Eh-und jemals

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Vera-Lena

Mitglied
Eh-und jemals

Durch die Furche stapfst du
mit deinen Gummistiefeln.
Kein Hamster hat ein Haus hier,
die Mäuse bezähmen ihre Neugier,
wenn sie deine Schritte hören.

Aber ich stehe am Feldrand,
eine erwartungsfrohe Silhouette.
Warum bist du noch nicht hier,
breitest die Arme aus,
den Himmel zu umfangen,
in den ich mich eingeschmiegt habe,
fast unsichtbar, lichtblau bekleidet.


Schon in mir trage ich deine Gebärde,
den Duft von reifem Korn auch,
den das Feld jahreinwärts erschaffen wird.

Die wuchtige Eiche hinter mir
hat noch kein Laub, dem Licht zu widersprechen.
 
Hallo Vera-Lena,
Liebe in wunderschönen Bildern. Mit den Tieren der ersten Strophe habe ich ein wenig Probleme. Ich könnte mir das Gedicht daher auch ohne die ersten Strophe vorstellen.
Aber auch mit den kleinen Nagetieren finde ich dein Gedicht gelungen.
Herzliche Grüße
Karl
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Karl,

danke für Deine Antwort!

Die Tiere waren mir wichtig um die ganze Szene auf dem frisch gepflügten Feld deutlich zu machen. Außerdem habe ich in die Mäuse hineinverlegt, dass sie dass "Lyrdu" eigentlich auch gerne beäugt hätten, wenn sie nicht grundsätzlich Angst vor Menschen hätten. Also demnach steht da, in andere Worte gefasst: Selbst die Mäuse sind von dir fasziniert, obgleich sie doch nur deine Schritte hören, naja, was man eben so in Jemanden hineiniterpretiert, wenn man verliebt ist.

Dann ist es mir noch wichtig, dass der Text so ganz behutsam anfängt und sich von Strophe zu Strophe immer mehr steigert hinein in das Empfinden des Lyri.

Die letzten zwei Zeilen machen eine Aussage, wie günstig die derzeitige Situation für das Lyri ist, das im Licht verbleiben kann, weil sein Warteort noch nicht von dem Laub der wuchtigen Eiche überschattet wird, was im übertragenen Sinne gelesen werden kann. Der Augenblick für eine Begegnung steht einfach unter einem guten Stern.

Ich freue mich wirklich sehr, dass Dir dieser Text etwas sagt.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
H

Heidrun D.

Gast
Liebe Verena,

auch für mich sind die Tiere unverzichtbar, sind der Clou des ganzen Gedichtes.:)

Mich "stört" etwas anderes ein wenig:

Die meisten Strophen sind ja von einer fast strengen Schlichtheit. Da fallen mir:

eine erwartungsfrohe Silhouette
...
in den ich mich eingeschmiegt habe,
fast unsichtbar, lichtblau bekleidet.

allzusehr aus dem Rahmen. Wie wäre es (in etwa) mit:


Eh-und jemals

Durch die Furche stapfst du
mit deinen Gummistiefeln.
Kein Hamster hat ein Haus hier,
die Mäuse bezähmen ihre Neugier,
wenn sie deine Schritte hören.

[blue]Aber ich stehe am Feldrand,
eine Erwartungsfrohe.
Sag, warum bist du nicht hier?
Breitest deine Arme aus,
den Himmel zu umfangen,
in den ich mich schmiege,
fast unsichtbar, lichtblau bekleidet.[/blue]

Schon in mir trage ich deine Gebärde,
den Duft von reifem Korn auch,
den das Feld jahreinwärts erschaffen wird.

Die wuchtige Eiche hinter mir
hat noch kein Laub, dem Licht zu widersprechen.
Was meinst du?

Liebe Grüße
Heidrun
 
Liebe Vera-Lena,
ja, ich verstehe schon, dass du dein Gedicht allmählich steigern wolltest. Ich hatte zunächst den Eindruck, dass du die Tiere vermenschlichst. Aber ich habe es noch einige Male gelesen und denke jetzt, dass ich das wohl überbewertet habe.
Ich nehme also meine Einschränkung zurück...
Gefallen hat mir das Gedicht ohnehin schon.
Liebe Grüße
Karl
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Heidrun,

danke für Deinen Vorschlag, der formal betrachtet etwas für sich hat, sich aber nicht mit dem Inhalt deckt, der mir vorschwebt. Das Lyri sieht ja das Lyrdu in der Ferne herannahen. Es ist eben nur ungeduldig, deshalb das "Warum bist du [blue]noch[/blue] nicht hier. Das Fragezeichen habe ich weggelassen, weil es ja nur eine rhetorische Frage ist. Das Lyrdu ist ja auf dem Wege.
Bei der Silhouette, dachte ich mir, dass das Lyri sich in das Lyrdu hineinversetzt und annimmt, dass es aus der Entfernung nur als Silhouette zu erkennen ist, auch wenn das gar nicht stimmen sollte. Verliebte haben eben manchmal komische Vorstellungen.

