Du bist weg

4,30 Stern(e) 7 Bewertungen
H

Haki

Gast
Hallo Eve,

ich hoffe, dein kleines, schönes Gedicht spricht nicht von dir selbst...

In Vers 5 sollte es vllt besser heißen:"setzt einen Laut in die Stille"

Und den letzten Vers kannst du auch streichen, er ist mir zu erklärend und der leere Raum könnte ja auch als Bild aufgefasst werden...

Aber wirklich schön traurig und ich hoffe wirklich, dass du nicht allein gelassen wurdest.

Liebe Grüße,
Haki
 
Auflösung des olfaktorischen Animismus
Fading der akustischen Anwesenheit
Leere des seelischen und optischen Raumes

(Empfindungen und Erlebensweisen bei Abschieden, die einem nahegehen, und sowas kennt jeder)

Der Text formal einwandfrei, inhaltlich auffallend gekonnt durchkonstruiert, die Bilder sind schlüssig und sensibel, und sie steigern sich in der transportierten Intensität bis zum "finalen Schweigen auf quasi allen Kanälen" = blackout total, ein Volltreffer-Abschied wird hier geschildert. Kein Wort zuviel, und keines zu wenig.

Mein Kompliment an "Eve" für diesen sprachlich sehr schönen Text !
 

Eve

Mitglied
@ Haki

Hallo Haki,

danke fürs Lesen ... im engeren Sinn spricht der Text nicht von einer gerade erlebten Situation, im weiteren hat sicher jeder schon einmal den anderen gehen gehört mit dem Wissen, er kommt nicht zurück. Dieses Gefühl wollte ich einfangen und beschreiben.

Deinen Vorschlag kann ich hier nicht übernehmen, da ich finde, der Gegensatz zwischen Gespräch (in dem normalerweise jemand spricht) und der Stille muss bleiben, um die Sprachlosigkeit zu betonen.

Ich verstehe, was du mit „Erklärung“ im letzten Vers meinst, dennoch denke ich, dieses Ende (als leise Ausleitung des vorigen Aufbaus einer Situation) sollte bleiben ... als physisches Bild (das Zimmer) und als metaphorisches (in mir).

Danke für deine Anregungen, die mich dazu gebracht haben, nochmal alles zu überprüfen ...

Liebe Grüße,
Eve
 

Eve

Mitglied
@ Waldemar

Hallo Waldemar,

vielen Dank für deinen tollen Kommentar und die positive Bewertung! Es freut mich, dass der Text genauso ankommen konnte, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ist ja bei bestimmten Themen nicht immer so einfach, das Abdriften ins Pathetische zu verhindern ;-)

Mit dem olfaktorischen Animismus hatte ich so meine Schwierigkeiten (gebe ich zu) – aber es bedeutet wohl ungefähr, dass man den anderen auch um sich spürt, riecht, schmeckt, wenn er nicht physisch anwesend ist? Oder liege ich da komplett daneben?

Viele Grüße,
Eve
 
@ Eve,
Entschuldigung für mein Fremdwörteln.

"olfaktorisch" = geruchlich
"gustatorisch" = geschmacklich
"auditorisch" = tonlich = Hören

Menschen sind zwar "Augentiere", der optische Teil unseres Hirns ist riesig, aber er ist auch relativ neu.
Sehr viel älter sind jene Hirnteile, die Gerüche und Geschmack verarbeiten (und das Hören), und diese beiden Sinnesqualitäten sind auch direkt mit dem Limbischen System verknüpft, und im LS werden unsere Gefühle/Ängste/ ja sogar in einer Filiale davon unsere Erinnerungen gemanaged.
Dshalb "malt die Erinnerung" immer mit dem guten, dem "goldenen" Pinsel, wenn wir uns an ziemlich lange Vergangenes erinnern = überwiegend positive Gefühlsaufladungen für Alterinnerungen/ für erlittene Traumata auch negative, und die dann oft ins Absurde überzeichnet = "gespenstisch" usw.

Die Geschmacks- und Geruchsverarbeitung, ebenso die Ton"farbe" beim Hören stehen also direkt mit dem LS, dem Gefühls"zentrum" im Hirn (es gibt Unterabteilungen dabei) in Verbindung, und das hat ganz praktische Konsequenzen fürs Welterleben des Lebewesens: Geschmack, Töne, Stimmen und besonders auch Gerüche korrelieren in der Wahrnehmung ganz deutlich mit emotionalen Resonanzen, lösen sie aus, verstärken sie, usw.

