Echte Poetenfreunde

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Mortimer

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Echte Poetenfreunde

Wilder Schritt – kompasslos – Bollen, bollen!

„Was sagst du, Gregor? Das adelt, oder nicht?“
Der Angesprochene goss sich einen Schluck aus der Ginflasche in ein milchiges Glas. Das leise Plätschern läutete einen kurzen Moment der Besinnung ein, dann gab der kraushaarige Mann mit den elfenartigen Gesichtszügen zurück: „Wilder Schritt für unten ungekämmt?“
„Nein, Mann, wilder Schritt für den Lebensweg im Laufschritt erkunden wollen, ungezügelt!“. Vaclav zündete sich eine Zigarillo an.
Sein Dichterfreund nickte anerkennend :“Ist gut, aber den Schritt würde ich weglassen, sonst drängt sich dem Leser noch meine erste Assoziation auf, das wäre fatal.“
„Und dann…“ – fuhr Vaclav mit einer ausladenden Handbewegung fort: „…kompasslos…ist ja wohl eindeutig: Ohne Orientierung, was sagst du, Gregor?“
Sein Freund stützte sein Kinn andächtig auf einen Podest aus Daumen, Zeige- und Mittelfinger und beschrieb mit den Pupillen einen Kreis. „Zu eindeutig! Schreib nur Ko.“
„Nur Ko? Meinst du das versteht jemand?“, verlieh Vaclav seinem Zweifel Ausdruck.
„Ohne weiteres. Glasklar – aber wofür steht Bollen, bollen?“, wollte Gregor wissen.
Vaclav nahm einen kräftigen Zug von seiner Zigarillo. „Mit Bollen meine ich eigentlich Bohlen. Dieter Bohlen. Der ist doch immer so unzufrieden mit den Kandidaten in dieser komischen Ungebildetensendung, in der sie einen Superstar suchen. Soll bedeuten, dass der Heißsporn, der mit wildem Schritt orientierungslos ins Leben stürmt, letztlich doch nicht glücklich ist. Ich darf doch Dieter nicht beim richtigen Namen nennen, das könnte Urheberrechtsprobleme geben, wenn ich das Gedicht dann später publiziere.“
Aus dem geöffneten Fenster drang ein lautes Hupen, auf das ein nicht minder lautes Lachen folgte. Gregor führte sein Glas zum Mund. „Woher weißt du das denn, mit der Unzufriedenheit? Guckst du das etwa?“. Die Augen des Elfen funkelten vorwurfsvoll.
Das Blut schoss durch die feinen Äderchen in Vaclavs Gesicht und binnen Sekunden bildete sich ein roter Teppich auf den Wangen des Dichterfürsten. „Ich…ich weiß es von meiner Schwester, die hat mir das erzählt.“
Das Ginglas raste zurück auf den Tisch. Im Inneren des Glases tobte ein Mini-Tsunami. „Dann ist ja gut. Das Leben der anderen geht mich ja nichts an, aber für einen Poeten wäre eine solche Sendung ja wohl zweifelsohne rufschädigend.“ Der gesenkte Kopf des Freundes animierte Gregor in beschwichtigender Weise fortzufahren. „Aber Bollen ist trotzdem noch zu offensichtlich, da kommt ja jeder gleich drauf. Schreib nur Bol und dann vielleicht noch D für Deutschland, dann geht’s.“
„Ok, und jetzt achte auf die zweite Zeile:“, kündigte Vaclav an.

Liebe, liebe? – Heidi, darum Club Rosee, 4,8!

