Du bist MEIN

3,80 Stern(e) 4 Bewertungen

Laiza

Mitglied
In der ferne schlug Big Ben. Zwölf Schläge verklangen in der Weite der Nacht. Rachel hörte sie kaum. Ihr war kalt und sie hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. Seit sie alleine losgelaufen war und Heathers Angebot sie mit zu nehmen abgelehnt hatte, bereute sie ihren Wagemut. Die Bäume am Rand warfen bizarre Schatten, die ihr eine Gänsehaut verursachten. Die Äste schienen nach ihr zu greifen. Rachel glaubte die Bäume wispern zu hören:

„Du dummes Ding! Ich kriege dich!“

Oder waren es gar nicht die Bäume? Erschrocken drehte sich Rachel um. Niemand war hinter ihr. Sie seufzte. „Rachel, beruhige dich. So langsam drehst du durch. Bäume können nicht reden! Komm mal wieder runter.“ Kopfschüttelnd ging sie weiter. In dunklen Gassen war es nun mal unheimlich. Sie war selber schuld. Wäre sie mit Heather gefahren, müsste sie sich jetzt nicht ängstigen.

Aber sie hatte ja angenommen, dass Gabriel sie begleiten würde. Er war den ganzen Abend so nett zu ihr gewesen und am Samstag wollten sie sogar ins Kino gehen. Aber als sie verkündet hatte, dass sie laufen wollte, hatte er nicht, wie Rachel angenommen hatte, angeboten sie zu begleiten. Er hatte einfach „Bey“ gemurmelt und war davon gegangen. Aber immerhin hatte sie in zwei Tagen eine Verabredung mit ihm. Gabriel McCafferty, dem tollsten Jungen an der ganzen Schule. Rachel schwärmte schon so lange für ihn, dass sie die Hoffnung auf ein bisschen Aufmerksamkeit von ihm schon aufgegeben hatte, doch heute hatte er sie bemerkt. Sie musste dieser Zicke Charlotte schon fast ein bisschen dankbar sein, dass sie diese Party gefeiert hatte.

Plötzlich war hinter ihr ein lauter Knall zu hören. Rachel schrie auf und wirbelte erschrocken herum. In der Dunkelheit konnte sie nichts erkennen. Was passierte hier? Langsam ging sie in die Richtung aus der der Knall gekommen war. Sie hatte das Gefühl beobachtet zu werden und auch die Dunkelheit schien nun ihr Feind zu sein, der sie von allen Seiten umgab, um sie einfangen zu können. Ein warmer Luftzug strich ihr übers Gesicht und wieder konnte sie das Wispern hören, dass ganz aus der Nähe kommen musste. Entsetzt wirbelte sie herum, aber auch diesmal war nichts zu sehen. Was ging hier vor? Drehte sie durch? Sie spürte kalte Finger auf ihrem Nacken. Rachel erstarrte. Die Finger glitten langsam und zart an ihrem Rücken hinunter und wieder hinauf. Warmer Atem streichelte ihre Wange. Wie in Trance drehte sich Rachel langsam um. Niemand war da! Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Tränen liefen ihr über die Wange. Ihr ganzer Körper bebte. Ihre Angst drohte sie zu zerquetschen. Sie konnte sich nicht bewegen. Alles was sie konnte, war darauf zu warten, dass die unsichtbare Hand wieder kam. Dass der warme Atem sie wieder berührte. Aber nichts geschah. Nach einer halben Ewigkeit, wie es Rachel schien, ging sie langsam weiter.

Alle ihre Sinne arbeiteten auf Hochtouren. Bei jedem Geräusch das sie vernahm blieb sie stehen. Jeder Schatten der über den Boden tanzte entlockte ihr einen kleinen Schrei. Sie war mit ihrer Kraft am Ende. Nie wieder würde sie alleine heim gehen. Nie wieder! Zum tausendsten Male fragte sich Rachel, was sie sich eigentlich dabei gedacht hatte, als sie hinter sich Schritte hörte. Würde dieser Alptraum den nie ein Ende nehmen? Sie wagte es kaum über die Schulter zu blicken, in der Annahme auch diesmal niemanden zu sehen. Doch als sie es dennoch tat, erblickte sie hinter sich einen Mann. Einen realen, lebendigen Mann. Aber obwohl sie sich darüber hätte freuen können, tat sie es nicht, denn sie spürte trotz allem die Bedrohung die von ihm ausging. Er schien ein Teil der Dunkelheit zu sein. Oder war er die Dunkelheit? Erst jetzt bemerkte Rachel, dass sie stehen geblieben war. Panik stieg in ihr auf. Es war zu spät wegzulaufen. Wieso war sie nur stehen geblieben? Sie sollte weiter gehen und so tun, als wäre nichts. Aber sie tat es nicht. Wie von unsichtbaren Händen gehalten blieb sie wo sie war. Eises Kälte legte sich über ihren Brustkorb. Ihre Hände begannen zu zittern und ihr Körper versteifte sich.