Dabei mit bedenken, dass es sog. Pheromone gibt, chemische Substanzen, die jedes Lebewesen als unterschwellige aber höchst-wirksame Signalstoffe über Schweiß, Atmung, Haut/Fellgeruch usw. abgibt, und die Lockstoffe, Aversionsstoffe, Sexstoffe, Immuninformationen, Gesundheits-Status-Informationen, und bisher unbekannt mehr/ des betreffenden Lebewesens enthalten - und auch Menschennasen haben dafür Empfänger (obwohl reduzierte).
(Wenn zb ein Hund an dir riecht, dann hat er danach sowas wie eine 3D-Landkarte deiner aktuellen Befindlichkeiten "vor Augen", einschließlich deines Sexualzustandes, deines Gesundheitszustandes, deines Gefühlszustandes, usw.)

Weil Geschmack, Geruch, Hören (hpts. Tonfarben) direkt mit der Gefühlswelt hirnlich verschaltet sind, ist leicht zu verstehen, warum die Stimme eines Partners "Sehnsucht" auslösen kann, die Stimme eines anderen "Antipathie", warum Parfümgerüche und die "Farbe" von Schweißgerüchen/Hautgerüchen intensive Gefühlsqualitäten für den Empfänger haben - und diese "Verdrahtung" ist uralt, von der Evolution sehr früh erfunden, praktisch "fest-verdrahtet" = hardware

Dieses System ist natürlich hoch-aktiv, wenn sich Partner finden (Sexualpartner, während der Fortpflanzung, bei der Schwangerschaft, während der Jungenaufzucht, etc.) - es ist ein fundamentales, überlebensnotwendiges System, welches den Lebewesen die grundsätzlichen "Loipen" durch ihre Leben -auto-pilotisch- vorgibt (ohne Bewusstseinsfunktionen oder Verstandes-Instanzen zu benötigen, läuft also völlig unbewusst ab).

Dreh- und Angelpunkt des Ganzen im Hirn = das Limbische System im Umfeld des Hippocampus = uralte feste Programmierung. Und im LS werden alle unsere Gefühle gemacht.

Und jetzt noch der Knackpunkt:
Wenn wir geboren werden, ist unser Verstandeshirn samt Sprache, Logik und Ratio noch nicht aktiv (dies alles ist evolutionstechnisch noch sehr neu) - was nachgeburtlich aber direkt aktiv sein muss, als Autopilot, der uns weiterleben lässt, bis mit 2-4/1-3 Jahren das rationale Hirn startet, ist just das LS samt Filialen (anatomisch grob: die rechte Hirnhälfte zusammen mit Zwischen- und Althirn enthält unsere Autopiloten.
Und diese Gefühlswelt ist: averbal, alogisch, großenteils bewusst(seins)los, sie selbst kann nicht zwischen Lebewesen-innen und Lebewesen-außen, also zwischen dem später erst auftauchenden "Ich" und "Umwelt" unterscheiden ("Animismus" genannt = Alles ist beseelt, ist Eins, es gibt keine Zeit), und dies aus dem einfachen Grund, dass dafür ein Immunsystem notwendig ist, und dass dieses Immunsystem erst zeitparallel zusammen mit Sprache, Logik und Selbstbewusstsein entstehen wird (im Alter von 2-4/1-3 Jahren bei Menschen)

Auch der erwachsene Mensch verfügt noch, unterhalb seiner Verstandesebene, über dieses Gefühle-System, und immer dann, wenn Autopiloten benötigt werden, schaltet er völlig unbewusst auf dieses System um und nutzt seine Funktionen.

