Du

masterplan

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Macht alle, was ihr wollt, denke ich. Ich habe Lust mich zu betrinken. Oder einfach nur zu schlafen. Beides wäre eine Form von vergessen oder egalisieren, könnte man sagen. Wenn ich mich nur versuche abzulenken, kommen die Gedanken wieder. Sie dringen durch mein Bewußtsein und kämpfen sich an die klar denkende Oberläche. Dort mischen sie sich mit dem Alltäglichen und verursachen die Depressionen, mit denen ich zu kämpfen habe. Auch wenn es niemand erwartet und wenn es noch so unmöglich und sinnlos erscheint. Es passiert einfach. Da bin ich sehr empfindsam - zu meinem Leidwesen. Die Stimmung kann sich von diesen auf den nächsten Moment ruckartig wandeln. Mein Wesen lässt sich nicht als Optimist oder Pessimist kategorisieren. Erst bin ich optimistisch aber nachdenklich, dann erkenne ich das Tatsächliche und werde realistisch. Schließlich treiben mich viele, dunkle, blitzschnelle aber eindeutige Gedanken über diesen Realismus zum Pessimismus. Schon bin ich down, wie man so schön sagt.
Ich trete auf den Balkon und zünde mir eine Zigarillo mit Vanillegeschmack an. Die Flamme des Imitat- Zippo- Feuerzeugs brennt nur noch schwach und erlischt, als ich es in den lauen Wind halte. Der erste Zug an dem gefilterten Stumpen schmeckt wie gasförmiger, dichter und beißender Schmutz auf meiner Zunge und an meinem Gaumen und breitet sich schließlich als Duft von Tabak und Vanille aus. Das Ausatmen des Giftes ist das Beste am Rauchen. Der Körper jauchz, er macht schier freudensprünge und setzt Glückshormone frei, wenn der Moment kommt, da ihn die schmutzigen Gase verlassen, aus seinen Lungen heraustreiben. Er weiß, dass der nächste Zug reine Luft ist. Der Stoff aus dem seine Träume sind. Blutbahnen strömen damit. Lebenswichtige Nährstoffe werden transportiert. Wenn wir kein physisches Leben wären bräuchten wir die Luft nicht und könnten ebensowenig rauchen.
Eigentlich habe ich keine Lust mehr auf diese Party. Genauer gesagt, habe ich eigentlich schon den ganzen Abend kein bisschen Interesse an oberflächlichen, wenig intellektuell ansprechenden, einfach dummen Smalltalks. Auch die wenig besseren Witze können mich nicht aus meiner Stimmung befreien. Deswegen ziehe ich auch gerade an dieser Zigarette für Genießer, wie es auf der quadratischen Schachtel steht. Das mache ich nämlich nur, wenn ich mich anderst fühlen will, als ich mich im Moment tatsächlich fühle. Dann möchte ich niedergeschlagen sein und daran denken, dass mir sowieso alles egal ist. Es ist ein gutes Gefühl, so quer zu reagieren - wenn es funktionieren würde. Denn meistens kann ich es nicht wirklich aufrecht erhalten. Ich will fühlen und gefühlt werden. Wenn einem dies bewußt ist, kann man sehr unter dem Gegenteil davon leiden. Also drücke ich die Zigarillo aus und versuche mich zu fangen.
Als ich wieder durch die Balkontür hinein gehe, erkenne ich ein paar verstreute Partygäste, die entweder in dunklen Ecken des großen Wohnzimmers, oder müde, mitten im Raum aufhalten. Daran erkennt man, dass dies eines dem Ende zugehendes Fest ist. Ich wußte nicht, dass ich mich schon so lange hier aufgehalten hatte. Manchmal bin ich über meine Geduld überrascht. Vor allem weil ich denke, dass ich keine hätte.
Die Luft in dem Raum wirkt verbraucht und riecht nach Alkohol. Vor allem nach Wein. Den Geruch von aufgestoßenem oder ausgedünstetem Weiß- und Rotwein mag ich am wenigsten. So trete ich denn durch diesen Dunst um zur Toilettentür zu gelangen und versuche gleichzeitig die Gedanken der müden und angetrunkenen, ruhigen Gäste zu erfassen. Was mögen sie gerade in diesem Moment denken? Doch kann ich nichts erspüren. Es sind zu schwache, zu verschwommene, weggetretene Gedanken, die keine feste Bindung an etwas haben. Niemand ist jetzt noch einen Austausch wert. Wahrscheinlich nicht einmal ich selbst.
Dann merke ich aber, dass doch nicht jeder hier absolut sinnlos und trübe seinem Wesen folgt. Aus einer bestimmten Richtung glaube ich etwas zu empfangen. Etwas das mich erleuchten und befreien könnte - möglicherweise.
Ich suche und finde... dich. Du kamst direkt aus dem WC und stehst noch ein wenig unsicher vor der Toilettentür, die Umgebung musternd. Ich bin bezaubert von dir und von allem was dich umgibt. Du siehst mich an und glaubst an meine Gedanken und Gefühle. Als hätte es niemals eine Distanz gegeben, die uns bislang voneinander getrennt hatte. Doch traue ich diesem Empfinden nicht ganz. Weiß nicht wie ich dich deuten soll. Das was du mir abgibst ist nicht eindeutig. Ich kann deine Kraft so nicht verarbeiten. Habe Angst etwas Falsches zu tun und zu entscheiden. Es verwirrt mich noch mehr, als es mich glücklich macht. Was soll nun geschehen?
Manchmal habe ich solche Momente. Vergesst mich, ignoriert mich, denke ich dann. Verbannt mich an einen Ort, weit weg von hier. Wo ich niemandem Schaden zufügen kann. Denn ich weiß nicht, wie ich all meine Gedanken und Vorstellungen mit anderen Menschen unter einen Hut bringen soll. Schon klar, dass der Moment zählt und ich mir keine Sorgen über Dinge machen muss, die erst in Tagen oder Wochen geschehen werden. Aber ich kann es nicht anders. Ich muß dieses verdammte Universum versuchen zu kontrollieren. Doch so einfach lässt sich dieses eben nicht bestimmen, vorhersehen oder festlegen. Wahrscheinlich kann man als Mensch überhaupt gar nichts in dieser Welt wirklich ganz und gar im Griff haben. Das habe ich aber noch nicht verstanden. Jetzt bist du da und glaube an eine neue, bessere Gewalt in unserem Halo. Fühle es aber so nicht und verstehe es noch viel weniger.
So möchte ich weit, weit weg sein und bin doch bei dir. Wir umarmen uns und sehen unser Bild gespiegelt in dem großen Wandspiegel neben dem Ausgang - ungewiß, was passieren wird und wie wir darüber denken werden. Ich habe Angst und bin betäubt, aber so unglaublich glücklich dich in meinen Armen zu haben.
Bitte befreie mich von allem und werde eins mit mir. Ich will nicht ein Teil von allem sein. Ich will nur mit dir sein. Denn du bist alles und nichts - meine Freiheit.
 

Pritt

Mitglied
Hallo!

Entschuldige meine Oberflächlichkeit. Ich möchte diesen Text nicht als Ganzes bewerten, weil ich ihn vielleicht nicht so ganz verstanden habe. Aber der Satz:
"Niemand ist jetzt noch einen Austausch wert." ist ein kleines Juwel...
Gruß...Pritt
 



 
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