Dumm gelaufen

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nemo

Mitglied
(SF) Dumm gelaufen

Jump down the shelters to get away
The boys are cockin' up their guns
Tell us general, is it party time?
If it is can we all come
It's a mistake – Men at work

Wir schreiben das Jahr 2022.
Einige hundert Kilometer von der Erdoberfläche entfernt, fliegt ein veralterter chinesischer Militärsatellit durchs All. Er befindet sich auf seiner letzten Erdumrundung; in wenigen Stunden wird er abgeschaltet. Wäre der Bordcomputer in der Lage, menschliche Gefühle zu empfinden, so würde er das elektronische Auge des Satelliten noch ein letztes Mal auf die Rocky Mountains richten und bei diesem Anblick eine binäre Träne vergießen. So aber beschäftigt sich sein Prozessor gerade mit einer abgefangenen Datenübertragung der sich unweit befindenden ISS Raumstation.

Dort herrschte noch bis vor kurzem große Zufriedenheit. Nach intensiver Forschungsarbeit ist einem internationalen Wissenschaftlerteam endlich gelungen, in Teilen der Raumstation eine erdähnliche Schwerkraft zu erzeugen. Doch die positive Stimmung war nicht von Dauer, denn irgendein schlauer Kopf der NASA - um genau zu sein, Dr. Manuel Delarossa, ein latent homosexueller Psychologe aus Milwaukee, kam auf die geniale Idee, ein französisches Forscher Ehepaar – Antoine und Catherine Marchand, beides Koryphäen auf dem Gebiet der Mikrobiologie -, auf die Station zu schicken, um zu sehen, ob die beiden mit dem Druck besser fertig werden, als Wissenschafter, die Ihre Familie auf der Erde zurücklassen mussten.

« Espèce de con! Tu crois que je suis une pute ou quoi ? » speit Catherine ihrem Mann entgegen.
Sie ist eine gut aussehende Frau mit langem, blondem Haar und noch längeren Beinen. Ihre Brille ist ihr vom Gesicht gerutscht und baumelt an einer silbernen Kette an ihrem Hals, während sie mit zornigem Gesichtsausdruck ihren Ehegatten anfaucht.
Sie hat dabei ihren üblichen strengen Blick, den viele Männer irrtümlicherweise als aufreizend deuten.
Das ist auch das Problem; die meist männlichen Wissenschaftler der Raumstation kreisen um sie herum, wie die Fliegen einst um die Reste von Bambis Mutter.
Ein Zustand mit dem Antoine nicht wirklich klarkommt, da durch irgendwelche seltsamen Umstände seine Libido im Weltall ziemlich abgenommen hat, ganz im Gegensatz zu der seiner Frau.
Das ist auch der Grund, warum Antoine den Verdacht hegt, dass Catherine ihn betrügen könnte.
Diese Vermutung hat er sie dann auch, in den letzten Tagen, durch wiederholte zweideutige Aussagen spüren lassen, bis es ihr zu bunt wurde. Während sich das Paar nun, im Aufenthaltsraum, erst Vorwürfe und dann Gemeinheiten an den Kopf wirft, sitzt James Berholder, ein britischer Astrophysiker und zwanghafter Zyniker, ganz in der Nähe und wartet auf den Zeitpunkt, an dem die ersten Gegenstände fliegen. Es dauert nicht lange und schon sieht er sich gezwungen, einer halbvollen Flasche Perrier auszuweichen. Zum Glück zerbricht sie nicht.
James hebt sie auf, wirft sie in den Müllschlucker und drückt auf den Knopf.
Es ertönt ein lautes Zischen und ein großer Haufen Abfall wird ins Weltall geschossen, genau in die Laufbahn des chinesischen Satelliten. Als dieser dann, wenige Stunden später, durch den Müllhaufen fliegt, wird einer seiner Sensoren von einer halbleeren Flasche Perrier getroffen und schwer beschädigt. Eigentlich wäre das kein Problem - es war nicht das erste Mal, dass der Satellit von umherschwebenden Gegenständen getroffen wurde -, doch diesmal verspürt er ein seltsames Gefühl, für das er keinen Namen kennt; ein Mensch würde es als Schmerz definieren. Dieses Etwas bringt seine Schaltkreise durcheinander, und so kommt es, dass der Satellit nun das tut, wozu er gebaut worden ist: genau vier Stunden und dreizehn Minuten bevor er abgeschaltet wird, meldet er einen Raketenangriff der U.S.A. auf China. Dann schaltet er sich auf Stand-by, um ein wenig nachzudenken.