Du kennst das als zB Verliebtseins-Befindlichkeiten: Alles ist eins, mit dem Partner verschmelzen, seine Stimme, seinen Geruch, selbst sein Aussehen und seine Gestik/Mimik als anziehend, erotisierend, sympathisch usw. zu erleben - wunderschön, intensiv, wie im Traum, mit Worten nicht wirklich wiederzugeben, euphorisierend, "die Liebe" unabwendbar wie "Schicksal", und in diesem Zustand verändert sich sogar das Zeiterleben ganz drastisch, sie geht zB im Fall des Zusammenseins immer zu schnell, und wenn man aufeinander warten muss, dann zerdehnt sie sich zur Ewigkeit, man ist sich sicher "diese Liebe muss ewig sein" (animistisch-"ewig" = es gibt keine Zeit/ verstandlich-"ewig" = es gibt unendlich viel Zeit) usw usw
Technisch gesprochen ist das nur der/ein massiver Einbruch des frühkindlichen Animismus in die Welt der linken Hirnhälfte = "Liebe/Zuneigung/Sympathie" machen deshalb "blind", weil sie mehr oder weniger das Bewusstsein/die Funktionen der linken Hirnhälfte reduzieren, auf Null setzen.
Das Hirn arbeitet währenddessen halt im -sagen wir- "Limbik-Modus", und der ist großenteils autopilotisch, und vom rein-Rationalen her betrachtet, sind deshalb intensiv-Verliebte, intensiv-Entliebte, gerade Getrennte, gerade sich Findende u.ä. tatsächlich unzurechnungsfähig, unzurechnungsfähig nach Maßstab des Verstandes, indes voll zurechnungsfähig nach Maßstab der festprogrammierten Überlebensfunktionen aller Lebewesen = des Limbischen Systems .

Genug Hirnliches und kalt-Technisches, zurück zu Deinem Text:

In Anbetracht des oben Geschilderten: Geschmack, Gerüche, Tonfarben des Partners arbeiten als animistische Signale, die -im positiven Fall- euphorisieren = "glücklich machen", so ist die Kehrseite der Sache, dass dieselben Signale -im negativen Fall, zB einer Trennung- dysphorisieren = "höchst unglücklich machen", und weil das LS eigentlich nur "0" und "1" kennt, also "weiß" oder "schwarz", dann auch drastischer Absturz ins Unglücklichsein, solange halt, bis der LS-Modus verlassen wird und der Verstand (linke Hirnhälfte) wieder die funktionale Oberhand gewinnt.
(danach haben Normal-Erwachsene frisch-Entliebte -vorübergehend- meist erstmal genug vom Rauschzustand der Liebelei, und sie stürzen sich dann mit Vehemenz in ihre rationalen Lebensaufgaben, häufige verrationalisierte (und daher verräterische) Begründung dann: "ich muss erstmal was für mich tun", "ich muss weiterkommen", "man kann auch alleine glücklich sein", "ich suche ab jetzt mein Glück in meiner beruflichen/hobbymäßigen Karriere", usw)

Soweit.
Auch die Stimme des Partners (seine Tonfarbe) ist ein Attraktivum = Grund zur Liebe, und im inversen Fall Abschied: Grund zur Trauer.

Dies hättest Du in Deinem Text besser und genauer ausarbeiten sollen, womit Dein Text noch besser das ausgedrückt hätte, was Du eigentlich (unbewusst) ausdrücken wolltest:

(1) In der Luft noch ein Rest deines Parfums,
(2) Schritte auf dem Weg hinaus.

(3) Die Tür fällt ins Schloss,
(4) setzt einen Laut unter die Stille
(5) unseres letzten Gesprächs.

(1) ist klar = Parfüms, Körpergerüche, selbst die Gerüche der Lieblingsessen, der Lieblingsblumen, der Seifengeruch am Handtuch usw. sind LS-Attraktiva = Animistika = wirken als starke Amulette

(2) ist schon bedrohlich, denn es sind zwar die Schritte des fortgehenden Partners, aber "Schritte" enthalten keine Tonfarben, sind also bereits "bedrohlich" fremdartig = auf Distanz

(3) ist dasselbe wie (2) und verstärkt den Eindruck des Einbruches von bereits Fremdhaftem in die vorher gegebene animistische LS-Liebes-Idylle. Dass die Türe sich schließt, ist das optisch-endgültige Symbol, aber wichtiger, schlimmer, das dabei gehörte völlig farblose, neutrale, unbeteiligte, "abstoßende", bedrohliche Geräusch (ohne LS-Tonfarben).
Eine entzweite Parterschaft ist -logisch gesehen- ein Zugewinn an persönlicher Freiheit, wird aber emotional im akuten Fall genau invers, nämlich als Gefangennahme in einer "erstickenden" seelischen Leere erlebt (solche Effekte von mir "magische Umkehrung" genannt). Das animistische "Alles ist Eins" scheitert hier daran, dass es eben doch eine Umwelt gibt (zu der der Partner jetzt wieder gehört) mit eigenen Gesetzen und Widerständlichkeiten, und dies ist eine Ur-Frustration, weil hier das "Alles ist Eins", "Grenzenlos" punktuell verletzt wird, denn der weggehende Partner setzt dem erlebten Liebes-Animismus hier ein Begrenztsein, und zwar auf seinem ureigenen "Schlachtfeld" (das ist die Geschichte mit dem Raum im letzten Abschnitt Deines Textes, wobei das räumliche Entfernen des Partners und der hinterlassene materielle leere Raum nur hilfsweise Vergegenständlichungen der ablaufenden seelischen Mechanismen sind: Wenn der Partner geht, wird der zur Verfügung stehende physikalische Raum leer und größer, aber der vorher unter Einschluss des Partners emotional so erlebte =unbegrenzte= seelische Raum des "Alles ist Eins" schrumpft zurück auf das Gefängnis mit dem Namen: "ich bin jetzt (und mit meinen Gefühlen) ganz alleingelassen" = hilflos wie ein Kind ohne Mutter !!)

