Dritte Sitzung

nachtfalter

Mitglied
( keine inspirierende Prominenz heute)

oder: Bastard, was machst du jetzt?

Unlängst, so vor 30 Jahren machten Hertha und ich einen Ausflug zum Hallstätter See. Zuerst sprach sie überraschend davon, daß an Hitler doch einiges gut gewesen sein soll und dann, nachdem ich betreten schwieg, begann sie, mir aus einem alten Buch vor zu lesen. Weil es in lateinischer Sprache verfaßt war, verstand ich sowieso kein Wort. Sie aber sagte: Ohne Latein ist Bildung nicht fundiert. Ich schwieg weiter,
schaute zum wolkenlosen Himmel hinauf und er schaute zurück.
Eine bestimmte Passage musste sie plötzlich verärgert haben, denn sie scheuchte nicht nur mit einer Handbewegung das Insekt, ich glaube, es war eine Libelle, von der Seite des Buches, in dem sie eben gelesen hatte. Sie warf das Buch hinterher ins Wasser, es klatschte und das Buch war sofort versunken; auf dem Wasser waren Ringe zu sehn, die drehten sich an der Stelle, wo das Buch versunken war, das Wasser klatschte monoton weiter leise gegen die hölzerne Breitseite des Bootes, es schaukelte,
der Himmel war immer noch blau. Ich schaute hinauf und er schaute zurück. Hertha nahm mit einer raschen Bewegung die Griffe der Ruder in die Hände und drückte kräftig.
-Wenn ich in die Pension zurückkomme, werde ich ein anderes Buch lesen, dachte sie und das Radio aufdrehen, um die lokalen Nachrichten zu hören. Kein mensch wird auf die Idee kommen, dass ich hier bin und sie lachte,-freute sich diebisch auf die nächste Lektüre und fasste mich schärfer ins Auge unter dem hochgezogenen Viser ihrer Brauen.
Bastard: irgendwann ist ihr diese Bezeichnung entschlüpft, nachdem sie sich übr mich geärgert hatte.

Sie war eher sportlich, ritt auch gerne und zog schon mal als Direktorin eines erziehungsheimes, die sie damals war, einer Insassin die Reitgerte über die Haut, was ich ihr damals, als uns zwar auch siebzehn Jahre trennten, ich aberst selbst 17 Jahre jung war, nie zugetraut hätte. Eine Rechnung war noch offen, das wussten wir beide. Abe wer denkt schon an Mord? Man ist enttäuscht und sieht einander nicht mehr, das ist alles. Und nun, nachdem wir einander zufällig begegnet waren, sie war eben auf dem Weg zum Notar, auf einmal diese Einladung. Ich, immer noch naiv nach so vielen Jahren, fuhr mit.
Und nun saß sie da, musterte mich mit lauerndem Ausdruck in ihren Augen; es war unangenehm, so mitten auf dem Wasser von einem der schwärzesten Seen. Aber ich kann doch schwimmen, sagte ich mir, nicht sehr gut zwar, aber habe ich mich nicht immer irgendwie aus Not gerettet mit einer Zähigkeit, auf die ich mich verlassen konnte. Also was?
Ich wäre nie auf die idee gekommen, daß Hertha nicht schwimmen kann. Sie musste auch annehmen, daß jemand wußte, wo ich war.
Scheinba hatte sie sich so etwas ähnliches gedacht: freundlicher plötzlich in Ausdruck und im Ton sie: Hast du der Henriette erzählt, wo du hinfährst? Nichts wäre leichter gewesen, als mich auf diese Art zu versichern. Ich hatte daheim tatsächlich erzählt, wo ich hingefahren war und mit wem. Aber meine Neugier war größer als meine Vorsicht und so verdrängte ich meine Angst, wollte sie am liebsten über Bord werfen, so wie sie vorhin das Buch ins Wasser geschmissen hatte und eventuell nachhüpfen. Das alles hat mich stutzig gemacht, weil Hertha kein impulsiver Typ war, trotz der Reitgerte.
Ich sagte also nein, niemand weiß, wo ich bin und sie bekam wieder siesen lauernden Ausdruck in ihren Augen unter dem offenen Visier ihrer Brauen.
Sie schlug mich unerwartet rasch und genau in die Magengegend,
noch ein Stoß. Sofort sackte ich ab und schluckte Wasser, schlug um mich und ruderte mich hoch und als ich den Kopf wieder über Wasser hatte, konnte ich sie wegrudern sehen, dem Ufer zu.


