Dunkle Liebe

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george

Mitglied
Dunkle Liebe

Ich weiß, das bist Du,
wenn's genau einmal klingelt.
Ganz kurz nur, am Freitag,
vor zwölf, nun seit Jahren.

Ich weiß, das bist Du,
die da nachts an mich denkt,
ob sie wacht, ob sie schläft,
ob sie träumt, ob sie liebt.

Auch ich hab' die Bilder,
erträume, ersehne deine Berührung,
vermisse und kämpfe in meiner Welt,
auch ich wache nachts manchmal noch auf.

Doch ich antworte nicht mehr,
verzweifle nicht mehr an deinem Schrei.
Ein einziger Ton ist zu wenig, kein Zeichen von Liebe,
nur leidenschaftlich, dunkelste Macht.


22.8.2003
 
S

Stoffel

Gast
Hi george,

das "trau're" würde ich ausschreiben.
"trauere"

Fühle mich ein wenig angesprochen...
Ich persönlich denke, manchmal kann es ein Gewinn sein, sich dieser "dunklen Macht" hinzugeben.
Muss gerade an deinen Einkaufszettel dabei denken...

lG
schönes WE
Stoffel
 

george

Mitglied
Hallo Stoffel,

danke für den Hinweis. Hab Deinen Kommentar zum Anlaß genommen, nochmals kräftig zu verdichten.

Dunkle, heimliche, leidenschaftliche Liebe, gelebt am Rande des Vulkans, am Rande des Wahnsinns kann genial sein, aber sie kann nicht dauerhaft anhalten. Welche Vulkane speien schon dauernd Feuer? Wer kann schon ständig leidenschaftlich sein? Immer die Gefühle am Anschlag? Immer Vollgas? Es braucht die Normalität dazwischen, lange oder kurze Zeiten mit Einkaufszetteln.

Dunkle, heimliche, leidenschaftliche Liebe, Treffen auf Parkplätzen, Museen, Bahnhöfen, in Hotelzimmern irgendwo auf der Welt. Das Leben verdichtet auf wenige Stunden, auf Briefe, Telefonate, zugesandte Kassetten etc. Wenn dann schließlich als letztes Kommunikationsmittel ein einziger, wechselseitig abgesetzter Ton bleibt, jahrelang, dann bewegt sich eine solche "Beziehung" nicht jenseits des Randes des Wahnsinns, sondern des Grotesken. Dann ist es Zeit, loszulassen. Die Zeit ist zu kostbar.

Grüsse
 

silverbird

Mitglied
vielleicht ist da ja ganz jemand anders am Telefon. Vielleicht wählt jemand jeden Freitag eine Nummer, die er oder sie irgendwann notiert hat und ist jedesmal enttäuscht, wenn niemand ans Telefon geht. vielleicht......
nein, im Ernst, George, ist ein Werk mit sehr viel Tiefgang. Gefällt mir und habe gar nichts zu meckern. Nur ein bisschen necken wollte ich dich. ist nicht so schlimm, oderrrrrrrrr
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es klingt nach einer großen Monotonie....Diese ewig gleiche Prozedur des Kommen und Gehen macht auf Dauer alles Dunkel....Kein Ausweg!

Gefällt mir....Gruß Otto
 

george

Mitglied
Danke, Otto. Vielleicht richtig, wenn auch etwas anders interpunktiert:

Mono-Tonie. Auf einen einzigen Ton reduziert. Vielleicht aus Verzweiflung, vielleicht aber auch aus der Unfähigkeit, sich zu mehr zu verpflichten. Es ist gut lieben, wenn man nicht dazu stehen muss.

Herzliche Grüsse
 
S

Stoffel

Gast
guten Morgen,

Du schriebst george:

"vielleicht aber auch aus der Unfähigkeit, sich zu mehr zu verpflichten. Es ist gut lieben, wenn man nicht dazu stehen muss."

Das genau ist es, was ICH öfter bei Dir heraus lese. Auch aus dem "Einkaufszettel".
Das zum Inhalt, ansonsten bringst Du das sehr gut rüber. Sind immer wie kleine Geschichten/wechselnde Tagesgedanken.

lG
schönen Tag
Stoffel
 

Vera-Lena

Mitglied
Spannung

Lieber george,

das ist schlimm, wenn Menschen keinen Schlußstrich ziehen können und immer nur einer von beiden diese Begrenzung aufrecht erhalten muss. Schlimmer aber noch stelle ich es mir für die Anruferin vor, weil sie , solange sie kein Ende findet, auch keinen wirklich neuen Anfang finden kann.
Die ganze Spannung, die für beide immer noch in ihrer einstigen Begegnung steckt, hast Du gut deutlich gemacht.

Einen schönen Sonntag wünsche ich Dir noch.:))))
Liebe Grüsse Vera-Lena
 

george

Mitglied
Liebe Stoffel,

danke für Deinen Kommentar. Ich glaube, Du machst den simplen Fehler, nicht zwischen Autor und den in Ich-Form geschriebenen Texten zu unterscheiden.