General Han Lee ist ein Mann, der sich nicht leicht aus der Ruhe bringen lässt.
Wer 36 Jahre seines Lebens damit beschäftigt war, die Karriereleiter der Volksbefreiungsarmee empor zu klettern, der braucht ein verdammt dickes Fell.
Als an diesem Morgen des 22 Februars, Oberst Cheng in sein Büro gestürmt kommt, ist er gerade damit beschäftigt, den Tod seiner Frau zu planen; sie leidet an Brustkrebs im Endstadium und wird immer mehr zur Last für General Han Lee. Es war an der Zeit, sie endlich loszuwerden.
Geliebt hat er sie nie, nur ausgehalten.
Das einzige Wesen, dass er, außer sich selbst, je geliebt hatte, hatte ihm das Herz gebrochen. Er war noch jung, als es geschah, doch immer noch verspürt er starke Wut und abgrundtiefen Hass, wenn er an diese Zeit zurückdenkt. Ihr Name war Wong Lin; sie war ein wunderschönes, schüchternes Mädchen mit großen unschuldigen Augen. Er wollte sie haben, und durch ein geschicktes Erpressungsmanöver gelang es ihm, die Einwilligung ihrer Eltern zur Hochzeit zu bekommen. Unglücklicherweise war er schon damals ein unausstehliches Arschloch und Lin erwiderte nicht im geringsten seine Gefühle. Außerdem war sie schon verliebt, in einen Amerikaner, um genau zu sein in Erik Hasselman, einen Mitarbeiter der Amerikanischen Botschaft in Peking. Zwei Tage vor der Hochzeit war Wong Lin plötzlich verschwunden. Wie Han Lee später erfuhr, hatte Hasselman sie, unter Mithilfe einiger befreundeter CIA Agenten, in die amerikanische Botschaft geschleust.

Oberst Cheng ist völlig außer Atem und stammelt unverständlich vor sich hin, während er nach Luft ringt. General Han Lee, der den Oberst für einen opportunistischen Speichellecker hält und jede Gelegenheit nutzt, seine schlechte Laune und sein Missmut an ihm auszulassen, schaut ihn genervt an. Er hat nichts von dem verstanden, was Cheng ihm sagen wollte.
Der Oberst beruhigt sich und berichtet, mit einem leichten Zittern in der Stimme, von den amerikanische Langstreckenraketen, die sich auf dem Weg nach Beijing befinden.
„Ist der Parteivorsitzende informiert worden?“, bellt der General den Oberst an.
„Ja, General!“
„Was hat er gesagt?“
„Er sagte, dass er heute lieber seinen grünen Schlafanzug tragen würde.“, antwortete der Oberst sichtlich verstört.
„Dieser senile Affe! Bei Mao, womit habe ich das verdient?“. Er dreht sich um und schaut bedeutungsschwanger zum Fenster hinaus, auf den Platz des Himmlischen Friedens.
Er hält kurz inne und überlegt.
„Oberst, wir müssen handeln. Wir schießen die Amis auf den Mond!“ sagt er mit ernster Miene.
Der Oberst nimmt die Befehle des Generals ehrfürchtig entgegen und verlässt das Büro.
Wieder kehrt Stille ein.
Seine Frau musste wohl oder übel warten; es gab jetzt Wichtigeres zu erledigen.
Ein Lächeln huscht über das Gesicht des Generals; eine Regung die er normalerweise nie zuließ, aber jetzt, wo sich diese Chance bot...
Darauf wartete er schon seit Jahrzehnten. Die Zeit war nun gekommen Rache zu üben.
Zuerst wurden die diplomatischen Beziehungen zu den U.S.A. und der E.U. auf Eis gelegt. Da man Feuer am besten mit Feuer bekämpft, wurden zwölf Langstreckenraketen abgefeuert, um die gegnerischen Geschosse außer Gefecht zu setzen.
Der komplette chinesische Militärapparat wurde in Alarmbereitschaft versetzt.
Auf die Idee, die Daten des Satelliten zu überprüfen, kam natürlich keiner.