"In den ich mich eingeschmiegt habe". Das ist jetzt nicht so einfach zu erklären. Die Beiden können einander nur begegnen, weil das Lyri eine große Arbeit an sich selbst getan hat, sich "in den Himmel einzuschmiegen", also so wenig aufdringlich und selbstsüchtig usw. zu sein, wie es das überhaupt schaffen kann und dafür hat es natürlich eine lange Zeit benötigt.

Dein veränderter Text gefällt mir aber wirklich auch gut. Nur inhaltlich verändert er den meinen allzu sehr.

Danke für Deine Ideen und die Auseinandersetzung mit diesem Text! :)

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

presque_rien

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

ein sehr schönes Gedicht! :) Bis auf ein paar Stellen finde ich es sehr stimmig... nur (leider?) nicht passend zu dem, was du selbst drüber schreibst! :D

Ich verstehe das so:

Das LyrDu repräsentiert die Erde, die Bodenhaftigkeit, das fleissige irdische Leben. Deshalb auch die Nagetiere, die fern bleiben: Das LyrDu mach seine Arbeit als Landwirt (symbolisch Feld = Leben) erfolgreich.

Das Lyri repräsentiert hingegen den Himmel, das Geistig-Seelische.

Für mich wirkt es nicht so, als wären die beiden frisch verliebt. Vielmehr spüre ich eine sehr alte Liebe. Sie beobachtet ihn aus der Ferne, bewundert seine Arbeit, spürt aber auch, dass sie bereits angekommen ist, dass sie bereit ist, das irdische Leben hinter sich zu lassen. Und wartet geduldig, bis er sowei ist und zu ihr kommt - mit allen Früchten, die er sich mühsam erarbeitet hat ("den Duft von reifem Korn"). Aber noch ist es nicht soweit.

Da ich das Gedicht so lese, passen für mich die letzten zwei Verse nicht. Besser fände ich:

Die wuchtige Eiche hinter mir
verlor ihr Laub, dem Licht zu widersprechen.

Damit wäre eine Verbindung zwischen ihr, der Lichtgestalt, und ihm, dem Verwurzelten, hergestellt.

Noch zwei Punkte:

Du schreibst:
Selbst die Mäuse sind von dir fasziniert, obgleich sie doch nur deine Schritte hören
Ich finde, das kommt in den Versen
die Mäuse bezähmen ihre Neugier,
wenn sie deine Schritte hören.
leider nicht rüber. Diese Verse wirken seltsam, als wären Mäuse normalerweise neugierig und würden sich auf jeden Menschen stürzen, der vorbeikommt. :D

Außerdem finde ich, dass "Silhouette" und "fast unsichtbar" sich widersprechen: Eine Silhouette zeichnet sich von Weitem GEGEN den Himmel AB, sie ist nicht MIT dem Himmel VERSCHMOLZEN. Insofen finde ich den Vorschlag von Heidrun sehr gut, da darin auch die wartende Natur des Lyri betont wird.

Das sind natürlich nur ein Paar Gedanken, ich hoffe, du kannst twas damit anfangen, auch wenn ich das Gedicht anders interpretiere als du es gemeint hast...

Lg Julia
 

Vera-Lena

Mitglied
Eh-und jemals

Durch die Furche stapfst du
mit deinen Gummistiefeln.

Aber ich stehe am Feldrand,
eine Erwartungsfrohe.
Warum bist du noch nicht hier,
breitest die Arme aus,
den Himmel zu umfangen,
in den ich mich eingeschmiegt habe,
fast unsichtbar,lichtblau bekleidet.


Schon in mir trage ich deine Gebärde,
den Duft von reifem Korn auch,
den das Feld jahreinwärts erschaffen wird.

Die wuchtige Eiche hinter mir
verlor ihr Laub, dem Licht zu widersprechen.
 

Vera-Lena

Mitglied
Ja, ja, ja,

liebe Julia,

so passt es. Du hast das, was da in mir innerlich herumwuselte, auf den Punkt gebracht, wo ich es noch nicht hinbringen konnte.

Super! Jetzt fühle ich mich erlöst. Ich danke Dir. :)

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Ich möchte auch noch einmal Karl und Heidrun danken.:)
Eure Vorschläge habe ich ja nun doch umgesetzt. Sie leuchteten mir erst so richtig ein, nachdem ich gelesen hatte, was presque mir dazu schrieb.

(Ach, ich bin davon überzeugt, dass Mäuse tatsächlich neugierige Tiere sind. Als Kind habe ich in dem großen Park, an dem ich wohnte, viel mit so kleinen Tieren gespielt, auch mit ganz jungen Fröschen und Igeln.
Und die kleinen Mäuse, die noch sehr zutraulich waren, haben mich immer beäugt, als ob sie alles von mir wissen wollten. Aber das nur nebenbei.)

Meinen Dank an alle Helfer! Irgendwie ist das schon was ganz Besonderes, wenn ein Text da hinkommt, wo man ihn eigentlich hinhaben wollte, aber das selbst nicht so 100prozentig geschafft hat.

Danke! :):):)
 
Liebe Vera-Lena,
es freut mich natürlich, dass ich ein wenig hilfreich sein konnte. Mir jedenfalls gefällt dein Gedicht jetzt viel besser.
Gruß
Karl
 



 
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