[es gibt ein sehr taugliches Tropfenmodell für den betreffenden seelischen Mechanismus]

(4) wird hier auch sehr gekonnt ausgedrückt "setzt einen (völlig neutralen, unbeteiligten, farblosen) Laut unter die Stille, und dieses Stille allerdings, die hat eine Farbe, die grelle Farbe des Schmerzes, sie schreit in Ohren und Seele

(5) hier wäre meine Kritik: Meintest Du wirklich hier nur ganz neutral "Gespräch" = wichtige Inhalte eines letzten Gespräches, oder wolltest Du eigentlich darauf abheben, dass dabei ein letztes Mal das tonal/stimmliche Amulett = die Stimme des noch anwesenden Partners aktiv war = die quasi letzte Suggestion, bevor der Liebes-Animismus dann zusammenbrach?
Denn der grausam neutrale unbeteiligte Laut, den die Türe UNTER das letzte Gespräch setzt, den setzt sie eigentlich als a-personales Geräusch unter die geliebte/sympathische Stimme (Tonfarbe/Timbre) des entliebten Partners - und dies erst gibt dem Geräusch der zuschlagenden Türe eine -im Bild- überwertige Bedeutung, sodass es sich lohnt, dies ausdrücklich zu schildern (was Du ja gemacht hast).

[Zurück bleibt ein
leerer Raum,
nicht nur in mir.]

Nein, der leere Raum bleibt auch im entliebten Partner, und zwar ebenfalls als erstmal geschrumpftes seelisches Gefängnis, auch bei ihm ist der bisher gelebte Animismus der Verliebtheit an eine Grenze der rationalen Erwachsenen-Realität gestoßen - und um beide herum ist nun auch mehr leerer Raum, nämlich das normalphysikalische "mehr Platz", wobei "Raum" als Begriff besser ist, denn als diffus-multidimensionaler Erlebensraum enthält er natürlich auch die Hoffnung/die averbale Anfrage, dass sich vielleicht alles wieder einrenken mag mit der Liebelei und dieser Animismus doch noch weitergehen kann = das heimliche Warten auf neue LS-Euphorisierung (wäre die einfachste Form = die am wenigsten Energie-aufwendige für das betreffende Lebewesen, das ansonsten seinen Status in der Realität mit viel Aufwand verändern muss um seine Chance auf erneute euphorisierende Wechselwirkung zu erhöhen)

PS:
Mein Trost für alle Entliebten (ich bin 55 und kann über diese Art von Hobby nur noch sehr müde lächeln):
(a) Jeder Abschied ist ein kleiner Tod, tatsächlich stimmt das, aber hinter jedem solchen Tod flammt des grelle Licht des Lebens weiter, wenn man, ja, wenn man sich nur willig darauf einlässt.
(b) Leere Räume, besonders wenn sie plötzlich eintreten (Räume "sind" nicht, sondern sie ereignen sich als Prozesse, wie alles in dieser Welt), können durchaus anfangs erschrecken, aber danach haben sie den unnachahmlichen Vorteil, dass man sie von grundauf und selbst und völlig frei ausgestalten kann mit eigenem, neuen Inventar nach eigenem gusto, vorausgesetzt, man beherrscht die notwendigen tools, solches Werk durchzuführen (ist oft nicht der Fall, und dann ertrinken die Leute tatsächlich in völlig leeren Räumen).
 

Eve

Mitglied
Hallo Waldemar,

vielen Dank für deine ausführliche Erklärung. Jetzt ist mir die Bedeutung von „olfaktorischem Animismus“ klarer ...

Zu deinem Kritikpunkt (5, Gespräch): ursprünglich wurde es von mir wortgetreu so beabsichtigt, beide wollen miteinander reden, finden aber keine Worte (mehr) = letztes Gespräch, dessen Stille die Sprachlosigkeit verdeutlicht. Nach dem „Gespräch“ steht einer auf, verlässt den Raum (Schritte), geht zur Tür usw.

