ENNEA - (I)
Im Gegensatz zu den meisten ihrer Klassenkameraden hatte Ennea die Stadt nach Beendigung der Schule nicht verlassen. Ihre Mutter hatte es nicht gewollt. Nachdem ihre älteste Tochter, Enneas Schwester Stefania, einen Studienplatz in einer weit entfernten Großstadt angenommen hatte und ihre ohnehin seltenen Besuche in letzter Zeit immer noch rarer wurden, hielt die Mutter Ennea gefangen in einem fein gesponnenen Netz aus wirklichen und vorgetäuschten Leiden, ausgesprochenen und unausgesprochenen Vorwürfen, mitleidheischenden Blicken, geheimnisvollen Krankheiten und schlechtem Gewissen.
Desinteressiert begann Ennea eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau, verbrachte ihre Tage im Büro und ihre Abende mit der Mutter vor dem Fernseher. Hin und wieder ging sie aus. Essen mit Kollegen. Manchmal Kino. Traf sich ab und zu mit Gleichaltrigen, die sie noch von der Schule her kannte. Manchmal Disco. Feuchtklebrige Knutschereien auf dem Nachhauseweg, im Auto, vor der Haustür. Ungeschickte Hände, die sich an ihrem Körper zu schaffen machten und die sie träge und teilnahmslos abwehrte.
All das konnte den Filmen, die sie sah, den Büchern, die sie las, nicht standhalten.
Eines Morgens stieß sie bei der Lektüre der Lokalzeitung auf ein Foto unter der Rubrik 'Personalien'. Sie erkannte ihn sofort. Er hatte einmal zum Freundeskreis ihrer Schwester gehört. Vielleicht war da sogar etwas gewesen zwischen den beiden. Sie erinnerte sich genau an die Eifersucht, die sie damals empfunden hatte, an das demütigende Gefühl, nicht beachtet zu werden von den Älteren, Größeren, Reiferen. Nicht ernst genommen zu werden. Sie hatte ihn angehimmelt und von weitem verehrt, wie Teenager das tun. Er sah damals schon unglaublich gut aus. Lange, dunkle Haare, blaue Augen, ein umwerfendes Lächeln, ein perfekter, durchtrainierter Körper. Er war Mitglied der Theatergruppe des Gymnasiums und wollte Schauspieler werden.
Ennea dachte damals Tag und Nacht an ihn, phantasierte sich in Geschichten, die unweigerlich damit endeten, daß er plötzlich alle anderen Mädchen, einschließlich ihrer Schwester, stehen ließ, sich ihr zuwandte, ihre Hand nahm, und schwor, sie nie mehr loszulassen. Oder sonst etwas Romantisches. Und dann küßte er sie, wie sie noch nie zuvor geküßt worden war. Sie konnte sich in diese Phantasien derart hineinsteigern, daß sie wirklich glaubte, seine Lippen zu spüren, seine Zunge, die sich auf der Suche nach der ihren unendlich langsam und vorsichtig ihrem Mund näherte, sich dort drehte und wand, die Konturen ihrer Lippen nachzeichnete und sich endlich zwischen sie schob, um sich gleich wieder zurückzuziehen, damit das Spiel von Neuem beginnen konnte. Nur, daß seine Zunge diesmal in kleinen, scheinbar willkürlichen Zuckungen über die empfindliche Haut an der Seite ihres Halses fuhr, so daß sie jede dieser Berührungen wie einen kurzen, scharfen Schlag mit einer winzigen Peitsche empfand. Sein Rhythmus war nicht gleichmäßig. Er ließ sie manchmal auf die nächste Berührung, den nächsten Schlag warten, zögerte ihn hinaus, bis die Spannung für sie unerträglich wurde, und sie sich ihm aufstöhnend entgegendrängte, den Kopf nach hinten geworfen, ihm ihren Mund, ihren Hals, ihre Schultern, ihre Brüste, ihren ganzen Körper anbietend, eine einzige Aufforderung, eine einzige Hingabe.
In solchen Momenten schien es ihr, als ob alles Blut, das sonst in ihrem Körper zirkulierte, nun plötzlich zwischen ihren Beinen zusammenströmte. Von ihren Schamlippen ging ein prickelndes Gefühl aus, das sich wellenförmig fortsetzte und sich erst langsam in ihren Finger- und Zehenspitzen verlor. Manchmal spürte sie ihre eigene Feuchtigkeit aus sich herausperlen und die Innenseite ihrer Oberschenkel benetzen. Sie kniff dann die Beine zusammen und stellte sich vor, wie er nun ihre Brüste streichelte, die Spitzen küßte, sie mit seiner Zunge reizte, ebenso, wie er es vorher an ihrem Hals getan hatte, und sie dann, wenn sie groß und hart geworden waren, ganz sanft zwischen seine Zähne nahm, erst die eine, dann die andere, dann in immer schnellerem Wechsel saugte und biß, zuerst noch vorsichtig, dann immer wilder, immer schneller, immer härter, bis sie mit einem letzten Zusammendrücken ihrer Oberschenkel den Mechanismus ihrer Lust auslöste und mit seinem Bild vor Augen stöhnend zusammenzuckte, immer und immer wieder.
Sein Name war Robert. Der Text neben dem Bild besagte, daß er die Schauspielschule in M. absolviert habe und nunmehr am örtlichen Stadttheater in einem Engagement für die kommende Spielzeit stehe. Zunächst gäbe er den Herzog von Clarence in William Shakespeare's 'König Richard der Dritte'.
Noch auf dem Weg ins Büro kaufte sie sich eine Theaterkarte.
