Dreieier

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Haarkranz

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Dreieier

An diesem Morgen drückte Kurt den Wecker ab. Sonst war seine Frau als erste auf den Beinen, machte Frühstück, bevor er zur Arbeit ging.
Heute wollte er sie nicht sehen. Zu sehr hing ihm das Gelächter seiner Kumpels nach, für die war Dreieier ein gefundenes Fressen. Schuld war Ediths Klatscherei mit Frauke, über den ihm wegoperierten dritten Hoden.
Dreieier, noch rief ihn niemand so, doch bald würd er für jeden Dreieier sein.
Er kannte seine Frau genau, wusste, ihre freundliche Beflissenheit war Werkzeug ihn zu lenken, aufsteigenden Zorn im Keim zu ersticken. Heißer Kaffee, und frisch aufgebackene Brötchen, gehörten zu ihren Instrumenten.
Er lag still, horchte auf ihren sanft schnurrenden Atem. Er liebte Edith, beteuerte es jedenfalls, wenn sie fragte. Da er ungern log, glaubte er sich.
Sie waren jetzt im zwölften Jahr verheiratet, kinderlos, was ihn nicht störte, im Gegenteil. Jeden Tag bestärkte ihn das endlose Geschimpfe seiner Kollegen, über die undankbare Brut in der Gewissheit, wie gut es ihm ging.
Was die Liebe anging, darüber hatte immer Edith befunden. Beim ersten Mal, als er sie in den Arm nahm, seinen Mund ungeschickt über ihren stülpte, hatte sie gefragt:
„Du willst mich küssen Kurt, liebst du mich auch?“
Was sollte er sagen? Er wollte sie küssen, das war erst der Anfang. Er wollte viel mehr. Wenn er mit seinen Kumpels, die Bierflasche in der Hand, an der Trinkhalle stand, hatten alle schon das mit den Mädchen gemacht, was nach dem Küssen kam. Alle, nur er nicht. Mit jeder Flasche ging es tiefer in die Details der weiblichen Schlüpferanatomie.
Wie man unter den eng an das Fleisch anliegenden Höschen sich vorschiebt, dahin, wo es heißer und feuchter wird. Wie die Mädchen bei dieser Prozedur vor Wonne stöhnend, eifrige Unterstützung bei gleichzeitigem Widerstand praktizierten.
Mit Edith hatte er das nie versucht. Den Kuss bekam er, nachdem er sagte, er liebe sie. Das heißt, er hatte, als sie ihn fragte, ja gesagt, ja.
Sie darauf: „Was ja, Kurt?“
„Du hast mich doch gefragt, Edith.“
„Kurt, was hab ich gefragt?“
„Ich hab doch schon geantwortet, ja, Edith.“
„Ja, genügt mir nicht, Kurt! Du küsst mich, und sagst einfach ja. Was soll ich damit anfangen? Kannst du einer Frau deine Gefühle nicht zeigen?“
„Ja, ich möchte dich immer küssen, Edith,“ hatte er geflüstert. Da schubste sie ihn weg und wollte nach Hause.
Er kleinlaut: „Ich bring dich,“
„Nein lass nur,“ die Edith, drehte sich um und ging.
Nun lag sie neben ihm im Bett, war seine Frau. Er schlich sich an ihr vorbei in den Flur, von da in die Küche, Hose und Hemd in der Hand, verzichtete auf das Frühstück, und machte sich weg.
Sie würde aus allen Wolken fallen, wenn sie das leere Bett entdeckte. War gut so. Sollte sie sich Sorgen machen, hatte sie verdient.
Kurt ging quer durch das Feld zur Bushaltestelle. Er war viel zu früh, fror in der feuchten, kühlen Morgenluft. Die Sonne war dabei über den Horizont zu klettern, färbte den Osten rosig.
Kurt dachte, wenn Edith bei mir wäre, ich fänd keine besseren Worte als rosig, würde sie wieder den Kopf auf die Art schütteln, die er auf den Tod nicht ausstehen konnte.
Er setzte sich auf die Bank im Wartehäuschen, döste vor sich hin. Der Bus, den er seit zwölf Jahren jeden morgen von hier zur Arbeit nahm, würde erst in einer halben Stunde kommen. Sich ein wenig lang machen, auf der Bank konnte nicht schaden. Er nahm seine Jacke, dreht die zusammen, legte sie unter den Nacken. Das erste Mal seit zwölf Jahren ohne Frühstück zur Arbeit, ging es ihm durch den Kopf . Er fühlte das Loch im Magen, vermisste den Kaffeeduft, der ihn erst so richtig in Schwung brachte. Ist es blöd, sinnierte er, wegen solcher Lapalie, wie Edith das nennen würde, Aufstand zu machen?
Edith würde nicht einsehen, was sie damit zu tun hatte, schlichtweg nicht zugeben, dass sie Frauke, über den Zustand seiner Eier informiert hatte. Seinen Befürchtungen, Dreieier genannt zu werden, auch keinerlei Gewicht beimessen. Vielleicht hatte sie ja recht, vielleicht benehme ich mich einfach halbstark. Wie oft hatte Edith ihn schon ermahnt, endlich erwachsen zu werden. Ich will einen ganzen Mann, keinen halbfertigen Nachschwätzer.
War das mit Dreieier, auch wieder halbfertiges Nachschwätzen?
Während er dalag, aus dem Wartehäuschen hinauf in den Himmel starrte, kam das Haltestellenschild „Drei Eichen“ in sein Blickfeld, schwarz übermalt und verändert in „Drei Eier“. Er konnte es nicht glauben, buchstabierte wie ein Analphabet jeden einzelnen Buchstaben, aber da stand: „Drei Eier.“
Etwas zog sich in seiner Magengrube zusammen. Eine Leichtigkeit breitete sich aus, wie er sie noch nie gefühlt hatte. Plötzlich war sein Kopf voll roter Glut, zwang ihn auf die Füße, zwang ihn zu brüllen, quer über das Feld zu toben, hin zu seinem Häuschen, in dem Edith neben seinem leeren Bett schlief. Er fühlte, wie die Leichtigkeit ihn hochhob, ihn vorwärts trug über den Acker.
Die Schuhe versanken in der weichen Krume, doch nichts konnte ihn halten. Er rannte nicht, er flog. Nie gefühlte Kraft, trieb ihn vorwärts. Er schrie: „Ich komme, Edith! Dreieier kommt, Edith! Dreieier kommt!“
Als er die Strasse erreicht hatte, sah er, wie die Haustür aufging. Edith stand im Nachthemd in der Tür, „Kurt“ rief sie angstvoll, „was ist dir,“ mehr ging nicht. Er packte ihren dünnen Hals, quetschte und drehte, fühlte ganz fern ihre Fingernägel seine Handrücken zerkratzen, dann ließ er sie fallen und wunderte sich, wie verkrümmt sie auf der Türschwelle lag.
Jemand stand vor ihm, hatte ihn wach gerüttelt.
„Aufstehen, Kumpel! Der Bus ist gleich da!“
Es war Gottfried, der Mann, den alle in der Fabrik fürchteten. Gottfried, so ging das Gerücht, hatte eine Erfindung gemacht, die die Hälfte von ihnen überflüssig machen würde. Wie kam der hierher, nach Drei Ei---? Kurt war wieder in der Wirklichkeit. Das Schild! Drei Eichen stand da, Bushaltestelle. Er hatte geträumt, niemand hatte Drei Eier drübergeschmiert. Edith lebte.Traum, Albtraum.
„Geschrien und gestöhnt haste, zum Gotterbarmen, Kumpel,“ sagte Gottfried, als er sich neben ihn auf die Bank plumpsen ließ.
 

