Drei Hexen

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VanOldi

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Drei Hexen
Blaue und grüne Flammen züngelten sich aus einem Holzscheit, glitten am schwarzen Kessel entlang, übergaben ihm ihre Energie und lösten sich mit einem knirschenden Geräusch auf. Sicherlich hätte dieses Schauspiel an jedem anderen Ort der Welt Beobachter in Erstaunen versetzt und lautes Gemurmel zur Folge gehabt. Doch wenn man sich hier, in der Hütte von Pertula Pimpernell, umsah, erschienen einem die Szenerie als vollkommen selbstverständlich.

Außer Pertula standen neben dem Eisenkessel noch zwei weitere, weibliche Gestalten, Griselda Wetterfein und Marilda Grimsbartel. Beide starrten auf die Oberfläche der Flüssigkeit vor ihnen, welche leicht schäumend Kreise drehte und bei deren Anblick man das Gefühl nicht los wurde sie wolle sich durch die Kesselwand fressen.

Pertula hatte ihre Arme vor sich ausgestreckt, hielt sie knapp zehn Zentimeter über die brodelnde Substanz und war tunlichst drauf bedacht die Finger rechtzeitig weg zu ziehen, wenn wieder mal eine kleine Welle versuchte nach ihnen zu schnappen. Dann begann sie mit den Händen leicht zu kreisen und murmelte ihm Rhythmus der blubbernd aufsteigenden Blasen. Hin und wieder rollte ihr rechtes Auge zur Seite und kontrollierte das Rezept, welches Griselda auf einem alten Notenständer für Pertula eingeklemmt hatte.

"Sulbian kardosula ... Eidechsaugen bitte...", Marilda Grimsbartl reagierte mit der Schnelligkeit einer OP-Schwester, nahm die bereitgelegten Augen vom Teewagen und warf sie, nicht ohne das wichtige ausschweifende heben der Hände zu vergessen, in den Kessel.

Pertula fuhr mit der Beschwörung fort. "Maldosa pernalkium kardus ... Mist." Griselda Wetterfein blickte schuldbewußt auf den Teewagen. "Ähh,..Pertula? Was für Mist?". Auch Marilda Grimsbatl wirkte erstaunt: "Haben wir eine Zutat vergessen?".

Auf Pertulas Gesicht zeigte sich eine Schweißperle, gleich über der Nasenwarze. "Ich weiß nicht, hier ist ein dicker Fettfleck - vermutlich Eidechsaugenfett - auf dem nächsten Absatz, ist schwer zu sagen, ob da eine Formel steht oder eine Zutat."
"Wir hätten die Zutaten nicht aus dem Kopf besorgen, sondern vorher mal auf die Rezeptur sehen sollen", gab Marilda besserwisserisch bekannt.
"Es war ja Dein Kopf der die Zutaten besorgte", Griselda konnte Leute die alles besser wußten einfach nicht leiden.
"Nur weil Pimpi das Rezept gestern nicht zur Hand hatte", wehrte sich Marilda.

"Könnte irgendetwas wie ´linkes Bein vom Gnom´ heißen", rätselte Pertula, während sie versuchte durch den Fettfleck zu sehen, wobei sie sich so dicht an das Rezepturblatt gebeugt hatte, dass ihre Warze den Flecken berührte.
"Ja klar, oder ´Hinkelstein aus Rom´ - geb mal her Pertula", Marilda hielt den ausgestreckten rechten Arm in Richtung des Notenständers. Pertula gab ihr das Blatt. Marilda hielt es sich längere Zeit vor die Augen und zwar in allen möglichen Entfernungen die ihre kurzen Arme hergaben. Nach ein paar wichtig klingenden "Hmmmms" gab sie dann freudestrahlend bekannt:" Es heißt: ´Pinker Stein aus Knor´".