Im Gegensatz zu den meisten ihrer Klassenkameraden hatte Ennea die Stadt nach Beendigung der Schule nicht verlassen. Ihre Mutter hatte es nicht gewollt. Nachdem ihre älteste Tochter, Enneas Schwester Stefania, einen Studienplatz in einer weit entfernten Großstadt angenommen hatte und ihre ohnehin seltenen Besuche in letzter Zeit immer noch rarer wurden, hielt die Mutter Ennea gefangen in einem fein gesponnenen Netz aus wirklichen und vorgetäuschten Leiden, ausgesprochenen und unausgesprochenen Vorwürfen, mitleidheischenden Blicken, geheimnisvollen Krankheiten und schlechtem Gewissen.
Desinteressiert begann Ennea eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau, verbrachte ihre Tage im Büro und ihre Abende mit der Mutter vor dem Fernseher. Hin und wieder ging sie aus. Essen mit Kollegen. Manchmal Kino. Traf sich ab und zu mit Gleichaltrigen, die sie noch von der Schule her kannte. Manchmal Disco. Feuchtklebrige Knutschereien auf dem Nachhauseweg, im Auto, vor der Haustür. Ungeschickte Hände, die sich an ihrem Körper zu schaffen machten und die sie träge und teilnahmslos abwehrte.
All das konnte den Filmen, die sie sah, den Büchern, die sie las, nicht standhalten.
Eines Morgens stieß sie bei der Lektüre der Lokalzeitung auf ein Foto unter der Rubrik 'Personalien'. Sie erkannte ihn sofort. Er hatte einmal zum Freundeskreis ihrer Schwester gehört. Vielleicht war da sogar etwas gewesen zwischen den beiden. Sie erinnerte sich genau an die Eifersucht, die sie damals empfunden hatte, an das demütigende Gefühl, nicht beachtet zu werden von den Älteren, Größeren, Reiferen. Nicht ernst genommen zu werden. Sie hatte ihn angehimmelt und von weitem verehrt, wie Teenager das tun. Er sah damals schon unglaublich gut aus. Lange, dunkle Haare, blaue Augen, ein umwerfendes Lächeln, ein perfekter, durchtrainierter Körper. Er war Mitglied der Theatergruppe des Gymnasiums und wollte Schauspieler werden.
Ennea dachte damals Tag und Nacht an ihn, phantasierte sich in Geschichten, die unweigerlich damit endeten, daß er plötzlich alle anderen Mädchen, einschließlich ihrer Schwester, stehen ließ, sich ihr zuwandte, ihre Hand nahm, und schwor, sie nie mehr loszulassen. Oder sonst etwas Romantisches. Und dann küßte er sie, wie sie noch nie zuvor geküßt worden war. Sie konnte sich in diese Phantasien derart hineinsteigern, daß sie wirklich glaubte, seine Lippen zu spüren, seine Zunge, die sich auf der Suche nach der ihren unendlich langsam und vorsichtig ihrem Mund näherte, sich dort drehte und wand, die Konturen ihrer Lippen nachzeichnete und sich endlich zwischen sie schob, um sich gleich wieder zurückzuziehen, damit das Spiel von Neuem beginnen konnte. Nur, daß seine Zunge diesmal in kleinen, scheinbar willkürlichen Zuckungen über die empfindliche Haut an der Seite ihres Halses fuhr, so daß sie jede dieser Berührungen wie einen kurzen, scharfen Schlag mit einer winzigen Peitsche empfand. Sein Rhythmus war nicht gleichmäßig. Er ließ sie manchmal auf die nächste Berührung, den nächsten Schlag warten, zögerte ihn hinaus, bis die Spannung für sie unerträglich wurde, und sie sich ihm aufstöhnend entgegendrängte, den Kopf nach hinten geworfen, ihm ihren Mund, ihren Hals, ihre Schultern, ihre Brüste, ihren ganzen Körper anbietend, eine einzige Aufforderung, eine einzige Hingabe.
In solchen Momenten schien es ihr, als ob alles Blut, das sonst in ihrem Körper zirkulierte, nun plötzlich zwischen ihren Beinen zusammenströmte. Von ihren Schamlippen ging ein prickelndes Gefühl aus, das sich wellenförmig fortsetzte und sich erst langsam in ihren Finger- und Zehenspitzen verlor. Manchmal spürte sie ihre eigene Feuchtigkeit aus sich herausperlen und die Innenseite ihrer Oberschenkel benetzen. Sie kniff dann die Beine zusammen und stellte sich vor, wie er nun ihre Brüste streichelte, die Spitzen küßte, sie mit seiner Zunge reizte, ebenso, wie er es vorher an ihrem Hals getan hatte, und sie dann, wenn sie groß und hart geworden waren, ganz sanft zwischen seine Zähne nahm, erst die eine, dann die andere, dann in immer schnellerem Wechsel saugte und biß, zuerst noch vorsichtig, dann immer wilder, immer schneller, immer härter, bis sie mit einem letzten Zusammendrücken ihrer Oberschenkel den Mechanismus ihrer Lust auslöste und mit seinem Bild vor Augen stöhnend zusammenzuckte, immer und immer wieder.
Sein Name war Robert. Der Text neben dem Bild besagte, daß er die Schauspielschule in M. absolviert habe und nunmehr am örtlichen Stadttheater in einem Engagement für die kommende Spielzeit stehe. Zunächst gäbe er den Herzog von Clarence in William Shakespeare's 'König Richard der Dritte'.
Noch auf dem Weg ins Büro kaufte sie sich eine Theaterkarte.