Ein Anflug von Geist

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S

scarda

Gast
Hallo fipsgeorg,

obwohl ich vorausschicken möchte, dass mir das Werk sehr gut gefallen hat, möchte ich doch ein paar kritische Bemerkungen machen.

Der Titel ironisiert zu sehr. Wenn man vom Titel auf den Text klickt, kommt man mit einer Erwartungshaltung an das Werk, dass man nun etwas anflugsweise Geistreiches vorfindet. Also eine eigentlich herabwürdigende Erwartungshaltung.

Dabei ist die erste Strophe ein lyrisches Highlight. Leider - und das fühle ich so - fällt der Rest etwas ab. Sprache und Rhythmus ändern sich. Natürlich gibt es auch Verbindendes, etwa als der Schrei wieder aufgenommen wird, aber ich empfinde es durchaus als Bruch.
Was ich auch noch zu Bedenken gebe: den nicht ganz verständlichen Wandel vom "Schrei" ("bis der Schrei wieder aufsteigt") in den "Ruf".

In der letzten Strophe fällt mir auf, dass nun das Lyrische Ich eingeführt wird, auch das wieder ein Bruch.

Der Schluss wieder Klasse und eine Erklärung der Titelwahl, aber eben erst dann stimmig, wenn man das Werk zum zweiten mal liest/gelesen hat

meint scarda
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo fipsgeorg,

was mir an Deinem Text gefällt, sind die Bewegungen darin. Sie entschlüsseln das Ganze und sprechen von Lebendigkeit. Zuerst fällt der Schrei, dann steigt er wieder auf, das Herz des Lyri empfindet ihn als Anruf, folgt dem Ruf und erahnt etwas Wesentliches, das es dann aber doch nicht zu Ende denken kann und deshalb bei seiner Landung diesen "Anflug von Geist" dann doch nicht mehr bei sich hat.
Wer kennt das nicht, das sich etwas eröffnen möchte, man ist ganz nahe daran, aber dann...

So lese ich Deinen Text.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

fipsgeorg

Mitglied
hallo scarda, hallo Vera-Lena,

zunächst mal vielen Dank für eure ausführliche Beschäftigung mit diesem Gedicht.
Das mit den Titeln ist ja so eine Sache: ich gebe dir recht, will ihn aber gerade deswegen nicht ändern, weil er von meiner Position her gesehen (und da war zuerst das Gedicht und dann kam die Suche nach dem Titel) das Gedicht ja auch ein wenig zu "entkräften" vermag und dann doch ein (innerliches) Lächeln resultiert.
Das mit den Brüchen habe ich auszubessern versucht - besser so?
Vera-Lena, zu deiner Zusammenfassung kann ich wirklich nichts mehr hinzufügen, freut mich wenn ich das rüber bringen konnte.

liebe Grüße fipsgeorg

neue Fassung:

Treibt die Krähe ihren Flug
seitwärts
fällt ihr Schrei
grußlos
in den Wundentanz der Blätter.

Ein Windstoß von Ost
und plötzlich ein Loch,
Zeit die sich dehnt
bis der Schrei wieder aufsteigt
und eim Herz ihm folgt.

Einen Gedanken lang
fliegen
durch das Astwerk hindurch.

Ein Anflug von Geist
aber keine Landung.
 



 
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