NicoD

Mitglied
Eine interessante Geschichte! Du solltest allerdings auf die Kommata achten, da sind ein paar definitiv zuviel.

Mit jeder Flasche ging es tiefer in die Details der weiblichen Schlüpferanatomie.

Halte ich - mit Verlaub - für eine zu gewagte Formulierung. Erstens hat ein Schlüpfer keine Anatomie. Zweitens hat da eine Bierflasche nichts zu suchen (glaube ich jedenfalls) ;-)

Sich ein wenig lang machen, auf der Bank konnte nicht schaden.

Satzstellung.

Ist es blöd, sinnierte er, wegen solcher Lapalie, wie Edith das nennen würde, Aufstand zu machen?

Ist das eine Lapalie? Sieht sie es nicht ein oder will sie es nicht wahrhaben? Wird m.E. nicht ganz klar.

Wie oft hatte Edith ihn schon ermahnt, endlich erwachsen zu werden. Ich will einen ganzen Mann, keinen halbfertigen Nachschwätzer.
War das mit Dreieier, auch wieder halbfertiges Nachschwätzen?


Mir ist hier nicht ganz klar, wer was nachschwätzt? Ist der Held nun in den Augen seiner Frau ein ewiger Ja-Sager? Oder schwätzt seine Frau zu viel?

Diese Anmerkungen sind von mir absolut konstruktiv gemeint und sollen nur andeuten, was Du verbessern könntest. Wie gesagt, ich finde diese Geschichte sehr lesenswert.

Viele Grüße
 
H

HFleiss

Gast
Haarkranz, "Dreieier" gefällt mir, ich finde sie humorvoll und ganz durchtrieben geschrieben.
Geh sie trotzdem noch mal durch und prüfe sie auf Diskrepanzen, dann könnte sie so richtig "rund" werden. Was ich aber nicht verstehe, ist der perfide Mord am Schluss. Hier hätte ich mir einen verbalen Mord gewünscht.

Gruß
Hanna
 



 
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