Vielleicht ist es auch so, dass ich einfache Worte gewählt habe, ohne beim Schreiben bewusst über mögliche tiefere Bedeutungen nachzudenken – diese aber beim Leser durchaus verstanden werden können, nicht jedoch müssen.

...............

Bist du sicher, dass Empfindungen dieser Art ab einem bestimmten Alter keine Rolle mehr spielen? Ich hab schon von 80-Jährigen gehört, die sich noch einmal neu verliebt haben ;-)

Viele Grüße,
Eve
 
@ Eve

[ Bist du sicher, dass Empfindungen dieser Art ab einem bestimmten Alter keine Rolle mehr spielen? Ich hab schon von 80-Jährigen gehört, die sich noch einmal neu verliebt haben ]

Bekanntlich (lach) wird man ja in hohem Alter öfter wieder sehr kindisch, und der Rückweg dorthin (sagen wir so ab 60-75) führt dann eben über so ne Art von "Alterspubertät", und da kann man sich natürlich auch wieder verlieben wie einst - hihi, nur, äh die Aussicht auf Erfolg und Dauer ist dann nicht mehr dieselbe wie einst - und auch die Gefühle sind dabei anders gefärbte.

Ne, mal im Ernst, das Liebeln gehört zur Jungphase des Lebens = biologisch = Partnerschaften und Nachwuchs. Wenn der groß ist, dann sind Eltern etwa 35-50, und wenn die dann noch einigermaßen gesund sind, dann kommt heute, wo die Leutz wesentlich älter werden als früher, sowas wie "zweiter Frühling" = im Prinzip der Versuch zu einer zweite Phase Partnerschaft + Vermehrung (ist aber dann eigentlich "nur" noch Psyche und meist keine reale Bio mehr).

Das Menschen-Leben und alles darin sind begrenzt, endlich - wie bei Pflanzen und Tieren halt auch.

Vor noch gar nicht langer Zeit war das Menschen-Leben derart schwer und Kräfte-konsumierend, dass die Leute im Schnitt mit 40-50 ausgebrannt waren Richtung "bald sterben", und da gabs dann auch kein Liebesgesäusel mit 60 oder 80 mehr.

Heute bleiben Körper und damit auch Sex in etwa fast doppelt so lange intakt, und deshalb tritt dann mit ~40/50/60 nochmal sowas wie eine kleine Balzphase auf - ein Reflex eigentlich derjenigen in Jugend.
Dass Betreffende dann natürlich auch für ihre Umwelt wieder in oft deutlichem Balzmodus "Reklame"-laufen, na Gott, das ist auch teils soziale Mimikry, man macht halt sich selbst und anderen gerne was vor, bläst sich auf, usw.

Im Prinzip verhalten sich Menschen da nicht viel anders als Sterne. Wenn denen nämlich im Alter langsam die Puste ausgeht, dann werden sie auch nicht etwa schlapp und zahm, sondern sie blähen sich im Gegenteil enorm auf und entwickeln dabei ein unerwartet feuriges Brunftgehabe, welches sie lebenslang nie zeigten.
Und am Ende, denn sowas kostet natürlich Unmengen an Energie, gehts den Sternen dann genauso wie dem alten Opa, der zur Befeuerung seiner Liebesgefühle zuviel Viagra nahm => Exitus.

(unsere eigene Sonne hat jetzt etwa 80% ihres Normallebens hinter sich und wird nun in schlappen neunhundert Millionen Jahren mit ihrem "zweiten Frühling" beginnen und sich ebenfalls dabei benehmen, wie ein Jungstern, der vor lauter "weiß nicht wohin mit meinen Trieben" Funken sprüht.
Aber genau wie beim alternden Menschen: Was dann da so "heiß leuchtend" imponieren wird, ist lediglich der Beginn des Sterbens)

PS: Ältere Menschen sind übrigens sehr oft heilfroh, dass sie die Irrungen und Wirrungen, den ganzen -im Nachhinein gesehen- unsinnigen Stress der Jugendzeit hinter sich haben und meist wünschen sie es sich nicht, all sowas nochmal erleben zu müssen. Wie ein Hampelmann an den unsichtbaren Schnüren der Paarungs-Hormone und nach deren Spielregeln zu zappeln und zu rappeln, ist nicht unbedingt das, was man unter geistiger Freiheit und Seelenruhe versteht.
 