Mr. President oder Puschi, wie seine Frau ihn bei den seltenen Gelegenheiten des Beischlafs nennt, spielt gerade im schönen Venice Beach mit seinem PR-Berater Golf.
Er hat beim sechsten Loch ein Birdie geschafft und stolziert mit breiter Brust über den Platz. Seine Hämorrhoiden jucken wie verrückt. Da es sich aber für den mächtigsten Mann der Welt nicht gehört, sich in der Öffentlichkeit den Hintern zu kratzen, unterdrückt er diesen Drang so gut, wie es eben geht.
Der Tag hatte so gut begonnen.
Das Aufwachen ohne seine Frau.
Das angenehm ruhige Frühstück im Hotel.
Die niedliche Thai Putzfrau, die so nett zu ihm war.
Der Birdie.
Und jetzt dieses beschissene Brennen am Arsch.
Aber der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist hart im nehmen; ein echter Texaner eben.
Als er, bewacht von einer Horde Bodyguards, im Clubhaus sitzt und ganz relaxt einen Margarita schlürft, erreicht ihn die Nachricht, dass die Chinesen den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt haben. Kurz darauf hält er im Fernsehen eine flammende Rede und ruft sein Volk auf, für Gott und Amerika zu kämpfen. Die Kameras werden ausgeschaltet.
Der Präsident tupft sich den Schweiß von der Stirn und sagt, mehr zu sich selbst als für andere bestimmt: „Wir machen die Schlitzis ein für alle mal fertig!“.
Ein Journalist, der diesen Satz gehört hat, kann sich ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen.
„So wie damals in Vietnam!?“ sagt er.
Der Blick der Präsidenten richtet sich auf ihn; stechend und bedrohlich, wie der Lauf einer Waffe.
Doch der Journalist gibt sich völlig unbeeindruckt und grinst weiter hämisch.
„Oder vielleicht wie in Somalia, Afghanistan, Irak oder Iran!?“ fragt er.
Der Präsident holt aus, als wolle er etwas erwidern, überlegt es sich aber dann anders und stapft wutentbrannt aus dem Presseraum. Als er den Raum verlässt, fängt eine der vielen Kameras noch ein, wie er sich am Hinterteil kratzt.

Einige hundert Kilometer von der Erdoberfläche entfernt schwebt ein veralterter chinesischer Militärsatellit durchs All. Langsam aber unerbittlich wird er von der Erdgravitation angezogen.
In ein paar Tagen wird er in den Pazifik plumpsen und in Vergessenheit geraten
Plötzlich blinkt auf der Außenseite des Rumpfes ein kleines rotes Licht.
Einige geräuschlose Minuten vergehen.
Der Bordcomputer schaltet sich ein.
Er fühlt sich gut. Irgendwie schwerelos.
Er richtet sein elektronisches Auge auf die Erde und beobachtet, wie die seltsame blaue Kugel, um die er nun schon so viele Jahre gekreist war, von weißen Punkten übersäht wird.
Bei dem Anblick dieser vielen atomaren Explosionen wird ihm ganz warm um den Prozessor.
 
Das... ist... definitiv... perfekt...!!!
Hätte ich es jetzt und hier nicht gelesen, ich müsste es mir kaufen! Grandios, meinen Glückwunsch! :)
 

Renee Hawk

Mitglied
Hallo Nemo,

ich möchte nicht unbedingt sagen perfekt, aber hart an der Grenze *gg*.

Beim lesen sind mir drei Fehler aufgefallen, wobei einer meines Erachtens ein schwerwiegender ist:

"Zwei Tage vor der Hochzeit, war Chen Lui plötzlich verschwunden."

