Ein 7. Kapitel

lester

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;)

Wie spät? Schön hast du geträumt, wahrscheinlich kurz vor sechs, deine Wachzeit seit vielen Jahren, aber nicht die Augen öffnen, noch nicht, es ist etwas Geheimnisvolles um die geschlossenen Augen, diesem Weltabwenden, es ist Nacht und nur die anderen Sinne können Zeichen liefern um unsere Umgebung, seltsam, dass wir meinen, die Augen lieferten das Wesentliche, sie sind auch nur Beiwerk, um die ungeheure Welt uns etwas näher erkennbar zu machen, wir müssen eine ganze Welt übersetzen in die Sprache der Sinne und glauben, ach was, hoffen, das reicht aus sie zu erfahren, und sie reichen aus, aber was wir nicht erfahren, ist, was sie nicht können, wir haben keinen Sinn für den Nichtsinn. Ach, das das so ist. Ich bleibe heute liegen. Was für ein Tag? Freitag. An einem Freitag bin ich geboren, sagt man, ich weiß nichts davon, dass man seine eigene Geburt vergisst, ist doch ein sehr wesentliches Ereignis, oder nicht?, ist es vielleicht in Ewigkeiten betrachtet völlig bedeutungslos, und zu recht vergessen, was ist wesentlich, was ist wichtig, dass uns werde klein das Kleine und das Große groß erscheine, muss gleich mal die Melodie raussuchen und nachspielen, überhaupt sollte ich mehr das Piano üben, ich bin zu schlecht darin, meine Fingerfertigkeit ist nur durch das gedankliche Befassen mit dem Instrument nicht zu verbessern, der Mensch muss tätig sein, immer üben, nichts gelingt von allein, alles geben die Götter ihren Lieblingen, alles, wo bin ich?, Freiburg?, Hamburg? nein, Reichenau, ja, die Woche Bodensee, es ist gut, dass ich mir das einmal im Jahr reserviert habe, man ist doch gleich ein anderer Mensch in diesem üppigen Garten, werde heute nochmals die Bastei besuchen, ist höchst interessant das Bild von der Wiederkunft Christi, ist aber äußerst reparaturbedürftig, nun, wird sicher nicht billig werden, das zu sanieren, aber es ist wichtig, dass diese alten Fertigkeiten überliefert bleiben, das Volk hat viel Lehrhaftes dadurch und wird in seiner Frömmigkeit gestärkt. Wie denn auch, sollen sie nur fressen und huren, das kommt ihnen am nächsten , aber man muss die Dämme halten und ihre Triebe aufs Jenseitige richten und ihnen nur die Spiele gegeben, die ihren Sinn zum Guten steigern, den Aufsatz wollte ich schon immer mal dem Öffentlichen vorlegen, aber man kann nicht alles zwingen. An einem Freitag geboren, so so, hast du fein hinbekommen, wie das schon klingt, Freitag, an welchem Tag ich wohl sterben werde, ob das auch so unwichtig ist? Lass gut sein, du wirst dir noch die schöne Laune verderben. Mach ich die Augen jetzt auf. Nun denn, es sei. Ah, es ist hell, das Thermo, lass sehen: siebzehn Grad, das ist hübsch für diese Jahreszeit, können wir auf einen Sommertag rechnen, und keinen Nebel, das ist gut, Nebel mag ich überhaupt nicht, er ist zu verschwörerisch und geistervoll, hat etwas erschreckendes, sag ich aber keinem, die denken sonst, ich sei kindisch. Was ist heute zu tun? Eigentlich bin ich frei, aber untätig darf man nicht sein, auch das wäre ein schlechtes Beispiel, immer im Tätigen sich zeigen, das nähert den Menschen den Göttern an, doch es sind Briefe zu schreiben, Professor Ceulemann ist anzutelefonieren wegen des Billards, und ja, natürlich, am Portrait des Vaters weiterzuarbeiten, es sträubt sich noch ein wenig, und wird wohl den Rest des Jahres brauchen, dennoch, die Idee ist vorzüglich und Teile sind schon so gut, dass man sie begutachten und herzeigen kann, noch in Freibug hat Scherenfleiß es gesehen und für gut befunden, auch wenn er an der Mundpartie etwas mäkelte, der Rest aber, soweit es vorzeigbar, ist salviert. Dass sie immer mäkeln müssen, als wenn es aus einem herauswachsen würde, ja sagen sie, das ist gut, um dann mit einem gewaltigen Aber nachzukobern, diese Allesbekritiker, dass sie das Wasser nicht halten können, selbst wenn sie selber hin und wieder Vorzügliches leisten, doch, das ja, grad bei ihm hab ich Staunenswertes gesehen, obwohl er soviel jünger als ich, und es ist ungerecht, ihm fällt es zu, hier muss gearbeitet werden, jeder Strich muss erspäht und gewerkt werden, und er?, er haut es mit dem Stift hin in einer Stunde und es ist vorzüglich, keine Frage, ist es aber zu loben? wie kann man loben, was nicht erarbeitet ist, da liebe ich mein Stückwerk, denn es ist von mir mit viel Fleiß erworben. Es klopft? Herein!
 

Zefira

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Lieber lester,

schöner Gedankenfluß am Morgen - wem ginge es nicht manchmal genauso - aaaaaaaber (Zefira kann das Wasser nicht halten ;) ) - wieso ein 7. Kapitel, und wieso eine Erzählung? Ist das Programm, oder darf ich es Kurzgeschichten verschieben?

Schönen Freitag wünscht
zeffy

... der "Scherenfleiß" ist genial ... ich glaube, den kenne ich :D
 

lester

Mitglied
...na ja, ich wußte nicht genau, wohin damit, könnte was längeres werden, aber darf auch unter Kurzgeschichten stehen
(7. Kapitel? *grins*, schau doch mal bei Lotte rein, man muß sich halt große Ziele setzen..) :)

Gruß
Lester
 



 
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