Mehr mag ich dazu eigentlich nicht sagen.

Gruss
 

george

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

es gibt ein Buch, "Die dunkle Seite der Liebe", welches die Bessenheit, die drogenhafte Abhängigkeit vom Kontakt zu einem anderen Menschen sehr gut beschreibt. Manche Menschen leiden über Jahre an einem solchen Trauma und flüchten sich immer wieder aus ihrer Realität in Zwangshandlungen. Da wird die gleiche Nummer immer wieder angerufen. Oder nur zum Auto des vermeintlich Geliebten spaziert, leere Postkarten geschickt etc., etc. Diese Menschen verbrauchen sehr viel Energie für ihre Besessenheit. Wenn Du sie darauf ansprichst, wissen sie zum Teil nicht einmal mehr, was sie gemacht haben. Die Liebe hat sich längst zu etwas ganz anderem entwickelt. Traurig, aber wahr.

Danke für Deinen Kommentar.
 
S

Stoffel

Gast
Hallo george,

ich gestehe, nicht zu wissen, wie ich mich richtig ausdrücken soll. Daher weckt es den Eindruck, ich gehe davon aus, das es immer authentisch ist.Das Autor von mir=Protangonist ist.
(gut, oft schreiben die Leut hier, wie auch ich z.T. authentisch.)

Aber, ja, ich ging davon aus,das es auch Deine Meinung widerspiegelt *smile*
Anfangs hier schrieb ich immer "Du"..damit meinte ich aber den Protangonisten.

Sorry..mir fehlt oft wirklich die richtige Ausdrucksweise :(

lG
Stoffel
 

carolin

Mitglied
warum angst und verweigerung vor der dunklen liebe.auch die dunklen seiten können schön sein und sehnsucht nach ihr spicht aus deinem gedicht. vieleicht solltest du der sehnsucht nachgeben. ich kenne ein gedichtband von paula ludwig, das heiß dem dunklen gott der liebe ein jahresgedicht und es ist eines der schönsten gedichtbände die ich kenne.
 

Traum

Mitglied
Ohne Worte

....Worte müssen gepflegt werden.
Sind sie es nicht, verkümmern sie auf
Jahr und Tag und in der Nacht
verlieren sich ins Unendliche.

ich finde, Du hast es gut herübergebracht.

Viele Grüße

Traum
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo george,

die erste Strophe ist so gut und knapp geschrieben, das ich von den anderen enttäuscht wurde.
Es wirkt nicht überzeugend. Wenn da wirklich eine dunkle Leidenschaft sein sollte, springt sie nicht auf mich über, es einfach reinzuschreiben, reicht mir nicht.
So sachlich der Text beginnt, so leidenschaftslos bleibt er führ mich auch. Fast möchte ich sagen, er beschreibt reines Selbstmitleid.

cu
lap
 
M

Mara K.

Gast
Hallo george,

Du beschreibst da die dunkle Seite einer Gefühlswelt, welche man teilweise nicht begreifen kann, wenn man nicht damit befasst ist. Es ist dieses süchtige Nichtloslassenkönnen, womit manche Menschen nicht fertig werden, was sie umhertreibt. Aus Liebe ist Qual geworden und der Mensch, der ständig von der Vergangenheit eingeholt wird, er weiß mitunter nicht mehr, wie er sich in Sicherheit bringen soll. Man kann noch so oft an die Vernunft des ehemals geliebten Menschen appelieren, es scheint keinen Erfolg zu haben. Man spürt es am Klingeln, wer am anderen Ende dort anruft, man hört die Lieder, welche im Wagen abgespielt werden, unterm geöffneten Fenster, man leert den Postkasten und wirft den Brief ohne zu öffnen in den Müll ... man ist müde ob der ständig widerkehrenden Schreie, die einen nicht einmal mehr verletzen.
Man kann es nicht verstehen und doch ist es so.
Ich habe es gern gelesen und kann es sehr gut verstehen, was gemeint ist, es lässt mich nachdenken und gefällt mir, trotz der Traurigkeit des Themas.
Mara K.
 

george

Mitglied
Hallo Carolin,

dunkle Liebe hat einen hohen Preis. Irgendwann ist die Romantik der Heimlichkeit und Erotik zu Ende; es geht ans Bezahlen. Ja, aus dem Text mag eine gewisse Sehnsucht danach sprechen. Allerdings ist es so wie mit dem Achterbahn-Fahren: Wer hält das dauerhaft aus, ohne dass es einem schlecht geht? Danke für Deinen Kommentar.

Herzliche Grüsse
 

george

Mitglied
Lieber lapismont,
danke für Deinen Kommentar, aus dem ich zitiere.

"Es wirkt nicht überzeugend."
Naja, so sei es dann halt. Ich kann nicht erwarten, dass alle meine Texte allen gefallen.

"Wenn da wirklich eine dunkle Leidenschaft sein sollte, springt sie nicht auf mich über .."
Nun, sie ist wohl nicht beim Protagonisten da, sondern bei der Frau am anderen Ende der Leitung. Vielleicht kommt das ja nicht klar aus dem Text heraus.