-----Fortsetzung folgt.
 

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( keine inspirierende Prominenz heute)

oder: Bastard, was machst du jetzt?

Unlängst, so vor 30 Jahren machten Hertha und ich einen Ausflug zum Hallstätter See. Zuerst sprach sie überraschend davon, daß an Hitler doch einiges gut gewesen sein soll und dann, nachdem ich betreten schwieg, begann sie, mir aus einem alten Buch vor zu lesen. Weil es in lateinischer Sprache verfaßt war, verstand ich sowieso kein Wort. Sie aber sagte: Ohne Latein ist Bildung nicht fundiert. Ich schwieg weiter,
schaute zum wolkenlosen Himmel hinauf und er schaute zurück.
Eine bestimmte Passage musste sie plötzlich verärgert haben, denn sie scheuchte nicht nur mit einer Handbewegung das Insekt, ich glaube, es war eine Libelle, von der Seite des Buches, in dem sie eben gelesen hatte. Sie warf das Buch hinterher ins Wasser, es klatschte und das Buch war sofort versunken; auf dem Wasser waren Ringe zu sehn, die drehten sich an der Stelle, wo das Buch versunken war, das Wasser klatschte monoton weiter leise gegen die hölzerne Breitseite des Bootes, es schaukelte,
der Himmel war immer noch blau. Ich schaute hinauf und er schaute zurück. Hertha nahm mit einer raschen Bewegung die Griffe der Ruder in die Hände und drückte kräftig.
-Wenn ich in die Pension zurückkomme, werde ich ein anderes Buch lesen, dachte sie und das Radio aufdrehen, um die lokalen Nachrichten zu hören. Kein Mensch wird auf die Idee kommen, dass ich hier bin und sie lachte,-freute sich diebisch auf die nächste Lektüre und fasste mich schärfer ins Auge unter dem hochgezogenen Viser ihrer Brauen.
Bastard: irgendwann ist ihr diese Bezeichnung entschlüpft, nachdem sie sich über mich geärgert hatte.

Sie war eher sportlich, ritt auch gerne und zog schon mal als Direktorin eines Erziehungsheimes, die sie damals war, einer Insassin die Reitgerte über die Haut, was ich ihr damals, als uns zwar auch siebzehn Jahre trennten, ich aber selbst erst 17 Jahre jung war, nie zugetraut hätte. Eine Rechnung war noch offen, das wussten wir beide. Aber wer denkt schon an Mord? Man ist enttäuscht und sieht einander nicht mehr, das ist alles. Und nun, nachdem wir einander zufällig begegnet waren, sie war eben auf dem Weg zum Notar, auf einmal diese Einladung. Ich, immer noch naiv nach so vielen Jahren, fuhr mit.
Und nun saß sie da, musterte mich mit lauerndem Ausdruck in ihren Augen; es war unangenehm, so mitten auf dem Wasser von einem der schwärzesten Seen. Aber ich kann doch schwimmen, sagte ich mir, nicht sehr gut zwar, aber habe ich mich nicht immer irgendwie aus Not gerettet mit einer Zähigkeit, auf die ich mich verlassen konnte. Also was?
Ich wäre nie auf die idee gekommen, daß Hertha nicht schwimmen kann. Sie musste auch annehmen, daß jemand wußte, wo ich war.
Scheinbar hatte sie sich so etwas ähnliches gedacht: freundlicher plötzlich in Ausdruck und im Ton sie: Hast du der Henriette erzählt, wo du hinfährst? Nichts wäre leichter gewesen, als mich auf diese Art zu versichern. Ich hatte daheim tatsächlich erzählt, wo ich hingefahren war und mit wem. Aber meine Neugier war größer als meine Vorsicht und so verdrängte ich meine Angst, wollte sie am liebsten über Bord werfen, so wie sie vorhin das Buch ins Wasser geschmissen hatte und eventuell nachhüpfen. Das alles hat mich stutzig gemacht, weil Hertha kein impulsiver Typ war, trotz der Reitgerte.
Ich sagte also nein, niemand weiß, wo ich bin und sie bekam wieder diesen lauernden Ausdruck in ihren Augen unter dem offenen Visier ihrer Brauen.
Sie schlug mich unerwartet rasch und genau in die Magengegend,
noch ein Stoß. Sofort sackte ich ab und schluckte Wasser, schlug um mich und ruderte mich hoch und als ich den Kopf wieder über Wasser hatte, konnte ich sie wegrudern sehen, dem Ufer zu.