Pertula fiel der hölzener Kochlöffel, den sie gerade benutzte um festzustellen wie lange er der Flüssigkeit wiederstehen könne, aus der Hand. Mit schmatzenden Geräuschen versank das Küchengerät in den kleinen Fluten. "Liebchen", fragte sie mit erstauntem Ausdruck in Richtung Marilda,"was ist denn der ´pinke Stein aus Knor'?"
"Den gibt es wohl nur in dem Land der unbebrillten Besserwisser", schaltete sich Griselda dazwischen. Sie hatte in der Zwischenzeit ihre Lesebrille aufgesetzt und das Blatt an sich genommen, "Marilda, es wird Zeit, dass Du zum Optikus gehst, Möhren können Dir nicht mehr weiter helfen!".

Pertula starte auf die nun blau und weiß karierte Oberfläche des Trankes:" Wenn ich mich nur erinnern könnte wie wir diesen Schönheitstrank früher zusammengebraut haben."
"Ach, Pimpi, lass uns doch einfach etwas nehmen, was Du so gerade noch in der Kammer hast und entbehren kannst, schlimmer kann´s mit uns ja nicht werden. Ich kann da jedenfalls gar nichts entziffern", sagte Griselda zu Pertula gewand in einem tröstenden Tonfall.

Marilda schreckte bei diesen Worten auf. "Grisa! Wie kommst Du auf eine solche Ideen? Weißt Du nicht, was damals in der Schule passiert ist, als der Haushexenmeister Deboldam einen Trank mixte, ohne dass er sich an die Rezeptur hielt?"
"Nun komm doch nicht mit Deinen Geschichten von vor über dreihundert Jahren daher, alter Grimsbart! Das waren doch Erzählungen der Lehrer, die nur nicht wollten, dass wir heimlich was zusammenbrauten."
"Ach, und dass durch den Trank seine Katze versteinert wurde ist wohl ein Schauermärchen, oder wie?"
"Ja natürlich, jede halbwegs gebildete Hexe", dabei blickte Griselda abschätzend Richtung Marilda," weiß, dass kein Zauber der Welt einer Katze etwas anhaben kann. Diese Tiere stehen jenseits aller Dimensionen."

Während des kleinen Geplänkels war Pertula in ihre Kammer verschwunden und erschien nun mit diversen Fläschchen, Kästchen und Tuperdosen, welche sie sorgsam auf dem Teewagen aufbaute. " So Ihr Lieben, jede darf sich eine Zutat aussuchen, die wir noch in den Trank mixen. Ich nehme ...mmhhh....diese gelbe Flüsigkeit. Leider ist das Etikett abgegangen, sieht aber aus wie Drachenrotz." Als wär es eine kostbare Arznei ließ sie ein paar Tropfen auf einen silber schimmernden Löffel tropfen, dabei zeigte sich, dass die Substanz die Bezeichung "flüssig" zu unrecht trug. Wie zäher Schleim, der ungern seinen Standort wechselt, quälte sich das Gelb aus der Flasche. Pertula schmiß es, mit samt dem Löffel, in die Brühe.

In den fünf Minuten, die Pertula brauchte um die zwei Tropfen aus der Flasche zu bekommen, hatte sich Griselda für eine angebräunte, ehemals lupenreinweiße Tupperdose entschieden. Beim Öffnen des Deckels wurde klar wieso es zu der Verfärbung gekommen war, in dem Behälter befanden sich Lavabröckchen, vermutlich direkt aus einem aktiven Vulkan. "Pertula, ich hab Dir doch schon mal gesagt, dass Du nochmal den Deckel an der Seite anheben und dann in der Mitte auf ihn drücken mußt bevor Du die Dosen schließt - damit die Luft entweichen kann - jetzt ist Schlacke an den Bröckchen".
"Klopf sie halt ab", beschied ihr Pertula, als sie zwei Topflappen aus Asbest herüberreichte. Griselda nahm, geschützt durch die Lappen, zwei Lavastücke heraus, warf sie heftig auf den Boden, ließ ein "ahh, schon besser" ertönen und schmiß einen der Brocken in den Sut - das zweite Lavastück war unter die Anrichte gekullert, wo es zischend abkühlte.

