Eifersucht oder Komische Nachbarn

Pandora

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Die Zornesröte kriecht langsam seinen Hals hinauf und sucht sich ihren Weg zum Gesicht. Geschafft. Der Kopf gleicht einer überreifen, mutierten Tomate, hektische Handbewegungen versuchen seiner lauten Stimme noch mehr Ausdruck zu verleihen. Er schreit. Das Schreien steigert sich bishin zum hysterischen Kreischen. Allmählich ist die Stimmlage der Beegees erreicht und man denkt: „Höher geht nicht“. Doch manchmal wächst der Mensch über sich hinaus, wenn ihn bestimmte Gefühle dazu verleiten. Den Eindruck habe ich jedenfalls, wenn ich mir meinen Nachbarn so ansehe. Von meinem Küchenfenster aus kann ich direkt in das Schlafzimmerfenster der Bachmanns sehen. Nicht daß ich so etwas öfters tue. Niemals. Heute ist das erste Mal. Ehrlich.
Aber was meine sensiblen Augen hier zu sehen bekommen, läßt einem schon fast an seinem eigenen Verstand zweifeln. Aber ich bin mir sicher, es ist seiner, der nicht mehr richtig funktioniert.
Seine Frau Martina, ein recht schüchternes, leicht einfältiges Ding, hat schon vor etlichen Minuten das Haus verlassen. Natürlich war dem ganzen Szenario ein handfester Streit vorausgegangen. Angeschrien haben sie sich, daß ich es ganz bestimmt auch gehört hätte, wenn mein Fenster geschlossen gewesen wäre. Angeblich soll Martina ihrem Mann fremdgehen. Wer soll das denn glauben? Die wird doch schon rot, wenn sie jemand nach der Uhrzeit fragt.
Das muß ich auf jeden Fall Gerda erzählen. Einen kurzen Augenblick überlege ich, ob ich es mir leisten kann, das Telefon zu holen. Es ist ein Dilemma, ähnlich dem, wenn man bei einem guten Film überlegt, ob man die nächste Tüte Chips holt oder doch lieber bis zur Werbung wartet...
Aber hier gibt es keine Werbung. Ich bräuchte mich nur umzudrehen...
Ich habe es gewagt. Blind wähle ich Gerdas Nummer. Ich will ja nichts verpassen. Nicht daß ich so neugierig bin. Nein. Wo denkt ihr hin? Irgend jemand muß das Ganze doch im Auge behalten. Er könnte sich ja schließlich etwas antun, der liebe Herr Nachbar. Und dann muß man als anständiger Bürger und Nachbar doch helfen. Eifersucht ist wirklich schlimm. Es passiert doch immer so viel. Wie viele Morde wurden deswegen schon verübt?
Ich mache mir wirklich Sorgen um meinen von dieser Sucht geplagten Nachbarn. Hoffentlich kommt Martina nicht früher von der Arbeit nach Hause. Eigentlich hab ich es ja schon immer gewußt. Irgendwann bringt er sie um.
„Oh Gott, Gerda, Liebes, gerade hat er mit der bloßen Faust den Spiegel kaputt geschlagen. Kannst du dir das vorstellen? Ob Martina wirklich fremdgeht? Verstehen könnte man es ja, bei so einem aggressiven und eifersüchtigen Mann. Ob so was schon mal vorgekommen ist? Liebes, dann wüßtest du es doch. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege.. vielleicht...Er ist immer noch außer sich. Ich glaube, er holt etwas..Moment.. ich kann es nicht genau erkennen. Ein Messer.. nein.. es ist ein Hammer. Du lieber Gott, was hat er denn nun vor? Ich glaube, er will das Bett zerschlagen. Das geht aber nun wirklich zu weit. Ich glaube, ich gehe mal rüber. Mal gucken, was da los ist. Und überhaupt, so was gibt es doch nicht in unserer Straße. So was darf man nicht zu lassen. Die Kinder kommen auch gleich aus der Schule. Ich ruf später nochmal an.“
Zivilcourage geht über alles. Gerade in der heutigen Zeit. Hab ich nicht recht? Ich geh also rüber und klingle bei den Bachmanns. Ein bißchen Angst hab ich schon. Er wird mir doch wohl nichts tun? Einer alten, gebrechlichen, von Arthrose gepeinigten Frau?
Die Tür öffnet sich und ein gutgelaunter Michael Bachmann steht vor mir und lächelt mich grundgütig an.
„Guten Tag, Frau Kling. Kann ich Ihnen helfen?“
Irritiert ringe ich nach Worten:
„Also...ich...wollte...dachte nur...zufällig gesehen...ihre Frau...der Spiegel...“
„Achso, Frau Kling.“ Er lachte. „Es ist wirklich sehr nett und freundlich von Ihnen, daß Sie sich Sorgen machen. Aber meine Frau und ich haben nur überlegt, ob wir nicht ein Rollo an unserem Schlafzimmerfenster anbringen sollten. Wir würden zwar unseren Panoramablick aus diesem Raum einbüßen, aber ich denke, wir haben uns dafür entschieden. Es werden ja so komische Geschichten im Dorf erzählt, Sie verstehen schon. Danke, Elfriede. Sie waren uns sehr behilflich bei unserer Entscheidung. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Sie sehen so blaß aus.......“

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