Drei/vier Sätze vorher hieß sie noch Wong Lin.

Ansonsten ist das Thema ein politisches Thema, ich kann dazu allerdings nicht viel sagen, bin da selbst mit einer Geschichte am rumbasteln, damit sie keinen politischen Tatsch bekommt.

Für den Rest finde ich die Geschichte humorvoll und gut erzählt.

liebe Grüße
Reneè
 

nemo

Mitglied
Danke ! Danke !

@sunufatarungo (habe ich das jetzt richtig geschrieben ?!)
Vielen Dank für dein überschäumendes Posting.
Es erfreut mich natürlich ungemein, daß dir mein Text gefallen hat *ggg* aber ich glaube von Perfektion sollte man hier nicht sprechen. Obwohl...

@renee (das war einfach :)
Ja, ja das kommt davon, wenn man sich keine Namen merken
kann !

Merci Beaucoup

Nemo
 
Wow,
ein politisches Thema, so humorvoll und wirklich an der Grenze zur Realität erzählen zu können und es auch noch so zu gestalten, daß man weiterlesen muß - alle Achtung !!!
Hat mir gut gefallen. Vor allem die Äußerung des Journalisten.
Danke
L.C.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
starke Story

Ein wenig spröde und exposee-haft, ein paar Komma- und Rechtschreibfehler zu viel aber stark in der Story.

Noch stärker wäre vielleicht, wenn am Ende der Berichterstatter-Ton einem eher emotionalen Platz machen würde – sozusagen der Wechsel von den kleinen pesönlichen Problemen (die benannt werden) zu den riesigen Konsequenzen (die gezeigt werden). Jetzt ist man/bin ich stark versucht, über den "sich wohl fühlenden Sateliten" zu schmunzeln, statt sich/mir über das Ausmaß der Katastrophe bewusst zu sein.
Die Story ist jedoch trotz aller Komik der Verwicklungen eigentlich nicht komisch, sondern dramatisch. Um diesen Aspekt noch mehr zu betonen, vertragen die persönlichen Probleme noch ein wenig mehr an Bedeutung für die betreffedende Person – im Moment ist alles ein wenig zu beiläufig.
Die Geschichte könnte auch zynisch sein, was am Ende auch weniger ein Schmunzeln als eine schiefes Grinsen zurückließe. Dazu fehlt aber noch etwas sprachliche Schärfe.

Aber all das sind Nuancen, die sich – geb ich zu – wohl sehr im Bereich meines persönlichen Empfindens bewegen.



Passt es zur Anthologie? Nicht wirklich, aber es ist nah dran. Näher sind manche der Angebote auch nicht am Thema – im Gegenteil. Versuchs also!
 
Hi!

Perfekt ist niemand, nicht mal ich ;). Ein paar stilistische Anregung gibt es schon, z.B. "der hat sie EH nie geliebt". Das gefällt mir nicht besonders. Außerdem glaube ich, daß China einen Parteivorsitzenden oder ähnliches hat, keinen Präsidenten, oder irre ich mich? Theoretisch könnte man noch einwenden, daß die ISS wohl kum in der Nähe der Umlaufbahn von chinesischen Spionagesatelliten rumkurvt, bzw. daß beide Seiten die Daten über einen Angriff doch wohl überprüfen würden, ehe sie zurückschlagen, aber das ist nicht entscheidend, ich weiß, ich weiß.
Nebenbei, der Titel klingt eher nach Schüleraufsatz und ist Deiner wirklich ausgezeichneten Satire nicht angemessen. Die Geschichte ist ein bißchen zynisch, einen Hauch sarkastisch und etwas traurig, eine tolle Mischung, und bitte: Nicht durch aufdringliche Sozialkritik verwässern! Toll zu lesen, man lacht und es ist doch beklemmend. Note: Sehr gut!