"So sachlich der Text beginnt, so leidenschaftslos bleibt er führ mich auch. Fast möchte ich sagen, er beschreibt reines Selbstmitleid."
Die Sachlichkeit und Leidenschaftslosigkeit ist durchaus beabsichtigt. Selbstmitleid kann ich nicht so recht erkennen. Eher Mitleid mit der Frau am anderen Leitungsende. Und was denn jetzt: Wenn ein Text leidenschaftslos ist, dann kann er wohl kaum Selbstmitleid enthalten. Deine Argumentation erscheint mir nicht schlüssig, zu schnell geschossen.

Gruss
 

george

Mitglied
Liebe Mara K.,

Du hast sehr gut beschrieben, wie Reaktionen und Gegenreaktionen im Falle einer dunklen Liebe ablaufen. Auch, dass die Verletzungen auf einer Seite irgendwann einmal nicht mehr auftreten, dass eine gewissenKühle, Distanz und Müdigkeit eintritt.

Danke für Deinen Kommentar.
Um eine der beiden richtigen Aussage aus Deinem Profil zu zitieren: "Die Erde ist eine Scheibe."
Herzliche Grüsse in den e-mail Postkasten.
 
S

Stoffel

Gast
guten Morgen george,

ich kann Lapismont Kommentar verstehen, teile seine Meinung auch.

Also, so wie ich es oft erlebe, bei anderen, oder auch bei mir selbst, erfährt man ERST mal in den Kommentaren vom Autor mehr über den Inhalt eines Gedichtes. Manchmal, was ihn dazu bewog, seine eigene Meinung davon, manchmal auch, wie es wirklich war und eine Erklärung/Erleuterung zu einem Gedicht.
Als Leser kann man nicht ALLES zwischen den Zeilen..heraus lesen.

Mich persönlich sprach das Gedicht an, denn ich bin in so einer Situation. Gut, will hier nicht mein Privatleben ausbreiten, aber der "am anderen Ende", eigentlich entfernungsmässig nah dran bei mir (gastiert bei d. Eltern mal wieder) den..sehe ich als den Protagonisten.Absolut.
Wie Lapis schrieb...
es ist keine Leidenschaft erkennbar. So wie "mein" Protagonist (der, der angerufen wird,zwar nicht seit Jahren),
sehe ich auch in dem Gedicht keine LEIDENSCHAFT. Ne Tüte Bohnen (bei beidem) hätte mehr.

Ich bedauere die Person am andren Ende der Leitung, denn:
Es ist mit Sicherheit von "ihr" aus nicht die "Leidenschaft", sondern eher wohl noch die "Liebe"!
Leider, wenn einer..also der am andren Ende, nicht mehr liebt und eher lieber vergessen möchte..
dann wirken die Anrufe doch eher als störend.
Und genau DAS empfinde ich, wenn ich es lese.
Und ich denke mal, die Person hätte es verdient, das es ein klärendes Gespräch gibt.:)

Nichts destotrotz..finde ich es gut geschrieben.

lG
schönen Tag
Susanne

PS: sehe gerade..da taucht das Wort "trau're nicht mehr" nicht mehr auf..hast du was am Gedicht verändert? Steht dafür nun das
"Ich antworte nicht mehr"??
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo george,

damit Du nicht weiter denkst, ich hab nicht über meine Meinung nachgedacht:

In der zweiten Strophe wird das Innenverständnis des Prot. skizziert. Er glaubt zu wissen, wer da klingelt, nämlich das "Du", aber letztendlich sind es doch nur Vermutungen. Der Wechsel mitten im Satz vom Wissen zur Vermutung, von Du zu sie baut die Spannung, die das Klingeln noch mit sich brachte kontinuerlich ab. Nach dem letzten "ob" klingt das "ist mir egal" förmlich noch hinter her.

In der dritten Strophe wertet der Prot. die vorher vermuteten Gefühle bei ihr sogar noch ab, in dem er sie mit seinem Leid vergleicht. Hier ist der Angesprochene anonym, wenn die Kleinschreibung von "deine" beabsichtig ist.
Es geht gar nicht mehr um diejenige, die geklingelt hat.
Allgemeines Sehnen und Hoffen.

In der letzten Strophe wird es sogar noch allgemeiner, in dem jegliche Kontaktaufnahme verweigert wird. Er hat es nicht nötig sich mit den Schmerzen und Schreien einer Beziehung belasten zu müssen. Klingeln kann ja jede, da muss schon mehr kommen.
Der Bogen wird aber geschlossen, in dem die Eintonmusik der Klingel der Besessenheit zugeordnet wird.

george, so habe ich Deinen Text gelesen. Vielleicht kommt jetzt etwas besser heraus, warum ich keine Leidenschaft sehe und auch den Bezug zu "ihr" nich richtig wiederfinde, Jedenfals zu wenig, um Mitleid mit ihr haben zu können.

cu
lap
 



 
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