Fortsetzung folgt
 

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( keine inspirierende Prominenz heute)

oder: Bastard, was machst du jetzt?

Unlängst, so vor 30 Jahren machten Hertha und ich einen Ausflug zum Hallstätter See. Zuerst sprach sie überraschend davon, daß an Hitler doch einiges gut gewesen sein soll und dann, nachdem ich betreten schwieg, begann sie, mir aus einem alten Buch vor zu lesen. Weil es in lateinischer Sprache verfaßt war, verstand ich sowieso kein Wort. Sie aber sagte: Ohne Latein ist Bildung nicht fundiert. Ich schwieg weiter,
schaute zum wolkenlosen Himmel hinauf und er schaute zurück.
Eine bestimmte Passage musste sie plötzlich verärgert haben, denn sie scheuchte nicht nur mit einer Handbewegung das Insekt, ich glaube, es war eine Libelle, von der Seite des Buches, in dem sie eben gelesen hatte. Sie warf das Buch hinterher ins Wasser, es klatschte und das Buch war sofort versunken; auf dem Wasser waren Ringe zu sehn, die drehten sich an der Stelle, wo das Buch versunken war, das Wasser klatschte monoton weiter leise gegen die hölzerne Breitseite des Bootes, es schaukelte,
der Himmel war immer noch blau. Ich schaute hinauf und er schaute zurück. Hertha nahm mit einer raschen Bewegung die Griffe der Ruder in die Hände und drückte kräftig.
-Wenn ich in die Pension zurückkomme, werde ich ein anderes Buch lesen, dachte sie und das Radio aufdrehen, um die lokalen Nachrichten zu hören. Kein Mensch wird auf die Idee kommen, dass ich hier bin und sie lachte,-freute sich diebisch auf die nächste Lektüre und fasste mich schärfer ins Auge unter dem hochgezogenen Viser ihrer Brauen.
Bastard: irgendwann ist ihr diese Bezeichnung entschlüpft, nachdem sie sich über mich geärgert hatte.

Sie war eher sportlich, ritt auch gerne und zog schon mal als Direktorin eines Erziehungsheimes, die sie damals war, einer Insassin die Reitgerte über die Haut, was ich ihr damals, als uns zwar auch siebzehn Jahre trennten, ich aber selbst erst 17 Jahre jung war, nie zugetraut hätte. Eine Rechnung war noch offen, das wussten wir beide. Aber wer denkt schon an Mord? Man ist enttäuscht und sieht einander nicht mehr, das ist alles. Und nun, nachdem wir einander zufällig begegnet waren, sie war eben auf dem Weg zum Notar, auf einmal diese Einladung. Ich, immer noch naiv nach so vielen Jahren, fuhr mit.
Und nun saß sie da, musterte mich mit lauerndem Ausdruck in ihren Augen; es war unangenehm, so mitten auf dem Wasser von einem der schwärzesten Seen. Aber ich kann doch schwimmen, sagte ich mir, nicht sehr gut zwar, aber habe ich mich nicht immer irgendwie aus Not gerettet mit einer Zähigkeit, auf die ich mich verlassen konnte. Also was?
Ich wäre nie auf die idee gekommen, daß Hertha nicht schwimmen kann. Sie musste auch annehmen, daß jemand wußte, wo ich war.
Scheinbar hatte sie sich so etwas ähnliches gedacht: freundlicher plötzlich in Ausdruck und im Ton sie: Hast du der Henriette erzählt, wo du hinfährst? Nichts wäre leichter gewesen, als mich auf diese Art zu versichern. Ich hatte daheim tatsächlich erzählt, wo ich hingefahren war und mit wem. Aber meine Neugier war größer als meine Vorsicht und so verdrängte ich meine Angst, wollte sie am liebsten über Bord werfen, so wie sie vorhin das Buch ins Wasser geschmissen hatte und eventuell nachhüpfen. Das alles hat mich stutzig gemacht, weil Hertha kein impulsiver Typ war, trotz der Reitgerte.
Ich sagte also nein, niemand weiß, wo ich bin und sie bekam wieder diesen lauernden Ausdruck in ihren Augen unter dem offenen Visier ihrer Brauen.
Sie schlug mich unerwartet rasch und genau in die Magengegend,
noch ein Stoß. Sofort sackte ich ab und schluckte Wasser, schlug um mich und ruderte mich hoch und als ich den Kopf wieder über Wasser hatte, konnte ich sie wegrudern sehen, dem Ufer zu. Eine Bewegung ihres Kopfes in meine Richtung, sofort tauchte ich unter, sehr ungeübt. Immer wieder sah sie zurück und gleichzeitig tauchte ich ein jedes mal unter, legte mich schließlich flach auf den Rücken auf das Wasser, stellte mich tot.