Liebe, liebe? Du meinst zwei Mal Liebe machen, also knapp nen Hunni zahlen?“, wollte Gregor wissen.
„Nein, nein, mein Bester, kein kapitalistischer Einschlag, ich wollte damit nur sagen, dass unser Heißsporn eigentlich auf der Suche nach Liebe ist!“, rückte Vaclav die Interpretation seines Freundes zurecht.
„Dann schreib doch besser Liebt. Denn wer liebt, der sucht auch gleichzeitig nach der Liebe!“. Gregor – selbst überrascht über diesen genialen Einfall – zog selbstgefällig die Augenbrauen hoch. „Aber wofür steht Heidi, sucht der nur so junge Dinger? Oder will er's nur auf der Alm...., da gibt's bekanntlich koa Sünd?“
„Aber mein intellektueller Freund, es ist doch bekannt, dass die Heidi Klum bisher jeden Heiratsantrag abgelehnt hat, der ihr von Fremden angetragen wurde. Das steht für Liebe wird nicht erwidert!“. Ein Moment der Stille. „Weiß ich von meinem Bruder!“, schob Vaclav hastig nach.
„Das kannst du nicht schreiben, du meinst doch eigentlich Kälte. Liebesabweisende Kälte. Dann schreib Kalt.“, empfahl ihm Gregor, nachdem er gedankenversunken direkt aus der Gin-Flasche getrunken hatte.
„Und bevor du fragst, Club Rosee, das ist doch der Puff, den hier im Ort keiner kennt, der in der Altstadt in einer Autowerkstatt versteckt ist. Damit meine ich, er ist frustriert vom Nichtfinden der Liebe und stürzt sich zur Kompensation in körperliche Befriedigung.“
„Wo ist denn dieser Club eigentlich?“, hakte Gregor nach. „Du kannst ja nichts schreiben, was es gar nicht gibt.“
„Bei Ede neben der Spielhalle. Musst bei Ede nach nem 69er Schlüssel fragen…ähem…kann ich mir zumindest vorstellen.“
Gregor tippte etwas in sein Handy. Dann goss er sich einen Schluck Gin nach. „Aber trotzdem würde ich das nicht so schreiben. Mach es dir doch einfacher; in Wahrheit geht es dir doch darum, auszudrücken, dass der Heißsporn jetzt sein Über-Ich abstreift und sich seinem Es hingibt, dann schreib es doch auch. Schreib ES.“ – „Aber wofür bitte steht 4,8? 4,8 Stunden Sex? Erst nen Vierer, dann nen Achter? Vier Nutten vögeln und acht bezahlen?“
Vaclav stand auf und zeigte auf den Kühlschrank. „Na was ist da drin, was 4,8 hat?“, wollte er von seinem Freund wissen.
„Bier.“
Vaclav grinste schelmisch. „Richtig. Damit meine ich, er kommt völlig vom rechten Weg ab, gibt sich der körperlichen Liebe und auch noch dem Alkohol hin!“
„Guter Ansatz, aber das solltest du echt zur Abwechslung mal ausschreiben. Der Leser muss auch Momente der Assoziationspause haben, sonst ist er überlastet. Schreib Bier.“
„Alles klar. Jetzt pass aber auf wie es weiter geht!“.

Daumen, Daumen! Rosen.

„Was sagst du, super Ende, oder?“, Vaclav starrte seinen Freund erwartungsvoll an.
Daumen, Daumen? Fängt er jetzt auch noch an stockbesoffen aus dem Puff wegzutrampen? Na immerhin besser als selber fahren.“
„Och, Gregor, manchmal bist du wirklich etwas zu irdisch. Daumen steht für Christoph Daum, der hat doch auch erkannt, dass er mit dem Koksen nen Fehler gemacht hat und hat plötzlich sein Leben geändert.“
„Da sieht man jetzt beim 1. FC. Köln!“, gab Gregor zurück und schlug mit der Hand auf die Tischplatte. „Abgesehen davon, kannst du nicht ständig die Promis verheizen. Du meinst doch in Wirklichkeit, dass der Heißsporn erkannt hat, dass das Gesaufe und Gevögel falsch war. Dass er jetzt wieder klar – eben scharf – sieht. Dann schreib das auch hin! Schreib Und scharf!“, belehrte ihn Gregor während er zum Kühlschrank eilte, um sich die nächste Flasche Gin zu holen.
„Und Rosen soll bedeuten, dass es ihm jetzt nur noch auf die Liebe ankommt. Der einzig wahre Weg!“, kam Vaclav eventuellen Fehldeutungen seines Freundes zuvor, dessen staksiger Gang keinen Zweifel daran ließ, dass kein Tropfen der letzte Gin-Flasche auf dem Boden gelandet ist.
Als er sich wieder auf den Stuhl plumpsen ließ und nachgoss, kommentierte er: „Du willst also verdeutlichen, dass er wieder scharf sieht und jetzt letztlich nur noch die wahre Liebe sucht, richtig?“
„Richtig.“ Vaclavs Augen strahlten.
„Dann schreib nach scharf einfach e – für einzig – und dann Bräute. Schließlich sucht er ja ne Braut, also eine Frau, die sich mit ihm in ewiger Liebe verbindet, ihn somit heiratet.“
Vaclav erhob sich ruckartig, stürmte zu seinem Freund und schloss ihn in die Arme. Das Krachen des dabei umgestoßenen Holzstuhls klang wie ein Paukenschlag auf dem Parkett der Studentenwohnung. „Ich weiß nicht, warum du das für mich tust? Du hilfst mir, obwohl wir beide einen Beitrag für den Gedichtswettbewerb im Rennen haben. Ich bin doch eigentlich dein Konkurrent! Warum tust du das für mich?“
„Echte Freunde, eben. Mir egal, ob du gewinnst.“, gab Gregor zurück. Sein Atem roch stark nach Gin.

Wilder Ko Bol D
liebt Kalt ES Bier
und scharf e Bräute.
 



 
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