Ein Bett fürs Leben

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Ein Bett fürs Leben


Ein Innenarchitekt gebiert eine Schlafzimmergarnitur
und befruchtet eine junge Praktikantin,
22 Jahre alt und dementsprechend unerfahren,
mit seinem herausragenden Intellekt und gesetztem Humor.
Bei einem Abendessen zu zweit,
bei chinesischem Essen aus dem Pappkarton,
inniglich über eine Blaupause gebeugt,
gesteht sie ihm, sie gehe schwanger
mit dem Gedanken, sein prekäres Angebot
einer Festanstellung auszuschlagen.
Sie habe die Tage darüber nachgedacht
und habe Kopfschmerzen bekommen,
bei dem Gedanken, sich für ihn krumm machen zu müssen.
Außerdem, da die altersschwachen Eltern
noch über eine gesunde Rente verfügten,
müsse verhütet werden,
dass die monatlichen Zahlungen nicht für einen Rollstuhl
oder die bevorstehende Einweisung in das Altersheim vergeudet würden.
Mit lautem Stöhnen stößt der Innenarchitekt
ihre Befürchtungen bei Seite und spreizt
einen Finger von der Hand ab.
„Nur drei Praktikantinnen habe ich bis jetzt gehabt
und keine war so gut, wie Sie.
Wie Sie das Bett gemacht haben, wie eine Professionelle!“
„Es war mein erstes Mal
und ein bisschen Glück war auch dabei.“
„Ich habe Sie nur hier und da zurecht gestoßen“,
wirft der Innenarchitekt ein.
„Es war Ihr Baby.“
Die Praktikantin muss erröten.
„Sie haben mich eben nicht so behandelt, wie die anderen.“
Der Innenarchitekt dringt zum Kern der Wahrheit vor:
„Wenn Sie bleiben, kann ich Sie glücklich machen!“
„Ich weiß nicht, ob Innenarchitektur
mich glücklich macht“, zweifelt die Praktikantin.
„Ich will nicht immer nur Betten machen.“
„Dann mache ich eben nächstes Mal das Bett!“
Die Praktikantin gesteht dem Innenarchitekten,
dass sie einen anderen kennen gelernt hat.
„Der behandelt mich nicht so wie eine Praktikantin,
nicht so von oben herab.
Außerdem ist sein Arbeitstag nicht so lang.“
„Wie lang ist denn seiner?“, schreit der Innenarchitekt.
„Ich habe ihn nicht gemessen!“, schreit die Praktikantin zurück.
„Außerdem durfte ich bei ihm auch schon mal die Küche machen!“
„Sie haben doch überhaupt nicht das Rückgrat, um eine Küche zu machen!“
„Aber für´s Bett war ich Ihnen gut genug!“, schnaubt die Praktikantin.
Der Innenarchitekt raucht eine Zigarette.
„Ich glaube, wir müssen uns trennen“, sagt er.
„Wir haben ganz schönen Mist gebaut, was?“
Der Innenarchitekt nickt und schaut der Praktikantin tief in die Augen.
„Falls es mit dem Neuen nicht klappt, kannst du ja zurückkommen.“

„Nein“, antwortet die Praktikantin,
„ich will mehr vom Leben.“
 
Na, Marius,
dann bist du wohl ein Innenarchitekt oder weißt wenigstens um die feine Sprache und das sensible Miteinander zwischen einem geistreichen Selbstständigen und einer aufstrebenden und wirklich ALLES wollenden Praktikantin.
Liegt diesem Text eine Ironie inne, weil Männer und Frauen tatsächlich immer in den gleichen Schematas denken, oder weil wir es denken, dass wir es denken ...?

Mit freundl. Grüssen,
Herr Richter
 



 
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