Der Mann war nun ganz nah. Sie konnte sein blasses, fein geschnittenes Gesicht erkennen. Er war hübsch. Seine Augen waren von einem unglaublich hellem blau und sie sahen Rachel wie gebannt entgegen. Er hatte kurze dunkle Haare und seine Lippen waren voll und rot. Bei jedem Schritt, den er näher auf Rachel zu kam, wehte sein langer, schwarzer Mantel im Wind. Aber es ging doch gar kein Wind! Plötzlich konnte Rachel ganz deutlich die unsichtbaren Hände auf ihrem Rücken spüren, die sie sanft vorwärts schoben. Wiederwillig stolperte sie ihm entgegen. Was war nur los? Sie sollte sich umdrehen und verschwinden. Aber statt dessen ging sie diesem merkwürdigen Kerl auch noch entgegen. Sie hörte wieder das Wispern:

„Ich sehe dich, Rachel! Du bist hübsch! Du bist mein!“

Hastig blieb sie stehen. Er stand vor ihr, nur eine Armeslänge entfernt. „Guten Abend!“ Rachel strich sich in einer nervösen Geste ihre langen, blonden Haare hinters Ohr.

„Guten Abend. Du bist ja ganz alleine!“ Er hatte eine tiefe, melodische Stimme. Langsam begann er um Rachel herum zu gehen. „Mmh, ja, das bin ich. Ich .. ich bin auf dem Weg nach Hause!“ Seine Finger berührten ihren Hals und er seufzte. „Es ist schade. Findest du nicht auch?“ Rachel schluckte als sich seine Hand um ihren Nacken schloss. „Was ist schade, Sir?“ „Du bist so hübsch. Ich hab gleich gewusst, dass du die Richtige bist!“ Er drehte sie zu sich um und hob ihr Kinn an, so dass sie ihn ansehen musste. „Du hast so wunderbare Haut. Sie ist so zart.“ Mit dem Zeigefinger der anderen Hand fuhr er erst ihre Wangenknochen, dann ihre Lippen nach. Rachel schauderte. Was war das für ein merkwürdiger Mensch? „Deine Haare. Sie sind wie fließendes Gold.“ Er wickelte eine Strähne um seinen Finger. „Sir, was wollen sie?“

Er lächelte wissend und leise wisperte er:

„Du bist mein, Rachel!“

Erschrocken schrie sie auf, als er seine Hand auf ihre Hüfte legte und sie zart in seine Armer zog. Er war kalt. Rachel stellte entsetzt fest, dass alles an ihm einfach nur kalt war. Sogar sein Blick. Leise begann sie zu weinen. Sie hatte solche Angst. Wenn sie doch weglaufen könnte. „Rachel, sei ganz ruhig. Es wird nicht weh tun. Es wird nie wieder weh tun!“ Er sah ihr tief in die Augen und Rachel spürte, wie ihr Körper erschlaffte. Er drückte sie an sich und sie sah zu ihm auf. Ihre Tränen versiegten. Eine merkwürdige Ruhe ergriff sie. Als seine Lippen ihre Kehle berührten, spürte sie wie ihre Haut brannte. Sie schloss die Augen, den sie wusste, dass es vorbei war. Für immer. Sie neigte ihren Kopf zur Seite und er strich ihr die Haare nach hinten. Sacht küsste er dort ihre zarte Haut.

Als er den Kopf über ihren Hals beugte wisperte er:

„Es ist vorbei! Du bist mein!“

Dann biss er zu. Gamél hatte sich eine Frau gesucht.
 
Ja Laiza,
schöne, kleine Gruselgeschichte mit dem gewissen Spritzer düsterer Erotik. Passt meiner Meinung nach alles sehr gut zusammen.

Gruss, Marcus
 

Laiza

Mitglied
Hallo!

Danke, für die netten Kommentare!

Ich möchte mit dieser Geschichte bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb mitmachen, und in den Teilnahmebedingungen steht: 45 Zeilen mal 75 Zeichen
aber ich weiß nicht wirklich, was das bedeutet .. vielleicht kann mir mal jemand helfen? Fänd ich wirklich nett ..

Danke bis dann

Eure Laiza
 
Hallo Laiza,

das heißt, deine Geschichte darf 45*75 Zeichen haben. Wenn du deinen Text in Word markierst und dann auf Extras, Wörter zählen, gehst, bekommst du die Anzahl der Gesamtzeichen.

Gruß,
Michael
 



 
Oben Unten