dies Gefühl.

Und noch ein Schritt. Das Seil erzittert,
Den Absturz mildert dir kein Netz.
Du hast dein Ende schon gewittert
Und stellst dich: Zaubereigesetz!

Du ahnst: Du musst nun weiter gehen.
Du weißt: Dein Auftritt ist vorbei.
Es muss dich niemand oben sehen.
Du stößt dich ab, bist endlich frei.

Du warst die Grenze zwischen Welten,
Die in sich blieben, unvereint.
Der Seiltanz soll symbolisch gelten,
Damit der Tod dir würdig scheint.

Das Zirkuszelt liegt tief im Schlummer,
Nichts regt sich in der Vollmondnacht.
Es hat sich bei der Drahtseilnummer
Ein Zirkusgaukler umgebracht.
 
S

Sandra

Gast
Klasse! Einfach ergreifend und natürlich sehr traurig. Aber dennoch wunderschön.

Sandra
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo flegeton,

Du pflegst einen guten Ton, um mir einen Kalauer zu erlauben.
:)

Gefällt mir gut,

lap

In der vorletzten Strophe könnte man "welten" auch gross beginnen lassen.
 
J

jester

Gast
hallo flegeton!
schön, dich hier zu lesen!
das bild des seiltänzers passt sehr gut zum thema "suizid"!
und wie immer perfekte, reine kreuzreime :)!

liebe grüße (glaubst du jetzt endlich mal, dass du gut bist?? ;),
jester
 



 
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