Sie ruderte Richtung Ufer, raffte ihre Sachen, bückte sich einmal, zweimal und plötzlich verlor sie den Halt; das Boot bekam anz schwere Schlagseite und sie fiel heraus ins Wasser, das Boot kippte auf sie drauf. Ich robbte weiter, Richtung Ufer natürlich. Ob ich es schaffe?
Ach, einmal hatte ich ihr erzählt, dass ich nicht schwimmen kann und dabei hatte ich gemeint, ohne Stil. Über Wasser halten konnte ich mich immer, den Schwimmstil habe ich im Lauf der Jahre verbessert. Sie war offensichtlich davon ausgegangen, daß ich ertrinken würde.
Warum dieser Haß? War da wirklich ich gemeint oder war sie so verbittert?
Bastard, hatte sie wiederum gezischt, während sie mich stieß. Das war besonders gemein, weil sie wusste, daß meine Mutter mich weggegeben und ich Pflegeeltern gehabt hatte.
Ich muß langsamer werden, so denke ich, ein Tempi nach dem andern, ein-atmen, aus-atmen und nur keine Panik, denn Panik könnte jetzt tödlich sein. Das Ufer ist noch weit entfernt aus meiner Perspektive. Ob ich das durchhalten werde?
Ich lege mich auf den Rücken, sehe zum Himmel hinauf, er ist immer noch blau, ich schaue hinauf und er schaut zurück.
Dann: kein Himmel mehr, Algen streicheln meine Haut, meine Arme und Beine verheddern sich, nichts als Nässe und Dunkel, ab und zu streift ein vorbeihuschender Fisch meine Haut mit seinem glitschigen Leib.
Plötzlich, ich hatte eigentlich schon aufgegeben, vermeinte ich Motorengeräusch zu hören. ich trat und schlug noch einmalmit letzter Kraft, die aufbringen zu können ich gar nicht mehr gegalubt hatte. Das Motorengeräusch war plötzlich ganz laut, dann Stille. Eine große Hand packte mich am Genick, noch ein Stoß in die Magengegend.
Das erste, was ich sah: der junge Mann in Feuerwehruniform, sein Oberkörper über mich gebeugt, das junge Gesicht, sein nasses Haar war braun.
Da haben wir noch einmal Glück gehabt, so er. Das Boot ist ja ganz weit weg, wie ist das möglich? Ich konnte sowieso nicht reden, mir war sehr kalt, doch der Himmel war immer noch blau.

Im Spital hörte ich dann im Radio die lokalen Nachrichten, dass eine weibliche Leiche im Hallstättersee gefunden worden sei, nah an einem Boot, das führerlos schaukelte. Die Gendarmen befragten mich noch, wie es zu dem Unfall gekommen sei, doch ich sagte nur, daß ich das Boot gesehen hätte, als ich in den See zum schwimmen ging und daß ich mich beim Schwimmen wohl übernommen hätte, mehr wüsste ich auch nicht.
 



 
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