Ein Ameisen-Pusteblumen-Ausflug

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Flitzi

Mitglied
Ein Ameisen-Pusteblumen-Ausflug

„Hmmmmmm!“, seufzte Anna Ameise und starrte verträumt in den blauen Himmel.
„Was machst Du da, Faulpelz?“, fuhr sie jemand ruppig von hinten an. Anna Ameise drehte sich erschrocken um und blickte direkt in zwei, ihr bekannte, böse funkelnde Ameisenaugen. Tante Amanda!
„Ähmm…“, stotterte Anna und suchte nach einer passenden Antwort.
„Nix ähmmm. Sitz hier nicht so faul herum. Da drüben liegen jede Menge Beeren, die noch in den Bau transportiert werden müssen. Los!“.
Tante Amanda stupste Anna unsanft an. Grimmig guckend erhob sie sich und marschierte davon.
„Immer nur arbeiten, arbeiten, arbeiten!“, murmelte sie vor sich hin und tapste mit ihren kleinen Ameisenbeinchen Richtung Beerenberg.
Viel lieber wäre sie sitzen geblieben und hätte weiterhin den wunderschönen, blauen Himmel beobachtet, seine Weite und die vielen bunten Vögel die fröhlich in ihm herumflogen. Die hatten es gut. Sie waren frei, konnten tun und lassen, was sie wollten und vor allem konnten sie fliegen. Fliegen! Wie sich das wohl anfühlte? Kitzelte es im Bauch wenn man wilde Schleifen flog? Wie war das Starten und wie das Landen? Und wie sah der Ameisenbau von so hoch oben aus? Und wie die Bäume? Und der Wald? Und überhaupt die ganze Welt?
„Das werde ich wohl nie erfahren!“, murmelte Anna weiter vor sich hin und blickte traurig zu Boden.
„Eine Ameise kann eben nicht fliegen, sondern nur Arbeiten!“, hatte Tante Amanda immer wieder gepredigt, wenn Anna den Himmel beobachtet hatte. Das war wirklich ungerecht, aber auch so etwas von ungerecht. Vor Wut stampfte Anna mittlerweile so laut auf dem Waldboden herum, dass ein kleiner Käfer, der gerade sein Mittagschläfchen hielt, wach wurde.
„Hey, junge Dame! Was stapfst Du bei diesem herrlichen Wetter so wütend herum, dass die Bäume im Wald sogar anfangen zu beben?“.
Der kleine Käfer rieb sich die Augen und reckte sich.
„Was nützt mir das schönste Wetter, wenn ich immer nur arbeiten muss?“, antwortete Anna launisch, „Viel lieber würde ich fliegen!“.
„Und warum tust Du es nicht?“, fragte der kleine Käfer.
Verwundert blieb Anna stehen. Was war das denn für ein dummer Käfer? Wusste der etwa nicht, dass Ameisen keine Flügel haben oder sah Anna vielleicht wie ein zu kurz geratener Vogel aus?
„Ich bin doch eine Ameise!“, sagte sie empört und fügte vorsichtshalber hinzu: „Die können nicht fliegen!“.
Der kleine Käfer schüttelte den Kopf und rief empört: „Wer behauptet denn so etwas? Na, dann komm mal mit, junges Fräulein. Ich werde Dir schon zeigen, dass Ameisen fliegen können.“
Er winkte mit vier seiner sechs Arme zu Anna herüber und deutete ihr den Weg zu einer nahe gelegenen Blumenwiese.
Anna, die sowieso keine Lust zum Arbeiten hatte, beschloss, ein kurzes Päuschen einzulegen und folgte dem kleinen Käfer, der fröhlich voran krabbelte.
Auf der bunten Blumenwiese angekommen, zeigte er auf eine Blume mit seltsamer Blüte. Sie war nicht bunt wie die anderen, sondern weiß und irgendwie weich, oder flauschig oder so. Anna konnte es nicht genau erkennen.
„Bitte, Madame!“, sagte der kleine Käfer und verbeugte sich vor Anna. „Wenn Sie bitte auf die Blüte klettern und sich an einem der kleinen Fallschirme festhalten würden.“
Anna guckte verdutzt, machte sich aber dennoch auf den Weg nach oben. Sie umklammerte einen dieser komischen weißen Blütenfallschirme und wartete auf das, was da kommen würde. Aber nichts passierte, gar nichts.
Als Anna gerade wieder mit enttäuschter Mine von der Blüte herunterkrabbeln wollte, kam jedoch ein heftiger Windstoß. Heftig rüttelte er an der Blume, bog sie und pustete die Blüte mit einem Ruck vom Stängel ab. Anna umklammerte ihren Fallschirm ängstlich und drückte ihn ganz fest an ihren Bauch. Ehe sie sich versah, flog sie schon durch die Luft, mitten durch den herrlichen Frühlingshimmel. Sie flog! Ja, sie flog! Genauso überrascht wie glücklich blickte sie auf die kleine Krabbeltierwelt, die unter ihr lag. Schon ganz winzig war der kleine Käfer von hier oben. Den Ameisenberg konnte sie sehen und auch den Beerenhaufen. Klitzeklein! Anna flog immer höher und höher, sogar bis über die Krone einer alten Eiche. Es war herrlich, wunderbar, fantastisch. Wie schön die Welt doch von hier oben aussah und wie toll sich das Fliegen anfühlte. Tatsächlich kitzelte es im Bauch, genauso als hätte sie hundert Purzelbäume geschlagen oder zuviel von dem klebrig süßen Waldhonig genascht.
Langsam verschwand jedoch der Wind und Anna gleitete mit ihrem Fallschirm wieder zu Boden.
„Welch ein toller Ausflug, kleiner Käfer!“, rief sie dem ihr hinterher gelaufenen Käfer zu und strahlte wie die Sonne selbst. Sie umarmte ihn zum Dank und ging wieder zurück in den Wald.
Eine Menge Beeren warteten noch darauf, in den Bau gebracht zu werden, aber dies machte Annas nun nichts mehr aus. Fröhlich pfiff sie vor sich hin, lud sich eine kugelrunde, rote Waldbeere auf den Rücken und hopste leichtfüßig zum Bau zurück. Auf dem Weg dahin beschloss sie, gleich morgen wieder eine Runde Fliegen zu gehen und vielleicht übermorgen auch. Und wenn Tante Amanda wieder behaupten würde, dass Ameisen nicht fliegen können, dann würde sie ihr etwas erzählen. Oder noch viel besser: sie würde sie gleich mit hin zur Blumenwiese nehmen und ihr das Gegenteil beweisen.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

wieder eine sehr nette geschichte. aber ich würde vorschlagen, dass du das "gleitete" durch glitt ersetzt oder durch schwebte.
ganz lieb grüßt
 

strumpfkuh

Mitglied
Hallo,
eine wunderschöne, liebevolle Geschichte zum Mut machen.

Allerdings können die weiblichen und männlichen Ameisen meines Wissens in der Paarungszeit doch fliegen, weil ihnen dann Flügel wachsen. Nur die geschlechtslosen Arbeiter- Ameisen können das nicht.
Liebe Grüße
Doro
 

Flitzi

Mitglied
Vielen Dank für den Hinweis. Dann muss meine Hauptperson wohl eine solche, nichtfliegende Ameise werden. Ich werde vielleicht den Namen ändern, damit das Geschlecht nicht zu erkennen ist.
Gruss
Sabine
 



 
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