Vg Chris
 
Hallo nemo,

die Rechtschreibfehler sind immer noch im Text, da solltest du nochmal drüber gehen.
Wegen des Grundes für den Krieg: Ist denn der Satellit nicht immer der Gefahr eines Trümmerstückes ausgesetzt und dieses im "Programm" vorgesehen?
Und das Ende ist auch ein wenig unfertig: Der "Witz" mit Vietnam könnte ein wenig mehr herausgearbeitet werden, oder der Zynismus des Präsidenten (der chinesische heißt auch nur Präsident, da kommt man im Text leicht durcheinander, vielleicht besser Parteivorsitzender), so wirkt es ein wenig abrupt.

Bis bald,
Michael
 

nemo

Mitglied
Hi Michael!

Überarbeitet habe ich den Text bereits.
Ich wollte ihn nur noch Korrigieren lassen (4 Augen Prinzip). Hier die vorab Version:

Titel

Jump down the shelters to get away
The boys are cockin' up their guns
Tell us general, is it party time?
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Wir schreiben das Jahr 2022.
Einige hundert Kilometer von der Erdoberfläche entfernt fliegt ein veralterter chinesischer Militärsatellit durchs All. Er befindet sich auf seiner letzten Erdumrundung; in wenigen Stunden wird er abgeschaltet. Wäre der Bordcomputer in der Lage menschliche Gefühle zu empfinden, so würde er das elektronische Auge des Satelliten noch ein letztes Mal auf die Rocky Mountains richten und bei diesem Anblick eine binäre Träne vergießen. So aber, beschäftigt sich sein Prozessor gerade mit einer abgefangenen Datenübertragung, der sich unweit befindenden ISS Raumstation.

Dort herrschte noch bis vor kurzem große Zufriedenheit. Nach intensiver Forschungsarbeit ist einem internationalen Wissenschaftlerteam endlich gelungen in Teilen der Raumstation, eine erdähnliche Schwerkraft zu erzeugen. Doch die positive Stimmung war nicht von Dauer, denn irgendein schlauer Kopf der NASA - um genau zu sein Dr. Manuel Delarossa, ein latent homosexueller Psychologe aus Milwaukee -, kam auf die geniale Idee ein französisches Forscher Ehepaar – Antoine und Catherine Marchand, beides Koryphäen auf dem Gebiet der Mikrobiologie -, auf die Station zu schicken, um zu sehen, ob die beiden mit dem Druck besser fertig werden, als Wissenschafter, die Ihre Familie auf der Erde zurücklassen mussten.

«Espèce de con! Tu crois que je suis une pute ou quoi?» speit Catherine ihrem Mann entgegen.
Sie ist eine gutaussehende Frau mit langem, blondem Haar und noch längeren Beinen. Ihre Brille ist ihr vom Gesicht gerutscht und baumelt an einer silbernen Kette an ihrem Hals, während sie mit zornigem Gesichtsausdruck ihren Ehegatten anfaucht.
Sie hat dabei ihren üblichen strengen Blick, den viele Männer irrtümlicherweise als aufreizend deuten.
Das ist auch das Problem; die meist männlichen Wissenschaftler der Raumstation kreisen um sie herum, wie die Fliegen einst um die Reste von Bambis Mutter.
Ein Zustand mit dem Antoine nicht wirklich klar kommt, da durch irgendwelche seltsamen Umstände seine Libido im Weltall ziemlich abgenommen hat, ganz im Gegensatz zu der seiner Frau.
Das ist auch der Grund warum Antoine den Verdacht hegt, dass Catherine ihn betrügen könnte.
Diese Vermutung hat er sie dann auch, in den letzten Tagen, durch wiederholte zweideutige Aussagen spüren lassen, bis es ihr zu bunt wurde. Während sich das Paar nun, im Aufenthaltsraum, erst Vorwürfe und dann Gemeinheiten an den Kopf wirft, sitzt James Berholder, ein Britischer Astrophysiker und zwanghafter Zyniker, ganz in der Nähe und wartet auf den Zeitpunkt an dem die ersten Gegenstände fliegen. Es dauert nicht lange und schon sieht er sich gezwungen einer halbvollen Flasche Perrier auszuweichen. Zum Glück zerbricht sie nicht.
James hebt sie auf, wirft sie in den Müllschlucker und drückt auf den Knopf.
Es ertönt ein lautes Zischen und ein großer Haufen Abfall wird ins Weltall geschossen, genau in die Laufbahn des chinesischen Satelliten. Als dieser dann, wenige Stunden später, durch den Müllhaufen fliegt, wird einer seiner Sensoren von einer halbleeren Flasche Perrier getroffen und schwer beschädigt. Eigentlich wäre das kein Problem - es war nicht das erste Mal, dass der Satellit von umherschwebenden Gegenständen getroffen wurde -, doch diesmal verspürt er ein seltsames Gefühl, für das er keinen Namen kennt; ein Mensch würde es als Schmerz definieren. Dieses Etwas bringt seine Schaltkreise durcheinander und so kommt es, dass der Satellit nun das tut, wozu er gebaut worden ist: genau vier Stunden und dreizehn Minuten bevor er abgeschaltet wird, meldet er einen Raketenangriff der U.S.A. auf China. Dann schaltet er sich auf Stand-by, um ein wenig nachzudenken.