Auch wenn es Marilda bei der ganzen Sache nicht wohl war, so wollte sie doch nicht zurück stehen und sich von ihren Freundinnen hänseln lassen. Um aber die ganze Sache nicht noch schlimmer zu machen entschied sie sich für einen Klassiker der Hexenküche - Molchgedärme. Diese dienen eher dazu einem Trunk die Schärfe zu nehmen und ihm einen wohligen, hibiskusartigen Geschmack zu verleihen, als das sie irgendwelche Zauberkräfte beitragen würden. Und tatsächlich, ihre Wahl hatte zumindest den Erfolg, dass der nächste Holzlöffel, den Pertula zum Umrühren benutzte, länger hielt.

Nach einer weiteren halben Stunde war die Flüssigkeit im Topf klar und ruhig wie Quellwasser. Jede der Hexen hatte sich mit einer Schöpfkelle ausgerüstet, die sie nun eintauchten. Nach einem gemeinsamen "Es soll so sein wie es sein soll also rein damit"-Spruch schlürften sie ihre Kellen aus. Diese ganze Prozedur wiederholte sich ungefähr dreiundzwanzig mal, mitzählen konnte aber niemand mehr von den Dreien. Schon nach Kelle Nummer Zwölf waren Pertula Pimpernell, Griselda Wetterfein und Marilda Grimsbartl keinesfalls schöner geworden, hielten sich aber dafür.

Und irgendwann, kurz vor Mitternacht, schwankten sie, Arm in Arm singend, aus der Türe der kleinen Hütte und ließen den Erzähler in seinem Mauseloch zurück.

Die Nachricht in der Presse am nächsten Tag laß sich kurz und unspektakulär:
Wipfelrode - Heute morgen, kurz nach Mitternacht, wurden in der Waldschenke "zum springenden Bock" drei randalierende Frauen gesetzten Alters von den Ordnungshütern in Gewahrsam genommen und zur Ausnüchterung für mehrere Stunden arrestiert.

Als die drei wieder Heim kehrten haben sie natürlich sofort begonnen etwas gegen ihren Kater zu brauen - aber das ist eine andere Geschichte.
 
Da war sogar der Fehlerteufel bei den Hexen zugegegen:

...und schmiß einen Brocken in den SuD (nicht "sut")

Lebendig, lustig, fröhlich erzählt, sehr gut an sich!

Nur der barocke Aufwand an Worten lohnt sich nicht um diese Idee rüberzubringen. Kürzen, "verdichten", etwa auf die Hälfte oder wenigstens auf 2/3, und die Sache gewinnt sehr!
 
K

kaffeehausintellektuelle

Gast
vor allem das ende fand ich wirklich gut.
ein paar fehler sind mir aufgefallen. und den tipp von waldemar, den würd ich annehmen, also das mit dem verdichten. das macht die geschichte noch lesenswerter.
liebe grüße
die kaffeehausintellektuelle
 

Andrea

Mitglied
Ich würde auch streichen lassen, v.a. wenn die Hexen die Ersatz-Zutaten auswählen, müßtest du straffen können. Außerdem solltest du den Prozeß des Alkoholisieren umschreiben, ihn vielleicht durch einen kurzen Dialog auflockern. Im „Und irgendwann“-Absatz den Erzähler rausstreichen und das „sie“ eventuell schon durch „drei Frauen“ ersetzen und schon diesen Teil etwas distanzieren, und dann bitte noch das „laß“ durch „las“ ersetzen..
Aber es ist ein wirklich guter, witzig und flüssig geschriebener Text, der gewisse Assoziationen zu drei anderen Hexen weckt, von denen eine so ähnlich heißt wie „Wetterfein“, aber das ist alles „Pschikologie“. ;)
 



 
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