Eve

Mitglied
Ich finde die Vorstellung trotzdem schön, sich auch im Alter noch einmal neuen Bekanntschaften zuwenden zu können - wenn es sich ergibt, und wenn man das freilich möchte ...

;-)
 

Eve

Mitglied
Du bist weg.


In der Luft noch ein Rest
deines Parfums,
Schritte auf dem Weg hinaus.

Die Tür fällt ins Schloss,
setzt einen Laut unter die Stille
unseres letzten Gesprächs.

Zurück bleibt
ein leerer Raum.
 

Eve

Mitglied
Auf Vorschlag von Haki und Otto habe ich nun den letzten Vers gekürzt und die erklärende Zeile gelöscht. So wirkt es doch offener und lässt den Leser selbst nachspüren, was alles gemeint sein könnte.

Grüße,
Eve
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Gefällt mir gut, liebe eve. ein text der türen öffnet, hinter denen sich räume finden, die man mit den eigenen gedanken füllen kann.

gruß otto
 

Eve

Mitglied
Hallo Otto,

vielen Dank für deinen freundlichen Kommentar und das Verschieben. Nicht zuletzt tun sich die Räume vielleicht auch durch das Streichen der ursprünglich letzten Zeile auf ... ;-)

Viele Grüße,
Eve
 
G

Gelöschtes Mitglied 7520

Gast
hallo eve,

feines gedicht. ist alles schon gesagt.

...eigentlich gebührt auch dem waldemar lob für seine ausführungen.

liebe grüße
nofrank
 

Eve

Mitglied
Hallo nofrank,

vielen Dank für deinen positiven Kommentar und die Bewertung :) die ausführliche Interpretation von Waldemar hat mich auch beeindruckt! Beim Schreiben selbst hat man das ja nicht vordergründig im Sinn ...

Viele Grüße,
Eve
 

Perry

Mitglied
Hallo Eve,
es war ein Genuss deine Zeilen und die begleitenden Erläuterungen von Waldemar zu lesen. Eigentlich bin ich aber ganz froh, diese Details nicht so genau zu kennen und mich weiter meines scheinbaren Willens über meine Gefühle zu erfreuen (lächel).
Ein kleiner Hinweis: Vielleicht würde ein Weglassen des "ein" in der Schlusszeile, die Deutbarkeit des "leeren Raums" noch mehr erhöhen.
LG
Manfred
 

Eve

Mitglied
Hallo Manfred,

freut mich, dass der Text dich erreichen konnte und danke für deine Rückmeldung – Waldemars Kommentar ist tatsächlich hammermäßig ;-)

Beim Weglassen des „ein“ (ein leerer Raum) habe ich eher das Gefühl, dass der Satz dann im Verhältnis zu den vorigen Sätzen/Strophen zu kurz, fast schon abgehackt klingt. Die anderen Sätze sind ja eher „ausführlich“ gehalten, von daher möchte ich es ungern streichen. Ich lass es mal über Nacht wirken ... ;-)

In der Luft noch ein Rest
deines Parfums,
Schritte auf dem Weg hinaus.

Die Tür fällt ins Schloss,
setzt einen Laut unter die Stille
unseres letzten Gesprächs.

Zurück bleibt leerer Raum.
Hmmm, es ginge – ist mir aber als letzter Satz doch eine Spur zu abgehackt. Obwohl du mit deinem Hinweis Recht hast, dass die Deutung dann noch offener wird. Allerdings ist sie ja in der jetzigen Version auch in mehrere Richtungen offen (der Raum in mir und der Raum als physischer Raum).

Viele Grüße,
Eve
 
K

KaGeb

Gast
Toller gehts fast nicht, liebe Eve, ich hätte es gern so wie Waldemar beschrieben, aber finde keine besseren Worte.

LG, Karsten
 

Eve

Mitglied
Hallo Karsten,

danke schön :) ich glaube fast, Waldemars Kommentar muss ich ab sofort untrennbar mit dem Werk verbinden! ;-)

Viele Grüße,
Eve
 
B

Beba

Gast
Hallo Eve,

sehr schöner Text. Ganz besonders gelungen finde ich

Die Tür fällt ins Schloss,
setzt einen Laut unter die Stille
unseres letzten Gesprächs.
Das hat etwas ganz besonderes. Und dann klingt er mit den letzten beiden Versen ganz toll aus.

Ein kurzer, sehr intensiver Text.

Ciao,
Bernd
 



 
Oben Unten