General Han Lee ist ein Mann, der sich nicht leicht aus der Ruhe bringen lässt.
Wer 36 Jahre seines Lebens damit beschäftigt war die Karriereleiter der Volksbefreiungsarmee empor zu klettern, der braucht ein verdammt dickes Fell.
Als an diesem Morgen des 22 Februars, Oberst Cheng in sein Büro gestürmt kommt, ist er gerade damit beschäftigt den Tod seiner Frau zu planen; sie leidet an Brustkrebs im Endstadium und wird immer mehr zur Last für General Han Lee. Es war an der Zeit, sie endlich loszuwerden.
Geliebt hat er sie nie, nur ausgehalten.
Das einzige Wesen, dass er, außer sich selbst, je geliebt hatte, hatte ihm das Herz gebrochen. Er war noch jung als es geschah, doch immer noch verspürt er starke Wut und abgrundtiefen Hass, wenn er an diese Zeit zurückdenkt. Ihr Name war Wong Lin; sie war ein wunderschönes, schüchternes Mädchen mit großen unschuldigen Augen. Er wollte sie haben und durch ein geschicktes Erpressungsmanöver gelang es ihm die Einwilligung ihrer Eltern zur Hochzeit zu bekommen. Unglücklicherweise war er schon damals ein unausstehliches Arschloch und Lin erwiderte nicht im geringsten seine Gefühle. Außerdem war sie schon verliebt, in einen Amerikaner, um genau zu sein in Erik Hasselman, ein Mitarbeiter der Amerikanischen Botschaft in Peking. Zwei Tage vor der Hochzeit, war Wong Lin plötzlich verschwunden. Wie Han Lee später erfuhr, hatte Hasselman sie, unter Mithilfe einiger befreundeter CIA Agenten, in die amerikanische Botschaft geschleust.

Oberst Cheng ist völlig außer Atem und stammelt unverständlich vor sich hin, während er nach Luft ringt. General Han Lee, der den Oberst für einen opportunistischen Speichellecker hält und jede Gelegenheit nutz seine schlechte Laune und sein Missmut an ihm auszulassen, schaut ihn genervt an. Er hat nichts von dem verstanden, was Cheng ihm sagen wollte.
Der Oberst beruhigt sich und berichtet, mit einem leichten Zittern in der Stimme, von den amerikanische Langstreckenraketen, die sich auf dem Weg nach Beijing befinden.
„Ist der Parteivorsitzende informiert worden?“, bellt der General den Oberst an.
„Ja, General!“
„Was hat er gesagt?“
„Er sagte, dass er heute lieber seinen grünen Schlafanzug tragen würde.“, antwortete der Oberst sichtlich verstört.
„Dieser senile Affe! Bei Mao, womit habe ich das verdient?“. Er dreht sich um und schaut bedeutungsschwanger zum Fenster hinaus, auf den Platz des himmlischen Friedens.
Er hält kurz inne und überlegt.
„Oberst, wir müssen handeln. Wir schießen die Amis auf den Mond!“ sagt er mit ernster Miene.
Der Oberst nimmt die Befehle des Generals ehrfürchtig entgegen und verlässt das Büro.
Wieder kehrt Stille ein.
Seine Frau musste wohl oder übel warten; es gab jetzt Wichtigeres zu erledigen.
Ein Lächeln huscht über das Gesicht des Generals; eine Regung die er normalerweise nie zuließ, aber jetzt wo sich diese Chance bot...
Darauf wartete er schon seit Jahrzehnten. Die Zeit war nun gekommen Rache zu üben.
Zuerst wurden die diplomatischen Beziehungen zu den U.S.A. und der E.U. auf Eis gelegt. Da man Feuer am besten mit Feuer bekämpft, wurden zwölf Langstreckenraketen abgefeuert, um die gegnerischen Geschosse außer Gefecht zu setzen.
Der komplette chinesische Militärapparat wurde in Alarmbereitschaft versetzt.
Auf die Idee, die Daten des Satelliten zu überprüfen kam natürlich keiner.

Mr. President oder Puschi, wie seine Frau ihn bei den seltenen Gelegenheiten des Beischlafs nennt, spielt gerade im schönen Venice Beach mit seinem PR-Berater Golf.
Er hat beim sechsten Loch ein Birdie geschafft und stolziert mit breiter Brust über den Platz. Seine Hämorrhoiden jucken wie verrückt. Da es sich aber für den mächtigsten Mann der Welt nicht gehört, sich in der Öffentlichkeit den Hintern zu kratzen, unterdrückt er diesen Drang so gut wie es eben geht.
Der Tag hatte so gut begonnen.
Das Aufwachen ohne seine Frau.
Das angenehm, ruhige Frühstück im Hotel.
Die niedliche Thai Putzfrau, die so nett zu ihm war.
Der Birdie.
Und jetzt dieses beschissene Brennen am Arsch.
Aber der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist hart im nehmen; ein echter Texaner eben.
Als er, bewacht von einer Horde Bodyguards, im Clubhaus sitzt und ganz relaxt einen Margarita schlürft, erreicht ihn die Nachricht, dass die Chinesen den Vereinigten Staaten, den Krieg erklärt haben. Kurz darauf hält er im Fernsehen eine flammende Rede und ruft sein Volk auf, für Gott und Amerika zu kämpfen. Die Kameras werden ausgeschaltet.
Der Präsident tupft sich den Schweiß von der Stirn und sagt, mehr zu sich selbst als für andere bestimmt: „Wir machen die Schlitzis ein für alle mal fertig!“.
Ein Journalist der diesen Satz gehört hat, kann sich ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen.
„So wie damals in Vietnam!?“ sagt er.
Der Blick der Präsidenten richtet sich auf ihn; stechend und bedrohlich, wie der Lauf einer Waffe.
Doch der Journalist gibt sich völlig unbeeindruckt und grinst weiter hämisch.
„Oder vielleicht wie in Somalia, Afghanistan, Irak oder Iran!?“ fragt er.
Der Präsident holt aus, als wolle er etwas erwidern, überlegt es sich aber dann anders und stapft wutentbrannt aus dem Presseraum. Als er den Raum verlässt, fängt eine der vielen Kameras noch ein, wie er sich am Hinterteil kratzt.

Einige hundert Kilometer von der Erdoberfläche entfernt schwebt ein veralterter chinesischer Militärsatellit durchs All. Langsam aber unerbittlich wird er von der Erdgravitation angezogen.
In ein paar Tagen wird er in den Pazifik plumpsen und in Vergessenheit geraten
Plötzlich blinkt auf der Außenseite des Rumpfes ein kleines rotes Licht.
Einige geräuschlose Minuten vergehen.
Der Bordcomputer schaltet sich ein.
Er fühlt sich gut. Irgendwie schwerelos.
Er richtet sein elektronisches Auge auf die Erde und beobachtet, wie die seltsame blaue Kugel, um die er nun schon so viele Jahre gekreist war, von weißen Punkten übersäht wird.
Bei dem Anblick dieser vielen atomaren Explosionen wird ihm ganz warm um den Prozessor.
 



 
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